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Gemeinderat, 43. Sitzung vom 18.10.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 122

 

wirklich kaum ermessen, was die Menschen in Israel gerade durchmachen müssen, welche Wunde, welches Trauma dieser Angriff ihnen zufügt und zugefügt hat, denn Israels Sicherheit - das ist wichtig, hier zu betonen - kam niemals leicht und musste im Laufe der Geschichte stets erkämpft werden.

 

Der grausame antisemitische Angriff, der grausamste Angriff seit dem Holocaust, seit der Schoah, erschüttert aber nicht nur die Grundfesten der israelischen Gesellschaft, sondern die der ganzen Welt. Humanistische Grundwerte, der Glaube an die Unverbrüchlichkeit des menschlichen Lebens sind in Gefahr, aber wir werden ganz sicher nicht zulassen, dass das geschieht.

 

Ein Punkt ist mir heute ganz besonders wichtig: Österreich hat gerade durch seine Geschichte eine ganz besondere Verpflichtung, niemals zu vergessen und Antisemitismus in jeder Form mit allen Mitteln und Möglichkeiten zu bekämpfen. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ, ÖVP und NEOS.)

 

Ich möchte Sie gerne erinnern: Spätestens 1938 mussten Jüdinnen und Juden fliehen. Sie mussten oftmals ohne Hab und Gut fliehen, und es waren Kinder darunter, die von verzweifelten Eltern allein auf die Reise geschickt wurden. Es war auch ein zehnjähriges Kind darunter, Moshe Jahoda, der auf den heutigen Tag genau seinen siebenten Todestag hat, der damals als zehnjähriger Bub den Turnertempel in Rudolfsheim-Fünfhaus brennen gesehen hat, mit seinem Fahrrad zum Schwedenplatz gefahren ist und sich selbst die letzte Ausreise nach Israel, nach Palästina organisiert hat. Seine Großeltern, seine Eltern, seine kleine Schwester Gerti hat er nie wieder gesehen. Sie wurden alle in Auschwitz ermordet.

 

Und auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelangten Überlebende des Holocaust nach Israel. Das ist wichtig: Israel ist ein Zufluchtsort, es ist ein Schutzort und hat als genau dieser Schutzort auch eine Existenzberechtigung. Es ist mir wichtig, zu sagen, dass es kein Aber im Angesicht des Terrors gibt, es gibt keine Relativierung, aber ich weiß, es ist schwierig, im Moment die richtigen Worte zu finden. Es ist schwierig, die richtigen Worte auch dafür zu finden, dass der Zivilbevölkerung im Gazastreifen gerade eine riesige humanitäre Katastrophe droht, dass zivile Opfer unter den kriegerischen Handlungen leiden und dass sie auch sterben.

 

Robert Misik hat das gerade sehr gut beschrieben, und ich kann Ihnen allen diesen Text nur sehr ans Herz legen. Er hat von den falschen Wahrheiten und den richtigen Falschheiten geschrieben, und ich lege Ihnen seine Zeilen sehr ans Herz.

 

Ich finde, es ist aber auch nicht der richtige Zeitpunkt, um politisches Kleingeld zu schlagen, denn was es gegen Antisemitismus braucht, das wissen wir doch alle. Es braucht viel mehr Ressourcen an den Schulen, es braucht Bildung, es braucht Aufklärung, es braucht viel mehr Ressourcen in der außerschulischen Jugendarbeit, in der aufsuchenden Jugendarbeit, und wir wissen, dass diese aufsuchende Jugendarbeit einfach auch im Netz stattfinden muss, wo sich Jugendliche gerade radikalisieren.

 

Ich möchte gerne mit einem Zitat von Doron Rabinovici enden, das Barbara Staudinger, die Direktorin des Jüdischen Museums in Wien gerade in die Auslage des Museums im 1. Wiener Gemeindebezirk gestellt hat. Sein Zitat lautet: „Das ist der Moment, da es gilt, jenseits der Sonntagsreden und Erinnerungsrituale Farbe zu bekennen. Der Kampf gegen Antisemitismus kann nicht redlich geführt werden, ohne für das Existenzrecht Israels und seiner Zivilgesellschaft einzustehen. Nie wieder ist heute und nie wieder ist jetzt.“ (Allgemeiner Beifall.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Florianschütz. Ich erteile es ihm. Bitte, Herr Gemeinderat.

 

10.52.51

GR Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ)|: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Wienerinnen und Wiener via Livestream!

 

Ich kann zufälligerweise nahtlos anschließen. Die Debatte, die wir jetzt führen, ist natürlich eine Debatte politischen Kleingelds. Dass sie jetzt so eingebracht worden ist, ist, ehrlich gesagt, schade, weil es dem Thema nicht gut tut. Aber soll sein, damit müssen wir leben. Es birgt aber die Möglichkeit, ein paar Klarstellungen zu treffen. Eine dieser Klarstellungen ist - und das wird schon polarisierend sein - die Vorstellung, dass zu diesem Thema in diesem Haus alle dieselbe Meinung haben. Das ist nicht so, und damit muss man umgehen können und leben.

 

Die Wahrheit ist, Wien ist aus ihrer gesamten DNS, aus ihrer gesamten Geschichte heraus eine diverse Stadt. Das ist so, und darauf sind wir auch stolz. Manche wollen das vielleicht nicht, aber damit verkennen sie die Geschichte dieser Stadt und ihre Realität. Mit dieser Diversität müssen wir umgehen, und wir sind stolz darauf, dass uns das hervorragend gelingt (Beifall bei SPÖ und NEOS.), als Fortschrittskoalition, als Koalition, die vor der Fortschrittskoalition war, als sozialdemokratische Alleinregierung, die vor dieser Koalition gewesen ist und aus der gesamten Geschichte der Sozialdemokratischen Partei dieser Stadt. Darauf sind wir stolz, meine Damen und Herren, und dazu bekenne ich mich. Wenn es jemand nicht haben will, nehme ich das zur Kenntnis, aber es wird unsere Haltung nicht ändern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Die situative Forderung nach einem Asylstopp, meine Damen und Herren, ist menschrechtswidrig, und diese Stadt ist eine Menschenrechtsstadt. Das kommt überhaupt nicht in Frage! (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.) - Es ist schön, zu sehen, dass die überwiegende Mehrzahl geklatscht hat, mit dem Rest müssen wir leben.

 

Meine Damen und Herren, auch ein paar andere Klarstellungen, die wichtig sind: Jeder in diesem Haus weiß, wer ich bin, woher ich komme und wofür ich stehe. Darum sage ich Ihnen: Das Demonstrationsrecht ist ein hohes demokratisches Gut in einer demokratischen und offenen Gesellschaft. Ich werde mich immer einsetzen, dass jeder Mensch im Rahmen der Gesetze sein Demonstrations- und Versammlungsrecht ausüben kann, auch und gerade, wenn er oder sie nicht meiner Meinung ist. Das ist eine entscheidende Frage, und dazu rufe ich auch auf. (Beifall bei der SPÖ und von GRin Dr. Jennifer Kickert.)

 

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