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Gemeinderat, 42. Sitzung vom 16.10.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 39

 

jeweils anderen, an Problemlösungen arbeiten und die Probleme nicht ständig schönreden. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Genau um dieses Hinschauen geht es auch bei unserem heutigen Thema. Bei unserem heutigen Sondergemeinderat, den wir gemeinsam mit der Fraktion der GRÜNEN verlangt haben, geht es einfach darum, dass die regierende SPÖ wegschaut. Ja, und es geht eigentlich zusätzlich darum, dass man den Eindruck erhält, die SPÖ schaut nicht nur weg, sondern die SPÖ schaut zunehmend nur auf sich selbst. Es geht in vielen Fällen um den Verdacht der Begünstigung in eigener Sache - ein Verdacht, der offenbar zum System geworden ist -, und es geht um, ich würde einmal sagen, die parteipolitische Pervertierung einer Idee, die doch an sich eine wunderbare Idee war.

 

Daniel Gottlob Moritz Schreber, 1808 in Leipzig geboren, Arzt und Pädagoge - auf ihn wird die Grundidee zurückgeführt. Er hatte eigentlich ganz andere Überlegungen, und in den letzten Jahrhunderten ist diese Idee auch weiterentwickelt worden. Was war die Idee des Kleingartens, des Schrebergartens? - Das war auch, dass Menschen, die keine Beziehungen haben, Menschen, die wenig Geld haben, schon gar kein Vermögen haben, sich auch einen kleinen Garten leisten können, ein bisschen Obst anbauen, ein bisschen Gemüse anbauen, Erholung finden, Ruhe finden können. Ich würde es so übersetzen: Der Traum der Menschen nach einem kleinen Fleckerl Glück, in einem Garten symbolisiert. Dieser Traum ist für viele Wienerinnen und Wiener unerfüllbar. Unerfüllbar deshalb, weil sie einfach nicht dazu kommen, weil einfach offensichtlich im System der Kleingartenvergabe der Eintritt in den Kleingarten für Menschen ohne Vermögen und ohne Beziehungen und schon gar nicht, ohne dem SPÖ-System anzugehören, nicht möglich ist.

 

Ich habe mit vielen Menschen in den letzten Tagen und Wochen gesprochen und immer wieder kommt eines heraus: Die Leute sagen: Als einfacher Mensch komme ich einfach nicht zu einem Kleingarten! - Das ist für mich sehr symbolisch und das macht mich auch betroffen. Bei anderen nämlich, und das zeigen die letzten Tage und Wochen sehr deutlich, geht das schneller, es geht viel, viel schneller. Diese offensichtlich privilegierten Menschen im Nahebereich der SPÖ bekommen nicht nur einen Kleingarten, sondern sie können den Wert des Kleingartens durch Umwidmung auch gleich einmal verdoppeln oder verdreifachen. Sie machen mit dem Kleingarten ein ordentliches Geschäft, wenn sie nur Teil des Gesamtsystems sind.

 

Einige der Fakten - David Ellensohn hat es schon angeführt, aber vielleicht zusammengefasst - sprechen ja eine klare Sprache: 2021 die Umwidmung der 126 Parzellen im Kleingartenverein Breitenlee - die Umwidmung, die dann vom Gemeinderat auch abgesegnet worden ist. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere SPÖ-Politiker Eigentümer von Parzellen dort, und jetzt tauchen fast täglich neue Namen auf. Von der Umwidmung profitierten ganz offenbar zahlreiche SPÖ-Politiker in allen Ebenen, von Bezirk über Land und Stadt bis hin zur Bundesebene. Und sogar während einer laufenden Umwidmung konnten daran beteiligte SPÖ-Politiker noch günstige Parzellen kaufen. Es sind aber nicht nur SPÖ-Politiker, es sind, wie wir in den letzten Tagen und Stunden erfahren mussten, auch Menschen, die im Nahebereich der SPÖ hohe Funktionsträger sind. Es ist eigentlich irgendwie deutlich geworden: Es gehört zum System der SPÖ möglicherweise dazu, dass man sich halt gegenseitig einen Gefallen macht, aber nur in einer privilegierten Runde. Eine Hand wäscht die andere, heißt es im Volksmund, eine Hand hält auf, die andere nimmt, lautet das Prinzip. Diese Gefallen gehen ganz klar zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sie gehen zu Lasten jener Menschen, die sich erfolglos um einen Kleingarten bemühen, und zwar nicht, um damit Geld zu verdienen, sondern nur, um das kleine Fleckerl Glück zu bekommen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren - und das sollte uns alle betroffen machen -, diese Vorgangsweise geht zu Lasten der politischen Glaubwürdigkeit aller Parteien und aller in der Politik Tätigen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Das System dürfte aber nicht auf den Kleingartenverein Breitenlee beschränkt sein - auch das wissen wir seit einigen Tagen und seit einigen Stunden noch verstärkt. Nur, ich stelle hier schon eine Frage, und die Frage wird sich heute auch in einem Antrag von uns niederschlagen: Welche Rolle hatte und hat eigentlich der Zentralverband der Kleingärtner und Siedler Österreichs? - Das muss aufgeklärt werden.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, „Die Stadt gehört Dir.“ ist ein Slogan der Wiener Linien, die Stadt gehört mir, ist leider gefühlte Praxis von Teilen der Wiener SPÖ. Das zeigt sich im Kleingartenskandal ganz besonders deutlich. Da geht es um den Verrat an Ideen, die eigentlich den kleinen Leuten nutzen sollen, da geht es um Selbstbedienung, um Selbstbereicherung, da geht es um Insider-Geschäfte quer durch den Gemüsegarten zwischen rechtlicher, strafrechtlicher, moralischer oder politischer Verantwortung.

 

So, meine Damen und Herren, geht Wien aus meiner Sicht ganz sicher nicht, obwohl das immer wieder anders plakatiert wird. Das dürfen wir alle nicht zulassen! Die Kleingärten müssen für jene Menschen da sein, die sie für sich und ihre Familien wirklich brauchen und die auch außerhalb dieser privilegierten Gruppe innerhalb der SPÖ tätig sind.

 

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen jetzt ein Zitat, schauen wir einmal, ob eine Erinnerung bei Ihnen kommt: Es ist nicht wurscht, dass immer noch zählt, wer wen kennt in dieser Stadt! (GR Mag. Josef Taucher: Ist das bei euch nicht so?) - Ich stelle fest, ich habe es eigentlich anders geglaubt. Ich habe geglaubt, die NEOS werden sich daran erinnern, das ist nämlich ihr Slogan. Ihre körpersprachlichen Reaktionen zeigen mir allerdings, Sie kennen Ihr Wahlplakat aus dem Wahlkampf 2020 möglicherweise erst, wenn ich Sie daran erinnere (ein pinkfarbenes Plakat mit folgender Aufschrift in gelb in die Höhe haltend): „Weil’s nicht wurscht ist, dass immer noch zählt, wer wen kennt. Und nicht, wer was kann.“ Dieses

 

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