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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 27.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 108 von 115

 

Bleiben wir gleich bei der Frauengesundheit: 1998 bereits hat der Wiener Gemeinderat das Wiener Frauengesundheitsprogramm beschlossen. Das ist fast 25 Jahre her, wenn ich das richtig sehe, und seit 25 Jahren wird danach getrachtet, dass Frauen in der Gesundheitsförderung in Wirklichkeit gerechter behandelt werden, und das manifestiert sich in einer Fülle von Aktionen, Projekten, Broschüren, Studien, und so weiter.

 

Ich möchte aber ganz konkret noch etwas zum Bereich der Gendermedizin ergänzen: In der Gendermedizin fehlt noch viel Bewusstseinsarbeit, und zwar sowohl im Bereich der Pharmaindustrie als auch im klinischen Alltag. Dass sich ein Herzinfarkt bei Männern und Frauen unterschiedlich manifestiert, das hat sich einigermaßen herumgesprochen. Dass eine Depression bei Männern eher im aggressiven Gewand daherkommt, ist nicht so bekannt. Und dass Frauen auf Medikamente oft ganz anders reagieren, als die pharmazeutischen Studien aussagen, liegt vielleicht daran, dass Frauen in der Pharmakologie höchstens kleine Männer sind. Es ist ja doch bemerkenswert, dass in den Beipackzetteln der Medikamente bei der Dosierung angegeben ist, wie viele Milligramm oder wie viele Tabletten Männer schlucken sollen - also Männer und Frauen in Wirklichkeit, die Erwachsenen nämlich, Männer und Frauen in einem Topf -, und dann gibt es noch die Kinder, wenn man Glück hat. Männer sind in der Pharmakologie aber nicht gleich wie die Frauen und Frauen sind nicht gleich wie die Männer, und man weiß zum Beispiel, dass eine Tablette bei einer Frau doppelt so lange durch den Verdauungstrakt braucht als bei einem Mann, also müsste eine halbe Tablette eigentlich reichen. Nur, wer kriegt das so verschrieben? Das ist in der klinischen Praxis so nicht umgesetzt. Wenn die Frau dann auch noch klein und zart ist, sollte vielleicht noch weniger verabreicht werden.

 

Heute weiß man, dass das Herzmedikament Digoxin den Frauen geschadet und den Männern genützt hat. Das ist ein Digitalispräparat, das bis vor einigen Jahren in Verwendung war. Es gibt es heute noch, ist aber jetzt nicht mehr in jeder Frage gerechtfertigt. Es wird aber immer noch verabreicht und wurde praktisch vor 20 Jahren jedem älteren Menschen verabreicht, weil man irgendwann etwas mit dem Herzen hat, und da wurde das gegeben. Oder: Man weiß auch, dass manche Schlafmittel bei Frauen - das Zoldem zum Beispiel, das ja gerne gegeben wird - nur in halber Dosierung gegeben werden sollen, weil die eben anders verstoffwechselt werden. Das wird aber in Wirklichkeit nicht umgesetzt, nur bei denen, die sich besonders für Gendermedizin engagieren. Das ist eigentlich eine Aufgabe, die sehr wichtig ist, und das macht das Frauengesundheitsprogramm.

 

Wir müssen daher dringend das Bewusstsein für die Gendermedizin schärfen und die Patientinnen ermutigen, bei Verschreibungen von Medikamenten kritisch zu hinterfragen. Wir müssen hier in Wirklichkeit eine Kampagne machen, eine Aufklärungskampagne, um diese unterschiedliche Wirkungsweise bei Männern und Frauen zu erklären und auch dann letztlich in der klinischen Praxis umzusetzen. Vor allem aber brauchen wir so engagierte Einrichtungen wie das Programm für Frauengesundheit, und wir brauchen auch die VorreiterInnen in den Wiener Spitälern, wie zum Beispiel die Gendermedizin-Ikone - würde ich schon fast sagen - Prof. Kautzky-Willer. Wir sind sehr froh, dass wir mit ihr eine ausgezeichnete Wissenschafterin, Professorin - auch in der klinischen Praxis tätig -, dass wir diese gute Frau als Ärztin in unserem Bereich haben. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich möchte zur Gesundheitsförderung kommen, zur WiG, zur Wiener Gesundheitsförderung im engeren Sinn, aber insgesamt zur Gesundheitsförderung noch ein paar Anregungen bringen. Die Gesundheitsförderung hat unzählige Projekte in mittlerweile 19 Bezirken in Absprache mit den Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorstehern durchgeführt. Warum ist das so wichtig? - Weil die vor Ort Tätigen natürlich besser wissen, was die jeweilige Bevölkerung braucht, und das alles mit dem Ziel, Gesundheitskompetenz zu fördern und gesundes Verhalten positiv erlebbar zu machen. Gesundheitliche Benachteiligungen auf Grund des Sozialstatus sollen ausgeglichen werden, und daher ist es meiner Meinung nach besonders wichtig, dass man die Bezirke mit der ärmsten Bevölkerung besonders fördert.

 

Ich freue mich, berichten zu können, dass wir im 15. Bezirk letzten Herbst die mittlerweile 24. Bezirksgesundheitskonferenz durchgeführt haben. Das Thema war Einsamkeit, was natürlich durch die Pandemie noch besonders aggraviert worden ist. Wir wissen, Armut macht krank, aber auch Einsamkeit macht krank. Ich sage nur das Stichwort Sozialkapital, es ist notwendig für den Einzelnen und die Einzelne. Sozialkapital heißt, dass man sich wertgeschätzt fühlt, dass man eingebettet ist in einen familiären Rahmen, dass man eingebettet ist in einen Freundeskreis oder eingebettet in eine Initiative oder in einen Verein, wo man etwas für die Allgemeinheit oder für den Verein oder für sich selber leistet und mit anderen Menschen zusammenkommt.

 

Das fehlt sehr vielen, und wir sind der Meinung, dass die Initiativenförderung, die die Wiener Gesundheitsförderung macht, nämlich: Meine gesunde Idee für irgendetwas, dass diese Förderung ein gutes Setting für gemeinsame Aktivitäten in der Nachbarschaft ist, wo man dagegen arbeiten kann, dass jemand vereinsamt. Zum Beispiel das gemeinsame Anbauen von Kräutern und das gemeinsame Kochen dann im Anschluss. Das gibt es wirklich, das ist jetzt nicht ein erfundenes Beispiel, das ist ein konkretes Beispiel von der Schmelz.

 

Ein wichtiger Teil der Gesundheitsförderung ist aber auch der Sport. Für Sport ist es nie zu früh, aber auch nie zu spät, und ich meine das jetzt nicht tageszeitlich, sondern ich meine das vom Alter her. Bewegung ist also immer sinnvoll, egal, wie alt man ist. Man kann 90 Jahre sein und es ist immer noch möglich, dass man eine Art Bewegung macht, um einen Gesundheitszustand noch zu verbessern. Daher ist ein umfassendes, niederschwelliges Sportangebot sehr wichtig, sozusagen als Querschnittsmaterie, und das haben wir in Wien.

 

Die Vereinssportanlagen auf der einen Seite, die jetzt auch zu 65 Prozent schon saniert sind, bieten viele unterschiedliche Sportarten an, auf der anderen Seite der Gratiskraftsport mit den Geräten, die überall im öffentlichen

 

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