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Gemeinderat, 21. Sitzung vom 30.03.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 94

 

es keine Guten gibt. Ich bin der Überzeugung und fürchte, dass das bei diesem Krieg so der Fall ist. In diesem Krieg gibt es die guten Aggressoren und Verteidiger nur bedingt, was es aber jedenfalls gibt, sind die Opfer, und um diese Opfer sollten wir uns annehmen. Ich denke, das tun wir auch, und ich bin darauf stolz, dass wir das in Wien tun.

 

Ich habe über meine internationalen Verbindungen, ich bin ja Mitglied im Ausschuss der Regionen beim Europäischen Parlament respektive im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, natürlich ein Netzwerk auf Europäischer Ebene, und in diesem Netzwerk erreichen mich dann Nachrichten und Hilferufe. Ein Beispiel: Aus Hamburg ruft mich eine liebe Freundin an, mit der ich im Ausschuss der Regionen gesessen bin, die eine andere liebe Freundin aus dem Kongress der Gemeinden und Regionen Europas hat, die aus der Ukraine ist. Ihre Freundin ist mit ihrer Tochter nach Wien geflüchtet, und es stellt sich die Frage: Wie können wir ihnen helfen?

 

Meine Damen und Herren, worauf ich schon ein bissel stolz bin, trotz aller Krise: Dass wir das tun können. Es ist eine Leichtigkeit, Adressen bereitzustellen, es ist eine Leichtigkeit, zu sagen, wohin man sich wenden kann, welche Maßnahmen konkret die Gemeinde Wien setzt und welche Maßnahmen nicht zuletzt die Nichtregierungsorganisationen, auf die sich die Flüchtlinge in unserer Stadt verlassen können - zum Beispiel die Caritas oder die Volkshilfe - setzen.

 

Das ist in allem Schlechten das Gute, es zeigt sich, dass in dieser Krise die guten Eigenschaften der Menschen in Österreich, in Europa letztendlich global zutage treten, nämlich Menschlichkeit, Verständnis, Teilhabe im Sinne von Mitgefühl. Das tritt hervor und das macht mir Mut. Es macht mir Mut, dass die Logik des Krieges und die Logik der Antagonismen und der Auseinandersetzung eine ist, die sich auf Dauer nicht durchsetzen wird und sich auch nicht durchsetzen darf. In Wirklichkeit geht es darum, dass wir eine friedliche, gemeinsame Welt schaffen wollen oder erhalten wollen.

 

Meine VorrednerInnen haben das in einem hohen Ausmaß betont, dass das unser Ziel ist. Ich möchte allerdings auf eines hinweisen: Die Betroffenheit, mit der wir alle agieren, die Betroffenheit, mit der wir sagen, dass jetzt, als der Krieg nach einer langen Friedensperiode - Klammer: in Europa - Klammer zu - ausgebrochen ist, ist natürlich eine eurozentristische Herangehensweise. Es gibt sei 1945 keinen Tag auf diesem Globus, an dem es nicht einen Krieg gegeben hätte, halt nur nicht in Europa. Unser Ziel muss es sein, natürlich nicht Kriege in Europa zu verhindern, unser Ziel muss es sein, Kriege global zu verhindern und den Krieg insgesamt zu ächten.

 

Da bin ich mir nicht sicher, ob Militärbündnisse, so notwendig sie manchmal scheinen, immer ein Beitrag zum Frieden sind. Das ist der Grund, warum ich stolz darauf bin, dass wir ein neutrales Land sind. Neutralität, meine Damen und Herren, heißt, so steht das, ich sage es jetzt nicht wörtlich, in unserem Gesetz drinnen: Wir treten keinem Militärbündnis bei und wir dulden keine fremden Truppen auf unserem Staatsgebiet. Meine Damen und Herren! So ist das gut, so soll es bleiben. Jeder, der darüber diskutieren will, dem sollten wir alle gemeinsam eine Absage erteilen.

 

Wir haben ein System von vielen verschiedenen Gremien, Organisationen geschaffen, um global Frieden zu erzeugen. Zwei habe ich heute genannt, den Ausschuss der Regionen, das ist eine interne Angelegenheit der Europäischen Union, aber darüber hinausgehend den Europarat. Der Europarat ist ein großes friedenspolitisches Projekt, das auch sehr erfolgreich gewesen ist, mit 48 Mitgliedstaaten, inzwischen sind es nur mehr 47 Mitgliedstaaten. Die Russische Föderation ist ihrem Ausschluss aus dem Europarat nach Art. 8 der Satzung durch ihren eigenen Austritt zuvorgekommen.

 

In der Reihenfolge muss man sagen, die sind ja nicht ausgetreten, weil sie eine freie Wahl gehabt hätten. Meine Damen und Herren, das betrifft ja nicht nur den Europarat und die parlamentarische Versammlung, es betrifft auch den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas. Ich war vorige Woche in Straßburg beim Plenum des Kongresses, wir haben den Vertreterinnen und Vertretern der ukrainischen Delegation - eigentlich den Vertreterinnen, denn die Männer waren woanders - unsere Solidarität ausgedrückt, aber keinen Vertreterinnen und Vertretern der Russischen Föderation, denn die sind nicht mehr Mitglieder des Europarates.

 

Ich stehe dazu, dass es diese Sanktionen gegeben hat, aber, meine Damen und Herren, ein Europarat ohne Russische Föderation ist auf Dauer eine Katastrophe. Wir müssen darüber perspektivisch nachdenken, wie es uns gelingen kann, die Russische Föderation - und damit meine ich jetzt die Russische Föderation, nicht ihren Präsidenten - wieder in die Familie Europas zurückzuholen, denn auch das ist ein Beitrag des Friedens. Diese Variante „Serbien muss sterbien.“ auf Russland ausgedehnt, ist abzulehnen. Das ist keine Solidarität mit der Politik des russischen Präsidenten, das ist Solidarität mit dem Friedensprojekt Europa - und dafür stehen wir hoffentlich alle.

 

Meine Damen und Herren! Der Militärtheoretiker Carl von Clausewitz hat einmal gesagt: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Und über Generationen hinweg, jedenfalls in meiner - mir erinnerlichen - Generation, wurde das bestritten, da hat man gesagt, das ist nicht wahr. Ich sage Ihnen, die bittere Erkenntnis ist, es ist schon wahr. Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, das muss man zur Kenntnis nehmen. Man muss nicht zustimmen, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass es so ist.

 

Was ist unsere Antwort drauf? - Unsere Antwort ist: Kein Krieg! Nie wieder Krieg in Europa und auf dem ganzen Planeten! Darum sollten wir uns massiv kümmern. So verstehe ich auch unsere Neutralitätspolitik, meine Damen und Herren: Einen Beitrag zu leisten, um Kriege zu verhindern, Verständigung zu fördern und Frieden zu schaffen und zu erhalten. So sollten wir das sehen. Alle anderen Diskussionen, die darum geführt werden, ob man jetzt wie mit wie viel Geld was machen kann, das ist auch wichtig, aber das sind Spezialdiskussionen. Der Grundsatz, kein Krieg, nie wieder Krieg auf

 

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