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Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 72 von 114

 

Fragen 8, 16 und 26 - per se nicht den Gegenstand einer Interpellationsanfrage bilden können, denn bei diesen Fragen geht es darum, dass nicht die ausgeübte Vollziehung kontrolliert wird, sondern ein allfälliges in der Zukunft liegendes Verhalten behandelt werden soll. Auch das wäre an und für sich nicht vorgesehen, aber ich werde trotzdem auf diese Ihre Fragen eingehen, um Ihnen vielleicht die Möglichkeit zu bieten, entsprechend replizieren zu können.

 

Ungeachtet der zweifelhaften Zulässigkeit einer Vielzahl von Fragen werde ich diese Themen beleuchten, um Ihnen auch die Bedeutung der Wiener Klimapolitik vor Augen zu führen.

 

Ich möchte mit Frage 1 beginnen: Die Straßenprojekte Stadtstraße und Spange Seestadt Aspern stehen in keinem Widerspruch zu den verkehrspolitischen Zielen der Stadt Wien. Vielmehr ist es so, dass Stadtentwicklungsgebiete wie die Seestadt Aspern mit zig Tausenden Einwohnerinnen und Einwohnern und ebenso vielen Arbeitsplätzen sowohl neue Straßen als auch eine entsprechende Anbindung an das hochrangige Straßennetz benötigen.

 

Besonders relevant ist bei der Stadtstraße und bei der Spange Seestadt Aspern natürlich die Entlastungswirkung. Straßen wie zum Beispiel die Großenzersdorfer Straße und die alten Ortskerne, wie zum Beispiel Hirschstetten, Aspern und Eßling, werden vom Durchzugsverkehr entlastet. Gleichzeitig wird dadurch die Möglichkeit für Verkehrsberuhigung, Aufenthaltsqualität und Ausbau beziehungsweise Bevorrangung der Öffis geschaffen, also mehr Lebensqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner erzeugt.

 

Die Stadt Wien wird aus all den genannten Gründen für eine klimafreundliche Stadtentwicklung diese Gemeindestraße errichten und hat versucht, in zahlreichen Gesprächsangeboten die Aktivisten von der Notwendigkeit dieses Projektes zu überzeugen und sie zu einem Abzug von der Baustelle in der Hausfeldstraße, die im Übrigen kilometerweit von der Lobau entfernt ist, zu bewegen, leider bis dato ergebnislos. Wir sind aber weiterhin bemüht, eine Lösung des Konflikts zu erreichen - darum bemüht sich auch Frau StRin Ulli Sima in besonderer Art und Weise -, denn der Bau der Stadtstraße ist für uns alternativlos.

 

Eine Alternative zur Besetzung besteht natürlich: Dies ist die Beendigung der Besetzung durch die Besetzerinnen und Besetzer. Auf Grund der gewählten Formulierung kann überdies angenommen werden, dass hier die sogenannte Auflösung von Besetzungen im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes angesprochen wird, welche jedoch von den Sicherheitsbehörden und nicht von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich angeordnet werden müsste.

 

Zur Frage 2: Seit Oktober gibt es unzählige Versuche, mit den Besetzern ins Gespräch zu kommen, leider erfolglos. Die Liste der Gesprächsangebote von Seiten der Stadt ist lang. Es gab immer nur Absagen und Verzögerungen von Seiten der Besetzer und keine ernsthafte Absicht, eine Lösung mit der Stadt zu finden.

 

Zur Frage 3: Wien wird bis 2040 CO2-neutral - ein Ziel, das Wien als erstes Bundesland fixiert hat. Dazu gibt es eine Vielzahl von konkreten Maßnahmen, natürlich auch im Verkehrsbereich. Der Anteil der Fahrzeuge mit nichtfossilem Antrieb an den Neuzulassungen steigt bis 2030 auf 100 Prozent. Der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors sinkt pro Kopf bis 2040 um 70 Prozent. Um diese Ziele zu erreichen, wird intensiv in den Ausbau der Öffis investiert, wird auf Sharing gesetzt, das Radwegenetz massiv ausgebaut, auf alternative Antriebe gesetzt und schon mit 1. März 2022 das Parkpickerl auf ganz Wien ausgedehnt. Das flächendeckende Parkpickerl ist ein Meilenstein für den Klimaschutz in Wien und wird den PKW-Pendlerverkehr massiv reduzieren.

 

Den Lobau-Tunnel abzusagen und keine Lösungen vorzuweisen, ist zu wenig. Die zuständige Bundesministerin ist gefragt, den Transitverkehr auf der Südosttangente mitten durch Wien einzudämmen. Täglich fahren 230.000 Fahrzeuge über die Südosttangente! Das wird Wien alleine nicht schaffen, wenn die Bundesministerin ihren Aufgaben nicht nachkommt und weiterhin Regelungen beziehungsweise Verhältnisse wie die folgenden bestehen, und ich möchte hier einige beispielhaft auflisten, nämlich:

 

Wenn der Bahnkilometer um ein Vielfaches teurer als der Straßenkilometer ist, lohnt sich der Gütertransport auf der Schiene für Unternehmen nicht. Ohne dauerhafte Reduzierung der Schienenmaut - und nicht nur während Covid - ist keine Verlagerung von der Straße auf die Schiene möglich.

 

Die Kosten für die Nutzung der Schiene für den Güterverkehr sind viel zu hoch. Diesel wurde allein im Jahr 2021 mit 660 Millionen EUR steuerbegünstigt. Vor allem LKW profitieren von diesem Privileg und erschweren die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Die Bundesregierung konnte sich, entgegen anderweitigen Ankündigungen der zuständigen Bundesministerin, im Zuge der kürzlich beschlossenen ökosozialen Steuerreform weiterhin nicht auf eine Abschaffung des Dieselprivilegs einigen, und eine solche wird offensichtlich auch von der Ministerin nicht umgesetzt.

 

In der Ausgestaltung des Klimabonus werden die Wiener benachteiligt, sie erhalten nur 100 EUR pro Person, obwohl sie laut Modal-Split am umweltfreundlichsten unterwegs sind, es mehr Öffi-Jahreskarten als zugelassene PKWs gibt. Das empfinden ich als Wiener Bürgermeister und viele Menschen in unserer Stadt als ungerecht. In den anderen Bundesländern werden bis zu 200 EUR ausbezahlt, egal, wie die Menschen dort unterwegs sind. Es kommt dadurch zu einer, wenn man so will, zweiten Pendlerpauschale. Ich finde, da hätte die Frau Bundesministerin viel Gelegenheit, auch den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

 

Wir wollen ja inhaltlich diskutieren, und ich finde, man sollte auch darüber reden, was die GRÜNEN dort verantworten können, wo sie in Regierungsverantwortung sind, denn in der Opposition ist es offensichtlich immer deutlich leichter. Man könnte dort, wo man in der Regierung ist, zeigen, was man kann.

 

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