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Gemeinderat, 68. Sitzung vom 30.06.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 90

 

Wir haben letztes Jahr hier im Gemeinderat auch die Matching Grants für den WWTF beschlossen. Da ist naturgemäß inzwischen nicht viel weitergegangen, weil ja juristische Fragen noch zu klären sind. Was unbedingt zu klären ist: Wenn ich an mein Institut an der Universität Wien etwas spende, dann ist diese Spende für mich steuerlich absetzbar, weil sozusagen das Institut selbst forscht – das ist das Motiv dahinter. Wenn ich aber dem WWTF etwas spende, ist das nicht steuerlich absetzbar, weil der WWTF nicht selbst forscht, sondern nur – unter Anführungszeichen - Forschung fördert. Das ist die gegenwärtige Rechtslage, und das muss unbedingt geändert werden. Ich hoffe daher, dass Staatssekretär Mahrer, der ja diese Dinge im zuständigen Ministerium betreibt, auch das im Auge behält.

 

2014 war auch charakterisiert durch die Vorbereitung auf die drei, im Grunde genommen vier Jubiläen - in gewissem Sinne -, nämlich: 650 Jahre Universität Wien, 200 Jahre Technische Universität und 250 Jahre Veterinärmedizin. Das vierte Jubiläum sozusagen wäre 50 Jahre Anti-Borodajkewycz-Demonstration in Wien 1965. Es gab dazu heuer eine interessante Veranstaltung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Dieser Prof Borodajkewycz war ja damals Professor an der Hochschule für Welthandel, der Vorgängerin der Wirtschaftsuniversität. Borodajkewycz war ein bekennender Antisemit und Alt-Nazi, wenn man so will. (GR Mag Wolfgang Jung: Nein, nein, der war beim CV!) Und niemand anderer als Ferdinand Lacina hat als Student in seinen Vorlesungen mitgeschrieben, hat diese Aufzeichnungen damals Heinz Fischer übergeben, und Heinz Fischer hat das publiziert, ist dafür auch geklagt worden, vor Gericht gekommen, in erster Instanz verurteilt und später freigesprochen worden. 1965 war die große Demonstration gegen diesen Herrn Borodajkewycz, und bei dieser Demonstration ist Ernst Kirchweger - durch einen Schlag eines Pro-Borodajkewycz-Demonstranten – zu Tode gekommen.

 

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch aufmerksam machen auf zwei interessante Ausstellungen an der Universität Wien, die, jedenfalls zum Teil, auch von der Stadt Wien gefördert wurden, nämlich die Ausstellung „Wiener Kreis“, direkt am Ring im Hauptgebäude, und die Ausstellung „Bedrohte Intelligenz“, die jetzt an verschiedenen Standorten der Universität Wien kursiert. Beide sehr interessant! „Bedrohte Intelligenz“ macht darauf aufmerksam, dass sozusagen der Niedergang der Universitäten und namentlich der Universität Wien nicht erst 1938 begonnen hat, sondern 1938 nach dem Anschluss an Nazi-Deutschland seinen traurigen Höhepunkt erlebt hat, dass aber die Universitäten, und speziell hier wiederum die Universität Wien, schon ab den 20er Jahren geprägt waren von einem antisemitischen, antidemokratischen, präfaschistischen Geist, der es unmöglich gemacht hat, den hohen Rang der Wiener Universitäten um die Jahrhundertwende, also in der Monarchie, in den 20er, 30er Jahren aufrechtzuerhalten.

 

„Wiener Kreis“ ist eine spezielle Ausstellung über die Philosophen, Mathematiker, Physiker, die sich in den 20er Jahren an der Universität versammelt hatten und damals Weltruhm genossen; unter anderem Moritz Schlick, der 1936 in der Universität Wien ermordet wurde. - Nebenbei bemerkt: Der Täter wurde entsprechend verurteilt, von den Nazis aber nach dem Anschluss umgehend aus dem Gefängnis entlassen.

 

Übrigens, Herr Stadtrat, „by the way“: Der WWTF hat also ein Büro in der Schlickgasse. Ich habe mich kundig gemacht: Die Schlickgasse ist keineswegs benannt nach Moritz Schlick, sondern nach einem k u k Kavalleriegeneral. Es würde sich hier also die Möglichkeit bieten, ohne jeden finanziellen Aufwand eine Gasse umzubenennen, ohne sie umzubenennen, nämlich: Wir lassen den Schlickplatz unmittelbar vor dieser alten Kaserne dem k u k Kavalleriegeneral und geben Moritz Schlick die Ehre der Schlickgasse. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Zu meiner Tätigkeit. Ich weiß schon, dass die ÖVP routinemäßig den Antrag stellt, das Amt aufzulösen, aber ich freue mich darüber, dass Sie die 200 000 EUR dem WWTF geben würden oder geben wollen.

 

Vielleicht in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung zur Sichtbarkeit, zur Wahrnehmung, zur Bewusstseinsbildung in der Stadt Wien über diesen Schatz, den sie hier hegt. Meinem letzten Bericht habe ich den Titel gegeben: „Wien: Stadt, die Wissen schafft“. Das ist natürlich ein geliehener Titel - wenn Sie so wollen, gestohlen, unter Anführungszeichen -, nämlich von Göttingen. Wenn Sie in Göttingen am Hauptbahnhof ankommen, ist nicht zu übersehen, dass Göttingen für sich Werbung macht als „Stadt, die Wissen schafft“. Göttingen ist stolz darauf! Es ist nicht zu übersehen, was dort passiert. Wenn Sie zum Beispiel in Schwechat ankommen - es ist dasselbe am Hauptbahnhof oder am Westbahnhof -, dann sehen Sie nichts dergleichen. Da ist Werbung für, ich weiß nicht, imperiale Relikte oder für Restaurants und früher für ein großes Bordell - das ist inzwischen verschwunden -, aber jedenfalls nicht für die größte Universitätsstadt des deutschsprachigen Raums, nicht für das Forschungszentrum Österreichs, et cetera. Hier müsste man einmal etwas Geld in die Hand nehmen, weil der Flughafen Wien da rein kommerziell arbeitet. Jeder, der dort ein Plakat aufhängen will, inserieren will, muss halt dafür zahlen. Und wenn das niemand macht, sondern nur der Figlmüller – der, glaube ich, hat dort große Plakate -, na, dann ist es halt der Figlmüller. Ist okay, ja, aber es ist für das Image, für die Reputation der Stadt relativ irrelevant, finde ich.

 

Immerhin, glaube ich, ist es gelungen, zumindest hier im Haus dieses Bewusstsein zu schärfen, was Wien hier hat, mit 10 Prozent der Bevölkerung Studenten/Studentinnen, und so weiter, die ja auch annähernd 2 Milliarden EUR pro Jahr in der Stadt ausgeben; das ist auch nicht zu vernachlässigen.

 

Was mir nicht gelungen ist, ist - wie soll ich sagen - in anderen Dingen eine größere Sichtbarkeit zu erzeugen. Nach wie vor liegt die Wirtschaftsuniversität mit ihren täglich 20 000 oder 25 000 Studenten zwar an zwei U-Bahn-Stationen, aber keine davon heißt „Wirtschaftsuniversität“. Sie wird auch nicht bei der Ansage genannt. (GR Mag Wolfgang Jung: Ich glaub, die Studenten können sich das gerade noch merken!)

 

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