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Gemeinderat, 1. Sitzung vom 24.11.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 51 von 59

 

wir leben in der Gegenwart für die Schlagzeile von morgen, nur das zählt. Arbeiten für die Zukunft bedeutet jedoch, verantwortungsvoller Umgang mit der Gegenwart für künftige Generationen, sprich, eine nachhaltige Politik an den Tag zu legen. Meiner Ansicht nach bedeutet Nachhaltigkeit eine zukunftsorientierte Planung, die heute schon an morgen denkt und künftige Generationen nicht ungerecht belastet. Nachhaltigkeit, meine Damen und Herren, ist bei Weitem keine Maßnahme, die man einfach über irgendwelche Vorhaben stülpt oder eine Überschrift, sie ist eine Einstellung. Entweder man hat sie, dann sollten sämtliche Haltungen, die in der kommenden Periode anstehen, diese Handschrift tragen, oder man hat die Einstellung eben nicht und schmückt sich nur mit einzelnen Konzepten.

 

Meine erste Aufgabe als neugewählte Gemeinderätin war es, das Regierungsprogramm aus zwei Perspektiven zu sehen. Zuerst hat sich die Planerin in mir mit den ausgearbeiteten Handlungsfeldern auseinandergesetzt. Außer Zweifel steht hier, dass gerade die Thematiken Stadtentwicklung, Verkehr und Energie die Lebensqualität der Stadt beeinflussen und somit maßgeblich zur Gestaltung der Zukunft beitragen. Wie Sie, sehr geehrte Damen und Herren von Rot-Grün, scheinbar richtig erkannt haben, stehen wir vor der Herausforderung, dass Wien wächst. Jährlich werden bis zu 20.000 Menschen Wien ihre neue Heimat nennen. Umso wichtiger ist, was die Stadtplanung betrifft, rechtzeitig in die Zukunft zu schauen, über die nächsten fünf Jahre hinaus, und durchdachte Konzepte umzusetzen. Unter durchdacht verstehe ich eine Vorgangsweise, die Themen gesamtheitlich betrachtet. Planen mit dem Keksausstecher darf es nicht mehr geben, sowohl themenübergreifend als auch, wenn man es sich auf der Landkarte anschaut. (Beifall bei der ÖVP und auf der Zusehergalerie.)

 

Besonders geht es mir hier um die Einbeziehung der Bezirke, und da vor allem um die der Außenbezirke. Dazu braucht es nämlich ein ganzheitliches Konzept. Bestes Beispiel, dass es derzeit nicht funktioniert, ist die angewandte Verkehrspolitik. Tatsache ist, die Vernetzung der Bezirke untereinander ist zu wenig vorhanden. Fahren Sie einmal öffentlich vom 17. in den 19. Bezirk. Mit dem Auto brauchen Sie zirka 15 Minuten, öffentlich das Doppelte oder Dreifache. Aber nicht nur die Vernetzung zwischen den Bezirken ist verbesserungswürdig, sie ist auch oft innerhalb der Bezirke nicht gegeben. Möchte man beispielsweise in Liesing von Inzersdorf bis Rodaun fahren, braucht man eine Stunde, teilweise mehr, mit dem Auto 15 Minuten. (Beifall bei der ÖVP und auf der Zusehergalerie.)

 

Überspitzt gesagt, wenn ich aus Liesing öffentlich länger zum Stephansplatz brauche, als der Burgenländer aus Eisenstadt, läuft dezent etwas falsch! (Beifall bei der ÖVP und auf der Zusehergalerie.)

 

Wie soll eine polyzentrische Entwicklung, wie Sie sie im Regierungsprogramm anstreben, stattfinden, wenn man diese neuen Zentren in den Bezirken gar nicht öffentlich erreicht? Solange nicht an attraktiven Möglichkeiten zur Nutzung der Öffis gearbeitet wird, solange, und da muss ich jetzt eine Scheinillusion zerstören, werden die Wienerinnen und Wiener mit dem Auto fahren. Wenn Sie wirklich daran interessiert sind, für die Umwelt und Nachhaltigkeit einen Beitrag zu leisten, müssen die Öffis noch weiter ausgebaut werden. Hier herrscht akuter Handlungsbedarf! (Beifall bei der ÖVP und auf der Zusehergalerie.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl (unterbrechend): Frau Kollegin, bevor Sie weitersprechen, darf ich Sie kurz unterbrechen.

 

Ich verstehe die Damen und Herren auf der Galerie, wenn sie von der Rede der Frau Gemeinderätin sehr begeistert sind, aber ich darf Sie bitten, das mit Nicken zu machen und nicht mitzuklatschen. - Danke schön.

 

Bitte, Frau Gemeinderätin.

 

GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc (fortsetzend): Die Idee der eben angesprochenen Zentren, die sich in den Bezirken bilden sollen, ist an sich nicht schlecht, nur müssen auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, damit sich diese auch entwickeln. Stimmt die Infrastruktur in der Wohn- und Arbeitsumgebung, kann sich Wien zu einer Stadt der kurzen Wege entwickeln.

 

Es ist nicht nur der öffentliche Verkehr entscheidend, sondern auch die Nahversorgung. Wir Wienerinnen und Wiener sehnen uns nach einem flächendeckenden Angebot von regionalen Waren. Österreich ist reich an heimischen Produkten, die man der Bevölkerung nicht vorenthalten darf. Durch die Schaffung von zusätzlichen Marktgebieten wird dieses Angebot verbessert. Nicht nur neue Gebiete, sondern auch vorhandene Flächen können als Standorte dafür verwendet werden. Möglich wären beispielsweise ungenutzte Plätze unter Brückenbögen, die dadurch gleichzeitig aufgewertet werden und zur Attraktivierung beitragen.

 

Es ist auch anzudenken, diese Gebiete mit neuen Konzepten zu bespielen. Neue Ideen in Wien müssen Gelegenheit bekommen, sich zu entwickeln. Aktuelles Beispiel dazu ist die Street-Food-Szene. Sie bietet durch regionale Produkte eine neue zusätzliche Art der Versorgung an. Geben wir kreativen und neuen Trends Chancen, sich zu entwickeln, anstatt sie zu blockieren und ihnen den Weg zu erschweren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Weitere Bausteine, die zur Entwicklung der Zentren notwendig sind, sind Betriebe. Hier ist Konzentration statt Zerstreuung anzustreben. Wir wissen aus Erfahrung, dass Menschen dort einkaufen gehen und ihre Wege erledigen, wo sie viele verschiedene Geschäfte nebeneinander vorfinden. Wien braucht daher eine Strategie, um Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich Geschäftslokale in den gewünschten Gebieten ansiedeln. Diese tragen zu einem Wien der kürzesten Wege bei. Wir kümmern uns dadurch nicht nur um die unmittelbare Versorgung nebenan, sondern wir schaffen gleichzeitig Arbeitsplätze auch in den Außenbezirken. So, und da komme ich wieder auf den Verkehr zurück, löst sich auch das Problem, dass viele Menschen in die Innenstadt pendeln, zu einem kleinen Teil von selbst und die Wienerinnen und Wiener können vielleicht sogar zunehmend auf das Auto auch in den Außenbezirken verzichten. (Beifall bei der ÖVP.)

 

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