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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 19.11.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 108

 

nicht als Problem, sondern als Chance erkennen.

 

Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Sie nehmen sehr oft Anleihen bei Keynes, bei der antizyklischen Budgetpolitik. Jetzt ist mir schon klar, wir durchleben international gerade wirtschaftspolitisch schwierige Zeiten, und wir haben gerade das Thema, dass wir Defizite schreiben in dieser Stadt. Doch wenn ich bei Keynes Anleihe nehme, sehr geehrte Frau Stadträtin, dann müsste „on the long run“, über längere Perioden – und das wissen Sie – eine schwarze Null stehen.

 

Jetzt sind Sie nicht gerade seit gestern im Amt. Wir diskutieren jedes Jahr hier aufs Neue über eine neue Rekordverschuldung, aber diese antizyklische Budgetpolitik, die Sie eigentlich immer strapazieren, das heißt, ausgeglichene Budgets über Zyklenzeiträume, die konnte ich noch nicht entdecken. Jetzt sage ich Ihnen ganz ehrlich, vielleicht sollten Sie nicht nur Keynes für Ihre Anleihe hernehmen, vielleicht schnuppern Sie ein bisschen weiter, vielleicht schlagen Sie auch einmal bei Hayek nach. – Aber alles der Reihe nach.

 

Wenn wir uns den Voranschlag 2013 ansehen, dann reden wir von beeindruckenden Summen, von einer Budgetzahl von 12 Milliarden EUR. Und da ist es mir ganz wichtig, dass wir eines vorab außer Streit stellen: Das ist nicht Geld, das der Stadt Wien, der Finanzstadträtin, dem Gemeinderat gehört, für dieses Geld sind wir nur treuhändisch tätig. Umso mehr sollten wir endlich darauf achten, dass mit den Budgetmitteln dieser Stadt, meine Damen und Herren, endlich auch wirklich sorgsam umgegangen wird.

 

Sie haben davon gesprochen, Frau Stadträtin, dass das Budget in Zahlen gegossene Politik ist. In der Tat! Sowohl was die Einnahmen betrifft – wie setzen sich die Einnahmen zusammen, wie holt sich die Stadt das Geld? –, als auch bei den Ausgaben – wofür verwenden wir das Geld, wie hoch ist die Treffergenauigkeit? –, all das kann, ja, soll Inhalt von politischen Diskussionen sein.

 

Schauen wir uns die Einnahmen an. Ich sage einmal ganz offen, an den Einnahmen kann es nicht liegen. Wir haben im Jahr 2012 die wohl größte Gebührenlawine seit Menschengedenken in dieser Stadt losgetreten. Wasser, U-Bahn-Steuer, Parkgebühren, Abwasser, Hundesteuer und so weiter und so weiter. Es gab auch einen warmen Geldregen für diese Stadt durch ein anderes Thema, das wir schon so oft diskutieren durften: die Parkraumbewirtschaftung. Wenn man sich den Budgetentwurf 2013 ansieht, werden durch den Verkauf des Pickerls, den Verkauf von Parkscheinen und die erhöhten Einnahmen durch Strafen rund 130 Millionen EUR ins Budget gespült. Und letztendlich ist auch durch die Steuereinnahmen des Bundes via Finanzausgleich neues zusätzliches Geld für Wien zu lukrieren gewesen. Ein Kurzresümee: An den mangelnden Neueinnahmen, meine Damen und Herren, kann das neue Defizit wohl nicht liegen.

 

Und da stellt sich noch eine weitere Frage. Rot-Grün nimmt für sich immer so gerne in Anspruch, soziale Politik zu machen. Meine Damen und Herren, war diese Gebührenlawine sozial? Ist die Verteuerung von Wasser eine soziale Maßnahme oder trifft sie alle im wahrsten Sinne des Wortes mit der Gießkanne? Ist die Erhöhung von Parkgebühren etwas Soziales? Ist die Erhöhung gerade der Hundesteuer für ältere Menschen, die mit der Haltung eines Hundes vor allem auch die Einsamkeit bekämpfen, eine soziale Maßnahme gewesen? Also ich bin etwas überrascht, dass sich Rot-Grün noch immer das Deckmäntelchen des sozialen Agierens auf die Fahnen schreibt. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Erlauben Sie mir nur einen kleinen Exkurs, den man sich an dieser Stelle ja auch immer von Rot und Grün anhören kann, vielleicht schon im Vorbauen eines großen Wahlkampfschlagers: Wir brauchen mehr Umverteilung! Wir brauchen mehr Vermögenssteuern, mehr Reichensteuern – „eat the rich“, wie es schön heißt –, weil angeblich die große Ungleichgewichtung, die große Ungleichheit und die große Ungerechtigkeit in der Einkommensverteilung da ist. Es gibt einen international anerkannten Maßstab für eben diese Gerechtigkeit, für diese Gleichheit oder Ungleichheit in der Einkommensverteilung: den Gini-Koeffizienten, eine Zahl zwischen 0 und 100. Null bedeutet ganz schlicht und einfach, jeder hätte das gleiche Einkommen, 100, der Gegenpol, würde bedeuten, einer bekommt alles. Wenn man sich die Liste der Nationen nach diesem Gini-Koeffizienten so ansieht, dann fällt auf: Ganz vorne sind minderentwickelte Staaten Afrikas oder Südamerikas. Vielleicht ganz interessant für die politische Linke in diesem Haus: Gerade in Venezuela unter Hugo Chavez ist der Gini-Koeffizient ganz hoch. Dort wird ganz wenig Wert auf Verteilungsgerechtigkeit gelegt. Dann kommen Länder wie die USA, Großbritannien mit einem Koeffizienten von 33, Italien 31, Schweiz 33, Frankreich 32, Deutschland 29, und ganz am Schluss dieser Liste kommt Österreich mit 26,1 Punkten. In der EU sind nur noch Finnland, Holland und Schweden knapp besser, was die Einkommensverteilungsgerechtigkeit anbelangt, als wir. Und trotzdem gibt es dieses Wehklagen um ungerechte Verteilung als Wahlkampfschmäh von Rot-Grün. Das nur der Vollständigkeit halber.

 

Denn eines muss bei dem Entwurf 2013 auch ganz klar gesagt werden, meine Damen und Herren: Der Versuch, das Budget einnahmenseitig zu sanieren, ist in Wien eindrucksvoll gescheitert. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Kommen wir zu den Ausgaben. Hier wäre Sparsamkeit das Gebot der Stunde, und ich freue mich über jedes Nachdenken über Sparsamkeit, aber, Frau Vizebürgermeisterin, wenn Sie uns gerade drei Beispiele nennen, nämlich die Zentralisierung bei Wiener Wohnen, die Zentralisierung des Bürgerservices, das Verlegen von Mistplätzen der Magistratsabteilung 48 und kleine Einschnitte beim WAFF, dann ist das zwar ein guter Anfang – ich habe nichts gegen diese konkreten Maßnahmen –, aber wenn das alles ist, was uns bei einer Budgetsumme von 12 Milliarden bei 70 000 Mitarbeitern in dieser Stadt einfällt, dann, muss ich sagen, mangelt es ein bisschen an Kreativität. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Aber gerade Sparsamkeit, und zwar vernünftiges Sparen, nicht Qualitätsminderung für die Menschen dieser Stadt, sowie Effizienzsteigerung wären notwendig, um das Budget nicht weiter explodieren zu lassen. Aber in Wien feiern die Geldverbrennungsfestspiele auch und

 

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