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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 125

 

hymnische Darstellung, meine Damen und Herren! Genau dieses extreme über den grünen Klee Loben, diese Hymne, die auf die positiven Seiten gesungen wird, halten wir doch für etwas übertrieben, vor allem, wenn man dann die nackten Fakten und Zahlen anschaut.

 

Thema Aktiva: Ja natürlich, Wien ist Gott sei Dank eine relativ vermögende Stadt, das können wir auch aus dem Buch herauslesen. Allerdings haben sich die Passiva, die Schulden, binnen weniger Jahre verdreifacht, während die Aktiva leider nicht in diesem Ausmaß gestiegen sind. Und bei jeder vernünftig wirtschaftenden Familie und bei jedem vernünftig wirtschaftenden Betrieb würden, wenn sich in einem kleinen Zeitraum die Schulden, Fremdmittel oder wie auch immer wir es letzten Endes nennen, verdreifachen, die Alarmglocken anschlagen, und wenn nicht beim Controlling im Betrieb selbst, dann 100-prozentig bei der finanzierenden Bank. – Da muss man die Kirche im Dorf lassen, darüber kann man nicht einfach hinweggehen und zur Tagesordnung übergehen.

 

Zu Frau StRin Brauner: Wir haben die Auslöser der Krise auch schon mehrfach diskutiert. Wenn wir das wirklich historisch wirtschaftlich diskutieren wollen, dann muss man feststellen: Auslöser der Krise war nicht der Finanzmarkt, sondern das geht ein bisschen weiter zurück. In Wirklichkeit war es die Politik unter Bill Clinton in Amerika, speziell der Wunsch nach vermehrtem Eigentum in Form von Wohnungen oder Häusern für die Amerikanerinnen und Amerikaner. Damit verbunden war die Zurverfügungstellung von billigem Geld durch die Federal Reserve Bank, um diese Wünsche zu ermöglichen. Damit wurden die Schleusen bei den Banken geöffnet.

 

Am Anfang standen also politischer Wille und ein Consumer-Wunsch, und durch die Überfinanzierung und die Produkte, die daraus entstanden sind, die Asset Backed Securities, die gebündelt wurden, entstand die Finanzkrise. Es waren jedoch nicht die Finanzinstitute und die Banken allein. Ich bin der Letzte, der diese verteidigt, ich meine sehr wohl, dass man hinsichtlich der Derivativseite bereits jetzt schon viel mehr tun können hätte. Aber es ist eine historisch nicht korrekte Darstellung, wenn man sagt, dass es nur die Finanzmärkte waren. Das trifft nicht zu. In erster Linie war es die Krise des amerikanischen Häusermarktes, die natürlich, wie gesagt, durch derivative Produkte verstärkt wurde, nämlich durch faule und schlechten Kredite, die gebündelt wurden. Und dann haben europäische Sparkassen auf einmal derartige Produkte gekauft, ohne eigentlich zu wissen, was sie eingekauft haben. Das waren dann die Überfinanzierungen, die zu 80, 100 beziehungsweise 120 Prozent über das Normalmaß hinausgingen, und diese wurden zu Produkten gebündelt und verkauft. Dort lag das Problem. – Das war jetzt nur ein kurzer historischer Ausritt.

 

Zur Frage, ob man jetzt in Europa sparen oder investieren soll. – In Wirklichkeit ist wahrscheinlich der goldene Mittelweg richtig. Nur Sparen allein mag vielleicht auch kritisch beurteilt werden. Gerade die spanischen Nobelpreisträger, Stiglitz oder natürlich auch Roubini, der sich immer äußert, sehen das, wohl verstanden, wie uns allen klar ist, durch eine amerikanische Brille. Da mögen auch noch andere Gründe dahinter sein, wie auch immer.

 

Investieren: Ja. Die Frage ist nur, in welchem Ausmaß und was das den betroffenen Ländern hilft: Was hilft das Griechenland und der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands? – Dort liegt ja der Hase im Pfeffer, dass nämlich Teile dieser südosteuropäischen Länder nicht wettbewerbsfähig sind. Was hilft es denen, wenn man ihnen eben noch, wie heute schon dargestellt, eine Autobahn, einen Flughafen, einen Jachthafen oder sonst etwas baut? Hilft das dem dortigen Mittelstand in seiner Wettbewerbsfähigkeit? Kaufen deshalb dann letzten Endes auch Chinesen griechische Produkte? Das ist das große Problem!

 

Sie finden in mir sofort einen großen Freund des Themas Investieren. Aber dann müssen wir uns auch darüber einigen, wo. Wenn wir einen Weg finden, wie wir den europäischen Mittelstand – Klein- und Mittelbetriebe – und nicht nur Großprojekte, die niemand braucht oder nur wenige brauchen, unterstützen, dann hätten wir vielleicht schneller einen Konsens gefunden, als wir gedacht hätten.

 

Jetzt komme ich noch zu ein paar Punkten des Rechnungsabschlusses. Es wurde heute in der Generaldebatte schon sehr viel gesagt, und ich möchte wieder einmal auch bei den Einsparungen mit gutem Beispiel voran gehen und nicht meine ganze Redezeit verbrauchen. Dennoch möchte ich ein paar Punkte noch einmal zusammenfassen.

 

Ein Symptom beziehungsweise ein Bild der Wirtschaftspolitik dieser Wiener Stadtregierung habe ich vor Kurzem erlebt: Stellen Sie sich vor, meine Damen und Herren, dass in einer wichtigen europäischen Stadt ein ganz wichtiges Instrument, nämlich das Wirtschaftsinstrument dieser Stadt, 30-jähriges Jubiläum hat und das Stadtoberhaupt dieser wichtigen Stadt nicht einmal hingeht! – Jetzt könnte man sagen: Welche Gründe auch immer dafür maßgeblichen waren, dass er an diesem Abend Wichtigeres zu tun hatte. Aber können Sie sich vorstellen, dass es das in Europa, in einer europäischen Hauptstadt, gibt? – Normalerweise würde man sagen, das gibt es nicht, das geht nicht! Aber Wien ist anders: Das 30-Jahre-Jubliäum der Wirtschaftsagentur Wien war dem Herrn Bürgermeister nicht wichtig genug, dort selbst zu erscheinen.

 

Das ist ein gutes Sinnbild für die Wirtschaftspolitik dieser Stadtregierung und der SPÖ-Wien! Nach 15 Jahren Häupl gibt es um 32 Prozent Arbeitslose mehr als zu seinem Amtsantritt und um ungefähr 1,5 Prozent weniger Jobs. Der Herr Bürgermeister und die Wiener SPÖ haben sich schlicht und einfach aus der Wirtschafspolitik abgemeldet. Das Einzige, was sie noch machen können, ist Schuldenpolitik.

 

Das Grundproblem Nummer 1 ist der Schuldenstand, das habe ich vorher schon gesagt, und das muss ein Alarmzeichen für uns alle sein. Wir können noch so oft Pro-Kopf-Vergleiche anstellen, Bundesländer hinauf und

 

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