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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 76 von 90

 

Das war ja der Punkt, Rüdiger! Man muss eine gültige Flächenwidmung haben. So funktioniert die Stadt. Und dann kann man nicht nachher sagen, wir haben es uns ein bisschen anders überlegt! Wenn der Bauwerber und der Liegenschaftseigentümer entlang der Flächenwidmung ein Projekt vorlegen, kann der Bauverhandler zu bauen anfangen. Und dann kann man nicht einfach gescheiter werden, denn es gibt eine gewisse Rechtsgrundlage. – Das wollte ich nur ganz nüchtern angemerkt haben.

 

Ich möchte jetzt noch auf das Weltkulturerbe eingehen. Frau Kickert hat gesagt, dass es jetzt einen umfangreichen, sehr engagierten Bürgerbeteiligungsprozess gibt. Und wir werden sehen, was an Gemeinsamem am Schluss herauskommt! Das ist ergebnisoffen. Es besteht eine Reihe von Vorurteilen auf beiden Seiten, es werden Missverständnisse ausgeräumt werden, und ich bin guten Mutes, dass es zu etwas kommen wird. Darauf will ich jetzt gar nicht eingehen, sondern ich will nur einen einzigen Punkt hervorheben, nämlich das Weltkulturerbe.

 

Ich habe mir daher jetzt noch schnell herausgesucht, was Weltkulturerbe heißt und was der Grund dafür ist, dass Wien das Weltkulturerbe bekommen hat, und dann möchte ich auch einen Schluss auf Steinhof ziehen. Ich glaube, dass wenige Leute wissen, warum die Innere Stadt das Weltkulturerbe bekommen hat. Ich habe hier die ICOMOS-Empfehlung zur Aufnahme des historischen Zentrums Wiens in das Weltkulturerbe im Jahr 2001. Ich lese nur zwei Sätze vor, und ich lese diese auf Englisch vor, weil das in Englisch verfasst ist. Ich kann das zur Not aber auch kurz übersetzen. Es wird hier langmächtig die Geschichte erklärt, und sinngemäß zusammengefasst heißt es, dass Wien das Weltkulturerbe bekommen hat – ich lese dann den entscheidenden Satz vor –, weil über Jahrhunderte die gesamte europäische Geschichte durch immer wieder neues Hinzufügen einen ganz eigenen, ausgeprägten Charakter erhalten hat. – Ich zitiere: „The historic town is conceived not as a museum, but rather as a living and vibrant city.“

 

Was will ich damit jetzt zumindest jenen, die einer seriösen Diskussion folgen wollen, sagen? – Weltkulturerbe heißt nicht, dass etwas eingefroren wird und niemals mehr etwas Neues in der Inneren Stadt geschehen darf. Wie wir alle wissen, gibt es manchmal sehr gute, manchmal auch weniger gute Projekte der Weiterentwicklung. Auch der Weltkulturerbebericht spricht vom Übereinanderliegen verschiedener Zeiten, und ich füge jetzt hinzu: Das gilt auch in Bezug auf das Otto-Wagner-Areal. Selbst wenn wir dort das Weltkulturerbe bekämen – was eine eigene Diskussion ist -, würde das nicht bedeuten, dass man dort nichts mehr tun kann. Das ist eine veraltete, sehr strukturkonservative Sicht! Hätten wir uns vor 100 Jahren so verhalten, dann gäbe es eine Reihe von Projekten in Wien nicht!

 

Im Übrigen: Wenn man in der Geschichte ein bisschen nachschaut, dann kann man feststellen, dass es eine Reihe von Projekten deswegen nicht gibt, weil sie von Bürgerbewegungen am Schluss verhindert wurden. Ich erinnere mich an die wilde Auseinandersetzung über das Looshaus auf dem Michaeler Platz: Bis hin zum Kaiser haben alle gesagt: Wie schaut denn das aus!?

 

Weiters erinnere ich mich an das Wien Museum, das von Otto Wagner geplant wurde. Gegen dieses gab es eine vehemente Bürgerbewegung. Es wurde dann daneben ein Modell hingestellt. Davon gibt es Fotos, auf diesen sieht man hinten den leeren Baugrund und vorne ein Modell von Otto Wagner. Viele haben gesagt, dass es schiach ist, und daher ist es nicht gebaut worden.

 

Hätten wir über alles ausschließlich Volksbefragungen gemacht und sonst nichts, dann frage ich mich, was wirklich geschehen wäre! Das nehme ich durchaus kritisch auch auf unsere Kappe. So ist zum Beispiel das große Grünareal der Glacis – das nicht aus ökologischen, sondern aus militärischen Gründen als Sicherheitszonen entstanden ist, weil es damals noch keine scharfen Militärmöglichkeiten gab – mit Monsterbauten verbaut und quasi zubetoniert worden: Das ist die Ringstraße.

 

Ganz ursprünglich war das Otto-Wagner-Areal ein großes Grünareal, in welches Otto Wagner – verzeihen Sie diesen Haufen an Polemik! – einen Monsterbau errichtet hat, nämlich das Otto-Wagner-Spital, auf das wir unglaublich stolz sind und das niemand, weder der Bürgermeister noch wir, in irgendeiner Weise zu ruinieren gedenken.

 

Aber wenn man sagt, dass es in diesem Gebiet mit der Stadtentwicklung aus sein wird, und zwar mit der Begründung, dass das Areal zum Weltkulturerbe werden soll, dann ist das einfach falsch! Das, was an Wien und an jeder europäischen Stadt klass’ ist – das sage ich zu später Stunde am Freitag –, ist das Übereinanderliegen und Weiterentwickeln des Städtischen und Urbanen und nicht das Einfrieren!

 

Sehr polemisch wird es dann, wenn immer wieder von den Steinhof-Gründen geredet wird. Wir hier wissen alle – hoffentlich! –, was die Steinhof-Gründe sind. Es ist dies ein großes Grünareal im Norden des Otto-Wagner-Spitals, und es ist niemals daran gedacht worden, dort sozusagen auch nur einen Grashalm anzurühren. Das hat die Bürgerbewegung vor 30 Jahren verhindert. Bei der jetzigen Diskussion geht es um das Areal an der östlichen Seite. Wir haben uns das angeschaut: Dort gibt es zum Beispiel ein leerstehendes Gebäude, das sich hervorragend als Schule eignen würde. Dort sind in den 40er Jahren Gebäude entstanden, die jetzt dort stehen und mit Otto Wagner so viel zu tun haben wie ich mit dem Kaiser von China. Diese Gebäude wurden irgendwann errichtet, und jetzt geht es um die Frage – das ist Teil der jetzigen Diskussion – ob dort, wo sich jetzt Gebäude aus den 40er Jahren befinden, die in keiner Weise schützenswert sind, vielleicht maßvoll etwas anderes entstehen kann. Das wird jetzt diskutiert.

 

Von wegen Gesiba und Nahbereich der Stadt: Es besteht jetzt nicht der Druck, die volle rechtliche Widmung auszunutzen. Aber ich frage das Haus jetzt einmal ganz prinzipiell: Warum ist es völlig außer Diskussion, dass dort am Rande auch Wohnungen sein sollen? Es gibt auf diesem Areal, das wir eben angeschaut haben, ein denkmalgeschütztes Otto-Wagner-Ensemble. Wir alle wissen, dass das nicht von Otto Wagner gebaut wurde,

 

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