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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 28.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 81 von 113

 

bauen, ständig sagen, du gehörst ja nicht zu uns – das ist Ihre Einstellung zu diesen Menschen. Die gehören nicht zu uns, die sind artfremd, die haben mit unserer Kultur nichts zu tun und so weiter und so fort.

 

Na, wie wollen Sie denn die Leute integrieren? Die Antwort auf diese Frage sind Sie uns schuldig geblieben, wie bei anderen Fragen auch. Ständig Luftblasen, ständig Seifenblasen, ständig Dampfplauderei, aber keine konkreten Schritte.

 

Hier, meine Damen und Herren, denke ich mir, dass das rot-grüne Projekt Signale in die Gesellschaft hineinsetzt, indem wir sagen, ja, selbstverständlich, wir leben in einer komplizierten Gesellschaft, in einer kosmopolitischen Gesellschaft. Die Kosmopolitik ist nicht nur durch den EU-Beitritt Österreichs gegeben, sie ist nicht nur durch die Zuwanderung gegeben, sondern sie ist auch durch die technologische Entwicklung auf der Welt gegeben. Die Jugend von heute bezieht derzeit so viele kulturelle Strömungen, egal, ob aus dem Orient oder aus Amerika oder sonstigen Teilen der Welt. Das heißt, wir haben eine kosmopolitische Jugend, die Eindimensionalität ablehnt und Vielfältigkeit zu ihrer Eigenheit gemacht hat.

 

Dieses rot-grüne Projekt versteht natürlich auch, dass ein Teil der Bevölkerung verwirrt ist. Ich glaube, dass viele von Ihnen auch verwirrt sind (Zwischenrufe bei der FPÖ.) und diese Entwicklung nicht verstehen, diese Entwicklung nicht wahrnehmen können und nicht wahrnehmen wollen, weil es eine komplizierte Materie ist. (GR Mag Wolfgang Jung: Das glauben Sie aber selber nicht, was Sie da daherfaseln!) Die Herausforderung für die Politik ist es auch, sich mit dieser Kompliziertheit der Dinge auseinanderzusetzen, damit wir langfristige Lösungen vorschlagen können und damit wir an langfristigen Lösungen arbeiten können.

 

Deshalb sagen wir, wir werden mit dem Charta-Prozess, mit der Wiener Charta des Zusammenlebens, versuchen, mit allen Menschen in Wien in Kontakt zu treten. Ich bin selber sehr daran interessiert, denn auch ich habe das schon des Öfteren gehört und bin beschimpft worden (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) – das glauben Sie oder nicht –, ich bin auf der Straße beschimpft worden auf Grund meines Aussehens oder wegen sonstiger Dinge. Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass wir miteinander kommunizieren müssen. Wir werden daher die Kommunikation mit der Wiener Bevölkerung suchen, wir werden die Kommunikation auch mit den verunsicherten 25 Prozent suchen. Wir lassen nicht locker, und wir geben nicht so schnell auf, weil wir wissen, dass wir durch Argumentationen und im Gespräch zueinander finden werden. Das ist Rot-Grün und nicht Blau-Schwarz, meine Damen und Herren. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Wir werden jenen Menschen Mut zusprechen und jene Menschen unterstützen, die sich in dieser interkulturellen Welt auskennen wollen, die sich in dieser interkulturellen Welt, in der wir uns jetzt befinden, Eigenschaften, Kompetenzen aneignen wollen, die auch auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden können und brauchbar sind.

 

Wir haben derzeit auf dem Arbeitsmarkt eine Entwicklung, wo ein Sektor entstanden ist, wo Mehrsprachigkeit gefragt ist, wo das Verständnis für Kulturen gefragt ist und wo sich die Kompetenz, sich mit diesen Kulturen auszukennen, bezahlt macht.

 

Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel aus meinem Alltag. In meiner Arbeit als mobiler Jugendarbeiter hat sich eine Szene im Bacherpark entwickelt, das waren neue tschetschenische Flüchtlinge, junge Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind. Viele waren anerkannte Flüchtlinge, und wir sind vor der Frage gestanden: Wie können wir mit diesen Jugendlichen Kontakt aufnehmen? Sie sind ja schließlich in Wien und sie sind anerkannte Flüchtlinge in diesem Land, also haben wir die Aufgabe, mit diesen Leuten in Kontakt zu treten. Ich kann nicht Russisch, ich kann nicht Tschetschenisch, ich kenne auch die Gepflogenheiten einer tschetschenischen Kultur nicht. Was war die Herausforderung? Die Herausforderung war: Herr Akkilic, in dieser Arbeit musst du deine Kompetenzen erweitern. Also streng dich an! Eigne dir Wissen über Tschetschenien an, eigne dir Wissen über deren Gepflogenheiten, über deren Kultur an.

 

Was hat mir das geholfen? Das hat erstens meine Sichtweise erweitert, zweitens habe ich durch meinen Einblick in diesen Raum mit diesen Jugendlichen Kontakt aufnehmen können. Das ist der neue Bereich, das ist der Bereich, wo ich sage, hier zahlt es sich aus zu lernen, hier zahlt es sich aus, einen Einblick in die unterschiedlichsten Kulturen, die es in Wien gibt, zu gewinnen. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Herr Akkilic! Sie erzählen das mir von den Tschetschenen?)

 

Ich möchte niemanden belehren, aber ich denke, Lebenserfahrungen sind wichtig. Ich würde gerne aus Ihren Lebenserfahrungen lernen wollen, Herr Gudenus, was Sie bis jetzt mit MigrantInnen erlebt haben. Sie können herkommen und das erzählen. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Dann lassen Sie sich von mir belehren!) Ja, ich finde nichts Schlechtes daran. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Sie haben keine Ahnung!) Ich will ja auch mit Ihnen kommunizieren, ich will ja mit Ihnen Argumente austauschen. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Sie wollen gar nicht mir über die Tschetschenen reden!) Wieso sind wir in diesem Haus? Damit wir Argumente austauschen können, damit wir niveauvoll miteinander reden können. (Neuerlicher Zwischenruf von GR Mag Johann Gudenus, MAIS.) Null-Komma-null Untergriffe von mir. Also bleiben wir sachlich und bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen.

 

Hier denke ich, ist es auch sehr wichtig, dass wir in der öffentlichen Struktur, in der Verwaltung einige Änderungen anstreben sollten. Wir müssen schauen, wie schaut es in unseren Spitälern aus, wir müssen schauen, wie schaut es in unseren Schulen aus, wir müssen schauen, wie schaut es in sämtlichen Magistratsabteilungen aus. Es ist, glaube ich, sehr wichtig, dass wir Menschen mit interkulturellen Kompetenzen auch in der Verwaltung heranziehen können, damit sie auch das Spiegelbild der Gesellschaft sein können. Wir haben derzeit eine demographische Struktur, wo 44 Prozent der Menschen Migrationshintergrund haben, wir haben aber

 

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