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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 28.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 59 von 113

 

Ähnlich ist die Kritik der ÖVP bei den Symphonikern. Man kann zu Direktor Matt einiges sagen. Faktum ist aber, dass das Kontrollamt in Bewegung gesetzt wurde, und wir warten jetzt einmal ab, was der Kontrollamtsbericht bringt. Das Kontrollamt hat immer wieder auch kritische Töne gefunden und kritische Aussagen getroffen, und das wird auch von der Mehrheitspartei beziehungsweise der Koalition in Wien respektiert.

 

Dazu, dass die Kunst- und Kulturberichte kurz vor der Rechnungsabschlussdebatte erscheinen: Na, ich möchte Sie hier erleben bei der nächsten Sitzung, wenn der Kunst- und Kulturbericht nach der Rechnungsdebatte erscheint! Gewiss erscheint er vor der Rechnungsabschlussdebatte! Er erscheint vielleicht knapp vorher, das mag ein Punkt sein, den Sie kritisieren. Ich betone aber, dass das ein anständiges Kompendium ist, und dieser Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsbericht kann natürlich nicht im Vorjahr erstellt werden, sondern erst dann, wenn das Vorjahr vorbei ist. Und dann braucht es schon einige Monate, damit ein dermaßen anständiges Kompendium, das auch reich illustriert ist, um es noch leserlicher zu machen, fehlerfrei gedruckt und vorgelegt wird. Und es ist hier und steht zur Verfügung.

 

Man kann auf diese Punkte aber auch im Gemeinderatsausschuss eingehen, man muss das ja nicht genau heute hier machen! Kulturpolitik wird in jeder Gemeinderatssitzung und in jeder Gemeinderatsausschusssitzung diskutiert.

 

Ich habe es als spannend empfunden, dass Kollege Ebinger sich sehr stark mit Kulturvermittlung auseinandergesetzt hat. Das ist eigentlich auch heute mein Wunschthema hier, nämlich sich den Zugang zur Kulturpolitik und zur Kulturarbeit in Wien aus der Sicht der Vermittlung der Begeisterung und des Gewinnens neuer Menschen für die Kultur anzuschauen.

 

Demokratie erschöpft sich nicht im allgemeinen und gleichen Wahlrecht. Demokratie erschöpft sich nicht in der Teilnahme an Wahlen. Vielmehr ist Demokratie die Möglichkeit zur umfassenden Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, und dabei ist Kultur ein ganz ein zentraler Punkt: Es muss kulturelles Leben und Kunst für all geben, diesfalls für alle Menschen in Wien. Das ist eine Utopie und gleichzeitig ein kulturpolitisches Ziel.

 

Manche sprechen davon, dass das ein Bürgerrecht sei. Andere bezeichnen Kunst und Kultur als Grundnahrungsmittel. Damit stellt sich aber die Frage nach der Zugänglichkeit der Kultur und der Offenheit kultureller Einrichtungen und auch die einfache Frage nach der Finanzierbarkeit von Eintrittskarten für manche Menschen in dieser Stadt.

 

Wie viel Kulturleben findet im öffentlichen Bereich statt? Welche Barrieren zum Zugang zur Kultur gibt es in Wien? Diese Fragen möchte ich am Beginn hier einmal stellen und mich damit auseinandersetzen.

 

Meiner Meinung nach können daher Kultur und Kulturpolitik in der Stadt nicht bloß am technischen Funktionieren von Kultureinrichtungen gemessen werden. Das wäre zu mechanisch. Kulturpolitik soll aber auch nicht ausschließlich nach dem kreativen Ergebnis künstlerischer Schöpfung beurteilt werden. Ich möchte daher fragen: Wie viele Wienerinnen und Wiener erreichen wir mit dem Kulturangebot in dieser Stadt? Und welche Wienerinnen und Wiener erreichen wir noch nicht? Was kann die Stadtpolitik tun, um noch mehr Menschen zur Teilnahme an kulturellem Leben zu gewinnen, und warum ist das ganz einfach wichtig für eine moderne demokratische Gesellschaft?

 

Ganz offensichtlich gibt es diese Barrieren zum Zugang und zur Teilhabe am Kulturleben und zum Genießen der Kunst. Dabei geht es ganz einfach um Vorbereitung und Bildung zum Verstehen nicht nur der zeitgenössischen Kunst. Dabei geht es darum, Interesse zu wecken und Lust zu schaffen, zu einer Kulturveranstaltung zu gehen. Es soll Lust auf die Auseinandersetzung mit Formen und Inhalten gerade natürlich auch zeitgenössischer Kunst geschaffen werden. Dabei geht es aber auch um die materielle Seite. Wie schon gesagt: Was kostet eine Eintrittskarte?

 

Wenn wir also einen Wiener Kulturhaushalt 2010 in der Höhe von über 246 Millionen EUR diskutieren und dann beschließen, dann ist es legitim, diese kulturpolitischen Fragen zu stellen. Ich möchte die Wiener Kulturpolitik daran messen, wie erreichbar sie das Kulturleben für den durchschnittlichen Steuerzahler macht. Es ist allerdings auch wichtig, wie erreichbar das Kulturleben für Menschen ist, die auf Grund ihres geringen Einkommens wenig oder gar keine Steuern zahlen, wie erreichbar es für sozial schwache, sozial benachteiligte Wienerinnen und Wiener ist.

 

Unmittelbar erlebbar sind Kunst und Kultur im öffentlichen Raum, auf den Straßen und Plätzen oder in den U-Bahn-Stationen. Das hat in Wien eine lange Tradition. Die Kunst im öffentlichen Raum ist breit angelegt, und das geht in Ansätzen auf das 19. Jahrhundert oder sogar noch weiter zurück. Diesfalls ist die Kunst völlig öffentlich und für alle erlebbar.

 

Auch da sehe ich diesen angeblichen Stillstand, den die Opposition herbeisingen will, überhaupt nicht! Kunst im öffentlichen Raum ist ein absoluter Aktivposten der Kulturpolitik in dieser Stadt. Besonders stark frequentiert wird natürlich der öffentliche Raum im Bereich des öffentlichen Verkehrs. Die Wiener Linien haben die stolze Bilanz von 2,9 Millionen Fahrgästen pro Tag, im Jahr 2010 waren das insgesamt 836 Millionen. Und die Stadt und die Wiener Linien kooperieren in dieser Hinsicht auch sehr prächtig. Viele U-Bahn-Stationen sind von Wiener und teilweise auch von internationalen Künstlern sehr interessant und auch aktuell ausgestaltet, und das findet ganz einfach guten Anklang!

 

Die Kunst im öffentlichen Raum ist die wohl niederschwelligste Form, um die Begegnung von Menschen und dem Kunstschaffen zu ermöglichen. Die Niederschwelligkeit des Kulturschaffens oder des Erlebens des Kulturschaffens ist wohl der magische Begriff im Zusammenhang mit der Erreichung einer höheren Teilnahme von Menschen am Wiener Kulturleben. Die Frage ist: Was kann die Stadt jetzt tun, damit weitere Menschen an Kunst und Kultur herangeführt werden, um neue Zielgruppen zu gewinnen, die bisher wenig Interesse gezeigt haben?

 

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