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Gemeinderat, 14. Sitzung vom 20.11.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 108

 

Begriff sehr viel Verwirrung gibt: Ich spreche hier nicht von einem arbeitslosen Grundeinkommen - das ist etwas total anderes -, ich spreche von einer bedarfsorientierten Grundsicherung. Ich spreche davon, die Sozialhilfe schrittweise in eine Grundsicherung umzuwandeln, was bedeuten würde, dass erstens einmal die Höhe angehoben wird, und zwar auf ein Niveau von derzeit 800 EUR monatlich - inzwischen wären es sogar ein bisschen über 800 EUR -, die den Menschen, die auf soziale Leistungen angewiesen sind, ermöglichen würden, ein Leben in Würde, eine würdige Existenz in dieser Stadt zu haben. Ich spreche davon, dass es die Möglichkeit geben müsste, nicht zurückzahlen zu müssen. Ich spreche davon, dass man einen Rechtsanspruch schaffen müsste. Ich spreche davon, dass es hier, wie gesagt, eine Vielzahl von Schritten geben könnte, wo wir unseren Beitrag leisten könnten, wo wir hinterher sagen könnten: Wir sind stolz auf uns! Wir haben eine Pionierleistung für Österreich erbracht! Wir zeigen, wie es auch bundesweit gehen könnte!

 

Nichts dergleichen! Und somit gilt auch für diesen Bereich: Wunderhübsch, wie wir den immer besprechen können, jedes Jahr, jahrein, jahraus, sowohl während der Budgetdebatte als auch beim Rechnungsabschluss - getan aber wird nichts! Getan wird nichts, Herr Stadtrat! Getan wird nichts, meine Damen und Herren - außer immer wieder einmal die Sozialhilfe ein bisschen anzuheben, aber immer noch unter der Grenze dieser 800 EUR zu lassen. Das heißt, für Menschen weiterhin - wenn Sie so möchten - die Armut zu verlängern, und das noch dazu per Bescheid.

 

Und weil wir schon beim Kapitel „Soziale Innovation" sind, möchte ich noch zwei, drei Bereiche ansprechen, die mir innerhalb dieses Kapitels besonders wichtig sind. Es handelt sich zum einen um etwas, was Sie selbst angesprochen haben, nämlich um das Phänomen der Working Poor: die Tatsache, dass wir es immer mehr mit geringfügigen Beschäftigungen zu tun haben, mit prekären Arbeitsverhältnissen, die ja bedeuten, dass Menschen arbeiten, dass sie manchmal sogar Vollzeit arbeiten - man wird es nicht glauben, aber es ist so -, aber davon nicht leben können. In den meisten Fällen sind es aber, wie gesagt, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, und von diesen Verhältnissen sind hauptsächlich Frauen betroffen. Auch hier wissen wir, dass gerade die Zahl der Frauen, die von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, in den letzten Jahren massiv gestiegen ist. Hier fehlen uns nach wie vor präzisere Daten, denn Daten werden durchaus für ganz Österreich erhoben, aber für das Bundesland Wien wie auch für eine Reihe anderer Bundesländer sind die Stichproben viel zu gering, sodass wir, genau genommen, die arbeitszeitbereinigte Einkommensstruktur von Frauen nicht kennen.

 

Deshalb haben wir einen Antrag vorbereitet, den ich an dieser Stelle einbringen möchte, in dem wir Sie ersuchen, Herr Stadtrat, in Zusammenarbeit mit oder unter Einbindung der Wirtschaftskammer und auch des Statistikamtes hier die Initiative zu ergreifen und zumindest einmal eine ausreichende Datenbasis zu schaffen, sodass wir ganz genau wissen, wovon wir sprechen. Denn ich gehe davon aus, dass wir dann, wenn wir ziemlich genau wissen, wie die Einkommenssituation und vor allem wie die Arbeitszeitstruktur von Frauen aussieht, imstande sein werden, vielleicht auch Maßnahmen zu ergreifen, die gezielter auf sie ausgerichtet sind. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Eine weitere Gruppe von Menschen, die hier betroffen sind und wo auch das Stichwort „Soziale Innovation" eine besondere Bedeutung bekommt, ist die wachsende Gruppe der Ein-Personen-Unternehmen. Sie haben gesprochen von den Creative Industries, einer Branche, die wirklich ein beachtliches Wachstum verzeichnet und wo ich es auch gut finde, dass die Stadt Wien in diesen Bereich investiert und auch mit „departure" und ähnlichen Förderungsoffensiven einen sehr guten Weg geht. Aber diese Gruppe der Mikrobetriebe und auch insbesondere der Ein-Personen-Unternehmen ist auch mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten konfrontiert. Zwei möchte ich herausgreifen, weil ich glaube, dass wir hier seitens der Stadt durchaus etwas tun könnten.

 

Erste Schwierigkeit: Es gibt keine soziale Absicherung, es gibt nach wie vor kein Auffangnetz. Wenn das Experiment Unternehmen nicht gut geht, gibt es also derzeit nicht einmal die Möglichkeit, Sozialhilfe zu beziehen. Bei vorübergehender schwerer Krankheit beispielsweise gibt es keinen Härtefonds, keinen Notfallfonds, aus dem man eine Unterstützung bekommen könnte. Und übrigens, wenn einmal das Ganze platzt: Eine Arbeitslosenversicherung gibt es sowieso nicht. - Das sind alles Dinge, die schon seit Jahren diskutiert werden, einmal auf Bundesebene, einmal bei Wirtschaftskammerwahlen; dann verschwinden sie für eine Zeit lang, dann kommen sie wieder in Diskussion. - Maßnahmen gibt es hier nach wie vor nicht. Und ich denke, weil wir gerade über die Umwandlung der Sozialhilfe in eine Grundsicherung diskutiert haben: Damit hätten wir die Möglichkeit, gerade dieser Gruppe jene soziale Absicherung, jenes Auffangnetz zu bieten, das hier erforderlich ist - denn nach wie vor sind unsere sozialen Systeme hauptsächlich auf unselbstständig Erwerbstätige ausgerichtet, und wir verkennen die Tatsache, dass es deren immer weniger gibt, dass es immer mehr Selbstständige gibt und dass wir in dieser Frage eine Antwort finden müssen.

 

Ein zweiter Bereich, der gerade diese Gruppe sehr stark betrifft und meines Erachtens auch zu einem Phänomen wird, dem wir uns stellen müssen, ist die Bürosuche, also die Suche nach Büroräumlichkeiten - die sehr teuer sind - und vor allem auch die Isolation, mit der diese Gruppe oft konfrontiert ist. Denn wenn jemand als Ein-Personen-Unternehmen tätig ist, heißt das ja nichts anderes, als dass man meistens den ganzen Tag sehr damit beschäftigt ist, die wenigen Kunden, die man hat, zu bedienen. Das bedeutet auch, dass man in diesem Bereich kaum die Möglichkeit hat, sich zu vernetzen, kaum die Möglichkeit hat, neue Kunden und neue Aufträge zu akquirieren, und dass hier sowohl eine

 

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