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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 29.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 95

 

Frauenarmutsbericht - das wäre eigentlich nötig -, aber doch zumindest ein Bericht über die allgemeine Situation der Frauen in Wien. Auch der Arbeitskreis Frauen hat - lassen Sie mich das an dieser Stelle sagen - ein sehr konstruktives Arbeits- und Diskussionsklima vor allem zum Thema Gender Mainstreaming, wobei die GRÜNEN ja bereits im Jahr 2001 einen Antrag gestellt haben - der dann angenommen wurde -, Gender Mainstreaming in allen Ressorts, in allen Politikbereichen und in allen Bezirken von Wien zu verankern, wo nur zizerlweise, sage ich einmal auf gut Wienerisch, etwas weitergeht, aber doch!

 

Wir hätten uns aber natürlich mehr gewünscht. Ich denke, von dem Ziel der frauenfreundlichsten Stadt, das Sie, Frau StRin Brauner, zu Beginn der Legislaturperiode als Ziel in Wien formuliert haben, sind wir noch weit entfernt. Die Situation der Frauen in Wien ist zwar natürlich anders als im Bund - da stehe ich nicht an, das hier an dieser Stelle zu sagen -, Wien bekennt sich zur aktiven Frauenpolitik, was der Bund ja schon lange Zeit nicht mehr tut - für ihn ist Frauenpolitik nur noch Familienpolitik, von der Frauenpolitik hat man sich verabschiedet -, aber dennoch bleiben wesentliche Handlungsspielräume, die Wien unserer Ansicht nach auch in der Frauenpolitik hätte, ungenützt. Wien könnte mehr tun!

 

Man hat, frau hat fast den Eindruck, Wien macht Frauenpolitik im Sinne von Dienst nach Vorschrift: Das Mindestmaß, das wir von Frauenpolitik erwarten, wird erfüllt. Aber die großen Sprünge, das Innovative, das Experimentelle, das wird in dieser Stadt nicht gewagt. Was vielleicht auch daran liegt, dass das Budget der MA 57 - wir diskutieren das ja schon seit Jahren - ein derart geringes ist, dass diese großen Sprünge für die Frauenpolitik in Wien leider auch kaum möglich sind. Denn mit 0,7 Promille des Gesamtbudgets ist die Frauenpolitik in Wien leider nicht sehr gut ausgestattet.

 

Wir bedauern an dieser Stelle auch, dass unser Antrag abgelehnt wurde, ein Gender Mainstreaming-Budget in allen Ressorts vorzusehen, damit nämlich alle Ressorts aktiv Frauenförderung machen können und auch die budgetären Mittel dafür erhalten. Ich denke, das wäre ein wichtiger Schritt in der Frauenpolitik zusätzlich zur MA 57, die wirklich nicht allein verantwortlich sein sollte. Das muss an dieser Stelle gesagt werden: Es kann nicht sein, dass die MA 57 und die Frauenpolitikerinnen allein verantwortlich gemacht werden für die Umsetzung von Frauenpolitik. Frauenpolitik geht alle an, auch alle Ressorts und alle Dienststellen.

 

Ich möchte mich an dieser Stelle kurz für meine Stimme entschuldigen. Ich bin sehr stark erkältet und muss deshalb öfters eine Pause beim Reden machen. Ich werde mich aber trotzdem kurz halten im Dienste des Allgemeinwohls, im Dienste von Ihrem Wohl und meinem gesundheitlichen Wohl.

 

Lassen Sie mich auf Basis von drei Beispielen erläutern, was wir mit den ungenützten Handlungsspielräumen meinen. Erstes Beispiel ist die Umsetzung des Wiener Gleichbehandlungsgesetzes.

 

Das Wiener Gleichbehandlungsgesetz ist ein sehr fortschrittliches, es bietet eine 50°Prozent-Frauenquote und eine positive Diskriminierung bei beruflicher Einstellung und beim Aufstieg. Das ist ein sehr fortschrittliches Gesetz, wir loben und verteidigen dieses Gesetz auch an jeder Stelle. Aber es gilt für immer weniger Bedienstete, nicht nur dadurch - ich habe es eingangs schon kurz erwähnt -, dass die Stadt Wien eine muntere Ausgliederungspolitik betreibt, letztlich mit dem Fonds Soziales Wien, wodurch vor allem Frauenarbeitsplätze ausgegliedert wurden. Es gilt auch, wie Sie wissen, für die Neuaufnahmen in diesen ausgegliederten Unternehmungen leider nicht das fortschrittliche Wiener Gleichbehandlungsgesetz, sondern das wesentlich schlechtere der Privatwirtschaft, sodass sich die Gemeinde Wien hier der Verantwortung für Frauenpolitik ein bisschen durch die Hintertür entledigt. Wir haben das wiederholt kritisiert, ich möchte das auch an dieser Stelle noch einmal tun.

 

Neben diesen Lücken haben wir auch Umsetzungsschwierigkeiten des Gleichbehandlungsgesetzes an sich. So gut es ist, so schlecht ist der Frauenanteil zum Beispiel nach wie vor in den Spitzenfunktionen im Wiener Magistrat. Je höher man hinaufschaut, je höher die Dienstklasse ist, desto weniger Frauen sind zu finden, obwohl 55 Prozent aller Bediensteten der Gemeinde Wien Frauen sind.

 

Lassen Sie mich zitieren aus dem jüngst erschienenen Bericht der Wiener Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen, dem hier wirklich einiger Raum geschenkt werden sollte. Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Bericht, weil er wirklich aufzeigt, wie Frauenpolitik und Frauenförderung in den einzelnen Dienststellen und Ressorts der Gemeinde Wien umgesetzt wird. Lassen Sie mich zitieren aus der Zusammenfassung, die alle Geschäftsgruppen und auch die Magistratsdirektion betrifft.

 

Hier schreibt die Wiener Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen, die vor allem aus Gleichbehandlungsbeauftragten der verschiedenen Dienststellen besteht: "Alle maßgeblichen zentralen Entscheidungspositionen in der Konzernleitung" - es ist eigentlich interessant, dass die Gemeinde schon als Konzern bezeichnet wird; das sei nur am Rande bemerkt - "sind männlich besetzt. Die Geschäftsbereiche der Magistratsdirektion werden von Männern geleitet. Sieben Bereichsdirektoren, sieben Bereichsleiter, stehen einer Bereichsleiterin gegenüber." Das ist eine magere Bilanz der Frauenpolitik und der Frauenförderpolitik des Magistrats, möchte ich einmal sagen.

 

Es werden natürlich auch positive Punkte erwähnt, ich stehe nicht an, auch die zu zitieren: Eine neue Abteilungsleiterin und zwei neue MBA-Leiterinnen, vermehrt Frauen in Männern vorbehaltenen Führungsfunktionen, Aufwertungen von Frauen in den Verwendungsgruppen B und C. Aber was schon wieder negativ bemerkt wird: Aufwertungen in der Verwendungsgruppe A - 70 Prozent Männeranteil!

 

Bei den Beförderungen sieht es für Frauen ähnlich schlecht aus: Sieben neue Obersenatsräte, keine Frau. Der Männeranteil in A8 beträgt 71 Prozent, und in A7 liegt er bei 67 Prozent.

 

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