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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 21.11.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 41 von 99

 

können, damit es nie wieder passiert.

 

Daher glauben wir, dass im Zusammenhang mit den Anstrengungen der Stadt Wien in allen Bereichen, ob es nun die Restitution von Kunst- und Kulturgegenständen oder die Liegenschaften betrifft oder auch die Frage von Zwangsarbeit und Gemeindewohnungen, sehr öffentlich gemacht werden muss, was damals passiert ist. Es darf kein Mantel des Schweigens über diese Fragen gehüllt werden und auch dieser Bericht, der uns vorliegt, sollte öffentlich gemacht werden.

 

Die Stadt Linz hat das getan in einem 1 900 Seiten umfassenden Werk, das sich mit der Geschichte der Stadt auseinander setzt, und wir glauben, dass die Stadt Wien das auch tun sollte, dass es wichtig wäre, all die Anstrengungen, die sicherlich gesetzt werden, noch viel deutlicher zu argumentieren und zu zeigen, was passiert ist.

 

Und weil wir glauben, dass es wichtig ist, die Nachvollziehbarkeit dessen, was passiert, zu gewährleisten, stellen wir einen weiteren Antrag, nämlich die Mitglieder der Restitutionskommission, die diesen Bericht erarbeitet haben, zu erweitern, zu erweitern um zwei Vertreter der betroffenen Gruppen, nämlich der Israelitischen Kultusgemeinde und der Claims Conference - Committe for Jewish Claims on Austria.

 

Wir glauben, dass das wichtig ist, hier die Betroffenen mit einzubeziehen und sicherzustellen, dass alle Möglichkeiten ergriffen werden, um sicherzustellen, dass auch die Betroffenen in die Fragen eingebunden werden.

 

Daher stellen wir folgenden Beschlussantrag:

 

"Der Wiener Gemeinderat möge beschließen, dass der Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 (155-M07) Punkt III Abs. 1 dahin gehend geändert und ergänzt wird:

 

Mitglieder der Kommission sind:

 

a) ein Vertreter aus dem Aktivstand der Richter als Vorsitzender,

 

b) ein Vertreter aus dem Stand der Notare,

 

c) ein der Stadt Wien nicht weisungsgebundener Experte auf dem Gebiet der Stadt- und Kunstgeschichte Wiens,

 

d) ein der Stadt Wien nicht weisungsgebundener Experte auf dem Gebiet der Zeitgeschichte,

 

e) ein Vertreter der Magistratsdirektion - Zivil- und Strafrechtsangelegenheiten,

 

f) ein Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde,

 

g) ein Vertreter der Claims Conference - Committee for Jewish Claims on Austria

 

und Abs. 8 hinzugefügt wird:

 

Diese Kommission ist dem GRA für Kultur und Wissenschaft berichtspflichtig."

 

Wie gesagt, es tut uns sehr Leid, dass wir heute nicht zustimmen können (GRin Ursula Lettner: Das tut Ihnen jetzt schon ein bisschen sehr oft Leid!), und ich würde mir wünschen, dass im nächsten Jahr der Bericht so gestaltet wird, dass unsere Fragen von vornherein beantwortet werden und wir nicht wieder in diese Situation kommen. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Als nächster Redner ist Herr StR Marboe gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

 

StR Dr Peter Marboe: Frau Vorsitzende! Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!

 

Mir tut es auch Leid - trotz Ihrer wirklich ernsten und auch wohl überlegten und sehr ernst zu nehmenden Worte -, dass Sie diesem Geschäftsstück nicht zustimmen werden, und ich werde das auch noch ein bisschen näher begründen.

 

Wie Sie wissen, ist der Restitutionsbeschluss seinerzeit im April 1999 einstimmig gefasst worden und gleichzeitig mit der Verpflichtung verbunden worden, in regelmäßigen Abständen über die Tätigkeit der Kommission und die gesamte Abwicklung der Rückgabevorgänge zu berichten. Das ist jetzt geschehen und ich halte den Bericht für ausführlich, für ernsthaft, für sehr informativ, und wir werden ihm mit Sicherheit unsere Zustimmung geben.

 

Ich glaube, dass es sozusagen jeder Generation spezifisch zugeordnet wird, wie sie mit der Verstrahlung durch den Super-GAU der Nazizeit umgeht, mit der Verantwortung dafür auch in ihrer Generation umgeht. Und da können wir doch nichts anderes tun, als ernsthaft nachzudenken, wo wir Gesten der Ernsthaftigkeit setzen können, wo wir uns aus innerer Überzeugung selber sagen, wir wollen ohne schlechtes Gewissen in unseren Museen, in unseren Bibliotheken, in unseren Archiven sein können und dort die Bilder anschauen können, die Skulpturen anschauen können, in den Partituren blättern können. Das heißt, wir wollen ohne schlechtes Gewissen in diese Institutionen gehen können. Und das halte ich für eine Verantwortung unserer Generation, die wir auch wahrnehmen und, wie ich meine, bewältigen müssen.

 

Ich glaube, dass dieser Bericht den Nachweis erbringt, dass diese Ernsthaftigkeit auch in der konkreten Abwicklung da ist. Denn eines ist klar - und das wurde auch in, wie ich meine, durchaus überzeugenden und eindrucksvollen Reden von hier aus im Zusammenhang mit dem Restitutionsbeschluss immer wieder gesagt -: Was das nicht sein darf, ist natürlich ein Schlussstrich, ist ein gedanklicher Schlussstrich: Wunderbar, jetzt machen wir auch noch die Restitution in Wien und dann ist sozusagen alles erledigt. Genauso wenig wie es auf Bundesebene einen solchen Schlussstrich geben darf, der irgendwie formalisiert: Jetzt haben wir alles erreicht oder durchgesetzt, was es da durchzusetzen gibt.

 

Ich sage das mit aller Anerkennung, dass wir auch darauf stolz sein können, dass auf Bundesebene mit dem allgemeinen Entschädigungsfonds, mit dem Versöhnungsfonds, mit dem Nationalfonds auch sehr ernsthafte Gesten gesetzt wurden und wir heute als Österreicher und als Wiener, auch wenn man die Restitutionsbemühungen auf Bundesebene mit einbezieht, durchaus erhobenen Hauptes durch die Welt fahren

 

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