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Landtag, 42. Sitzung vom 28.01.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 49 von 72

 

sagen, wir sind für Demokratie und wir sind für Menschenrechte, aber, meine Damen und Herren, das sind nicht nur Werte, die wichtig sind, damit es dem Menschen, sprich, dem Individuum in seinem täglichen Leben gut geht, viel mehr noch kann man es sehen als einen Teil der Europäischen Außenpolitik, als einen Teil der Softpower, als einen Teil, wie wir auf globaler Ebene auftreten, wofür wir einstehen und was wir im Zusammenspiel mit unseren globalen Partnern auch einfordern. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Es ist daher absolut positiv und vernünftig, dass sich Österreich für die EU-Erweiterung am Westbalkan ausspricht und die dortigen Länder im Beitrittsprozess so aktiv unterstützt. Ich nenne das Stichwort Vetting-Prozess in Albanien, ich nenne das Stichwort Stipendienprogramm für südosteuropäische Parlamentsmitarbeiter. Und ich denke, dass auch das ein Bereich ist, wo eine EU ohne Österreich eine große Lücke hätte, wo wir einen wichtigen Beitrag für diese Europäische Union leisten. Es wird also unser aller Aufgabe sein, auch die kommenden 25 Jahre EU-Mitgliedschaft konstruktiv für die Union und effektiv in der Vertretung der österreichischen Interessen zu gestalten, damit die „NZZ“ nach 50 Jahren österreichischer EU-Mitgliedschaft titeln kann: Es ist ein Jubiläum, das mit Selbstverständlichkeit begangen und gebührend gefeiert wird. - Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsident Dipl.-Ing. Martin Margulies: Zu Wort gelangt Herr Abg. Kunrath. - Bitte sehr.

 

13.51.52

Abg. Nikolaus Kunrath (GRÜNE)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Interessierte am Livestream und im Publikum heute, unsere Gäste!

 

Ich möchte mit einer kleinen Erinnerung anfangen. Als das Wahlergebnis am 12. Juni 1994 im Fernsehen verkündet wurde, telefonierte ich gerade mit einem politischen Freund einer anderen Partei und sagte: „Oh, ich gratuliere dir, wir haben gerade verloren!“ Dabei kam aus dem Hintergrund: „Was heißt wir?“ Und meine Freundin schaute mich ganz erstaunt an und sagte: „Ich habe mit Ja gestimmt!“ Es war damals also sehr stark, dass man innerhalb verschiedener Gruppen und Partnerschaften unterschiedliche Meinungen und unterschiedliche Abstimmungen bis zum Schluss nicht abgeklärt oder besprochen hatte, sondern man hat ganz lange darüber diskutiert, wie die jeweilige Situation dann ausschaut.

 

Die schon länger in der Politik Tätigen werden sich vielleicht noch an diese Abstimmung erinnern und dass die GRÜNEN damals mehrheitlich empfohlen haben, mit Nein zu stimmen. Aus heutiger Sicht würde ich anders handeln. Man lernt dazu. Und letztlich haben die fast zwei Drittel Ja-Stimmen der Bevölkerung auch dazu geführt, dass wir GRÜNEN uns entschlossen haben, dieses demokratische Votum einerseits zu akzeptieren und aber auch darauf hinzuarbeiten, die EU von innen zu verändern, in eine sozialere, ökologischere und demokratischere Bewegung. Im Jahre 94 waren für uns GRÜNE zumindest theoretisch noch andere Optionen denkbar - eine engere Kooperation mit damals noch anderen neutralen und sogenannten blockfreien Staaten, die teilweise auch Mitglied der EFTA waren. Wir hatten außerdem die Befürchtung, dass Europa durch eine verstärkte Integration der westeuropäischen Länder noch mehr gespalten werden könnte, weil dann Ost- und Mitteleuropa weiter zurückfällt.

 

Ich hatte selbst persönlich erste positive Erfahrungen im Jahr 1996, als ich Österreichs Vorsitzender des EU-Jahres gegen Rassismus sein durfte. Die EU nahm sich immerhin Mitte der 90er des letzten Jahrhunderts Rassismus und Diskriminierung als Schwerpunkt zum Thema, damals und heute eine der wichtigsten Voraussetzungen, innerhalb der EU mit diesem Thema zu arbeiten. Und ich konnte gemeinsam mit der zivilgesellschaftlichen Bewegung unter der Leitung von „Migration Policy Group“ in Zusammenarbeit mit vielen NGO-VertreterInnen damals zu den Amsterdamer Verträgen den sogenannten Artikel gegen Diskriminierung mit ausarbeiten. Jenen Artikel, der Diskriminierung in jeglicher Form untersagt. Daraus wurde dann 1999 das „Europäische Netzwerk gegen Rassismus“ von Seiten der EU gegründet, und wir haben heute hier eine Stimme, die Gott sei Dank ganz stark gegen Rassismus arbeitet.

 

Zehn Jahre nach der Abstimmung in Österreich kam es zur sogenannten ersten Osterweiterung der EU, um unsere östlichen Nachbarländer Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien sowie Polen und die drei baltischen Staaten. Auch Zypern und Malta traten damals bei. Später folgten noch Bulgarien, Rumänien und Kroatien, wie Sie alle wissen. Die Integration der Länder im mitteleuropäischen Teil des einstigen sowjetischen Machtbereichs war damals, so eigenartig es klingen mag, ein Beitrag zum Friedensprojekt Europa. Nach dem Fall des sogenannten Eisernen Vorhangs 89/90 waren ja viele Aktive der Demokratie- und Menschenrechtsbewegung dieser Länder, mit denen ich vorher vor allem in der damaligen DDR in der Friedensgruppe Jena sehr lange zusammenarbeiten durfte, in Regierungsfunktionen gekommen. Damals kamen endlich Aktive aus den demokratischen und Menschenrechtsbewegungen in diesen Ländern in Regierungsfunktionen. Dass nicht alle Ideale eines Vaclav Havel oder anderer Wirklichkeit wurden und dass vor allem in den ersten Jahren nach der Wende der Neoliberalismus mit seinen unsozialen Begleiterscheinungen viel an proeuropäischem Enthusiasmus zerstört hat, ist leider auch bekannt. Heute haben wir die kuriose Situation, dass zwei Länder, die in den Jahren 1988 bis 1990 die demokratischen Vorreiter in Ost-/Mitteleuropa waren, nämlich Ungarn und Polen, auf diesem Gebiet zu Nachzüglern innerhalb der EU geworden sind. Es scheint wieder eine politische Kluft zwischen West und Ost zu geben, teilweise sogar innerhalb eines Landes, wie das bei Deutschland zu sehen ist.

 

Die EU ist gefordert, gefordert, der Einhaltung der Rechtstaatlichkeit Priorität einzuräumen, und zwar nicht nur in Bezug auf die Beitrittskandidaten, sondern auch bei allen Ländern, die schon EU-Mitglied sind. Auch Justizministerin Alma Zadić hat unlängst bei einem informellen Ratstreffen dieses Thema angesprochen, das sogenannte Art. 7-Verfahren, das beispielsweise gegen Viktor Orbáns Ungarn eingeleitet wurde. Der Beschluss

 

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