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Landtag, 2. Sitzung vom 15.12.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 58 von 65

 

Hand sowohl auf europäischer Ebene als auch auf österreichischer Ebene immer mehr eingeschränkt.

 

Ich kann mich noch erinnern, wie die Sozialdemokratie auf Bundesebene den wirtschaftspolitischen Kurs, den die Regierung Schüssel/Grasser eingeschlagen hat, zu Recht kritisiert hat, wie der Budgetsprecher der Sozialdemokratie im Parlament, Matznetter, zu Recht die Nulldefizit-Politik des Finanzministers Grasser gegeißelt hat, sie als wirtschaftsfeindlich bezeichnet hat, sie als innovationsfeindlich bezeichnet hat. Wir haben aber gedacht: eine interessante Entwicklung in der Sozialdemokratie! Sie kommen tatsächlich drauf, dass es keinen Sinn macht, weiterhin dem neoliberalen Gesellschaftsmodell unter Zurückdrängung des Staates, unter Aushöhlung der Verantwortung des Staates das Wort zu reden, sondern dass es sinnvoller ist und gescheit ist, dem Staat tatsächlich wieder die Mittel - und das sind eben oft auch budgetäre Mittel - in die Hand zu geben, um insbesondere in Zeiten schwacher Konjunktur wirtschaftspolitisch sinnvolle Maßnahmen zu setzen.

 

Ich war schon vor drei Jahren - da haben wir, glaube ich, mit einiger Verzögerung den ersten innerösterreichischen Stabilitätspakt im Landtag beschlossen - ziemlich konsterniert, als klar wurde, dass dieselbe Sozialdemokratie, die auf Bundesebene die Nulldefizit-Politik geißelt, es für Wien für selbstverständlich erachtet, jährlich rund 320 bis 340 Millionen EUR Maastricht-Überschuss zu machen - jährlich! Dieselbe Sozialdemokratie, die kein einziges Mal, glaube ich, den Versuch gemacht hat - schon als man gemerkt hat, dass auf Bundesebene die Vorgaben der Bundesebene niemals eingehalten werden können -, die Sanktionen, die in diesem Knebelungsakt des innerösterreichischen Stabilitätspaktes festgeschrieben sind, auf Seiten des Bundes einzufordern, aber umgekehrt immer gleich in die Knie gegangen ist, wenn irgendwie auch nur ein Anzeichen gekommen wäre, dass die Stadt Wien beim innerösterreichischen Stabilitätspakt nicht gerade den Musterschüler spielen kann.

 

Aus dem Grund halte ich es für bedauerlich, dass wir heute wieder hier stehen, dass Finanzstadtrat Rieder - ich nehme an, gemeinsam mit Bgm Häupl oder zumindest in Absprache mit Bgm Häupl - den Finanzausgleich ausverhandelt hat, in Absprache mit Bgm Häupl dem innerösterreichischen Stabilitätspakt zugestimmt hat und damit der Stadt Wien die Möglichkeit entzogen hat, in einer Zeit, in der dies notwendig wäre, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zu einer Ökologisierung auch von Wien, zu einer Ankurbelung der Wirtschaft rund 200 bis 300 Millionen EUR in die Hand zu nehmen.

 

Wenn man sich überhaupt das gesamte Budget - und das ist ja ein Punkt, wo irrsinnig oft zum Teil Äpfel mit Birnen verglichen werden - tatsächlich ansieht: Auf den ersten Blick wirken diese 300 Millionen EUR als etwas mehr als 3 Prozent des Wiener Budgets. Bereinigt man das Budget allerdings um tatsächliche Durchlaufposten, Budgetaufblähungsposten et cetera - jetzt sage ich einmal, ich zähle in etwa den Durchlaufposten von 550 Millionen EUR für die Wiener Stadtwerke, Personal ein/aus, grob weg, ich zähle die doppelt verrechneten rund 600 Millionen EUR beim Krankenanstaltenverbund weg, ich bereinige dasselbe Budget einmal um die Schuldengebarung, und zwar nicht um die gesamte Schuldengebarung, sondern ich lasse nur die Differenz drinnen, ich lasse auch nur die Differenz der Rücklagen drinnen, und ich lasse auch nur die Differenz bei den Landeslehrern drinnen, bereinige das Budget also um Posten, die entweder Durchlaufposten sind, Posten, die nur der Budgetaufblähung dienen, oder um reine Posten, wo der Bund de facto alles zahlt, und lasse immer nur die Differenzen drinnen -, dann komme ich schlagartig nur mehr auf ein Budgetvolumen von 6,5 Milliarden EUR. Die anderen sind fix vergeben oder beliebig. (Zwischenruf von Abg Dkfm Dr Fritz Aichinger.)

 

Damit merkt man dann, was die 200, 300 Millionen EUR Maastricht-gemäß ausmachen: Das ist dann plötzlich erheblich mehr! Das ist das, was die Stadt Wien noch vor einigen Jahren als finanzielle Mittel tatsächlich zur Verfügung hatte, um fortschrittliche Projekte ins Leben zu rufen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und um die Wirtschaftsförderung zu gestalten. Nicht umsonst wird gerade im Bereich der Wirtschaftsförderung immer weniger investiert, nicht umsonst wurde von Direktinvestitionen auf Darlehen umgestellt und so weiter.

 

Diese 200 bis 300 Millionen EUR - budgetiert sind diesmal 240 Millionen EUR, aber sehr wohl mit dem Ziel, den Maastricht-Überschuss zu erreichen - fehlen Wien. Sie fehlen bei den Lehrern und Lehrerinnen, sie fehlen in Wirklichkeit, um den Kinderbetreuungsschlüssel in Kindertagesheimen zu senken, sie fehlen, um eine Grundsicherung auszugestalten, sie fehlen für notwendige Umweltinvestitionen. Und dennoch sind Sie lieber Grassers Musterschüler der schlimmsten Sorte, weil Sie nicht nur ein Nulldefizit wollen, sondern einen Überschuss, und Sie verabschieden sich von einer sozial und ökologisch nachhaltigen Politik!

 

Aus diesem Grund lehnen wir den innerösterreichischen Stabilitätspakt ab. - Ich danke sehr. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsidentin Erika Stubenvoll: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr Tschirf. Ich erteile ihm das Wort.

 

Abg Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Frau Präsidentin! Herr Vizebürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Zunächst einmal darf ich von unserer Seite sagen, dass wir dem Stabilitätspakt zustimmen. Wir halten ihn für eine wichtige Maßnahme im Hinblick auf die Zukunft dieses Landes und auch dieser Stadt, und wir glauben, dass es hier sehr wohl auch Maßnahmen bedarf, die mit dem Stabilitätspakt verbunden sind, das heißt, damit die Wirtschaft entsprechend agieren und fortschreiten kann. Dazu gehören eben auch strukturelle Erneuerungen im Bereich der Verwaltungsreform und Ähnliches, und daher sehen wir das völlig anders, als das der Vorredner getan hat. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen - und ich tue das im Einvernehmen mit den anderen Klubs in diesem

 

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