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Landtag, 15. Sitzung vom 26.06.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 3 von 51

 

(Beginn um 9.01 Uhr.)

 

Präsident Johann Hatzl: Die 15. Sitzung des Wiener Landtages ist eröffnet.

 

Entschuldigt ist der Abg Dkfm Dr Aichinger und der Abg Hufnagl.

 

Die Beschlussfähigkeit des Landtages ist auf jeden Fall gegeben, denn hier sieht die Geschäftsordnung schon in entsprechender Form vor.

 

Meine Damen und Herren!

 

Wir kommen nun zur Fragestunde.

 

Die 1. Anfrage (FSP/02763/2003/0001-KSP/LM) wurde von Herrn Abg Günther Reiter gestellt und ist an die Frau amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Umwelt gerichtet: "Die Frage der Koexistenz im Zusammenhang mit der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist ungeklärt. Welche Möglichkeiten im Landesrecht hat Wien, um die biologisch wirtschaftenden Landwirte aber auch die Naturschutzgebiete vor Kontaminationen mit gentechnisch veränderten Organismen zu schützen?"

 

Ich ersuche um die Beantwortung.

 

Amtsf StRin Dipl Ing Isabella Kossina: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrter Herr Abgeordneter!

 

Sie haben mich nach dem Themenkreis Koexistenz gentechnikveränderter Organismen im Zusammenhang mit biologischer Landwirtschaft gefragt. Das ist eine ganz besonders wichtige Fragestellung für die Umweltmusterstadt Wien, für die biologische Landwirtschaft in der Stadt Wien, die ja Bestand haben muss.

 

Eine Freisetzung gentechnikveränderter Kulturpflanzen in der Umwelt und damit das Verbundensein des Auftauchens dieser Produkte in der Nahrungsmittelkette, wodurch dann natürlich auch Betroffenheit bei uns erzeugt wird, ist sicherlich eines der umstrittensten Themen in der heutigen Gesellschaft und gerade hier auch in der Umweltpolitik.

 

Und nicht nur hier in Wien wird dieses Thema sehr eingehend diskutiert - ich habe gestern Kontakte gehabt zu meinen Kollegen aus Tirol, Kärnten und Steiermark - sondern auch in diesen Bundesländern hat dieses Thema höchste Priorität.

 

Ja, wir haben auch darüber diskutiert, dass Befürworter der Gentechnik besorgt sind, hier wirtschaftlichen Anschluss zu verlieren, Innovationen womöglich nicht zu ermöglichen und hier mögliche wirtschaftliche Erfolge versäumen zu können. Die Kritiker halten hier entgegen, dass der Einsatz der gentechnikveränderten Organismen eben nicht für die Umwelt hinnehmbar sein kann und sein soll. Mit beiden Argumenten muss man sich sehr sachlich auseinandersetzen, diese Argumente müssen sachlich diskutiert werden.

 

Und mir geht es darum, hier eine sachliche, eine differenzierte und vor allem eine verantwortliche Auseinandersetzung zu führen. Und erst dann, aber auch erst dann wird es möglich sein, die Chancen und die Risken der Gentechnik differenziert zu betrachten.

 

Meine Verantwortung als Umweltpolitikerin ist es aber, dafür zu sorgen, dass man sich gentechnikfrei ernähren kann, denn ein mündiger Bürger, das ist mir klar, muss sich entscheiden können, will er sich diesem möglichen Risiko aussetzen oder eben nicht. Das heißt, die Politik muss dafür auch die Möglichkeit schaffen, dass derjenige geschützt werden kann, der geschützt werden will.

 

Was heißt das für die Stadt Wien, was heißt das für mich als oberste Stadträtin für die Landwirtschaft in Wien? Es geht mir um eine gesunde und eine risikofreie Lebensmittelproduktion hier in Wien und es geht um eine friedliche Koexistenz der Biolandwirtschaft und der konventionellen Landwirtschaft.

 

Denn auch das ist klar, es kann nicht sein, dass derjenige das Risiko trägt, derjenige die Kosten trägt, der hier womöglich beeinflusst wird von demjenigen, der diese Technik anwendet.

 

Hier muss das Verursacherprinzip zum Tragen kommen, dass derjenige, der diese Technik anwendet, auch die Kosten dafür zu tragen hat, für denjenigen, der womöglich hier in seiner Landwirtschaft behindert wird und womöglich auch verunmöglicht wird.

 

Ja, was heißt das hier in Österreich? Es gibt auf österreichischer Ebene eben das Gentechnikgesetz. Eine Novelle zum Gentechnikgesetz ist derzeit vor Vorbereitung zur Umsetzung der EU-Richtlinien und da hat die Stadt Wien, das Land Wien, eine sehr kritische Stellungnahme eingebracht, denn die Stadt Wien fordert hier, dass Koexistenzfragen auch in der Gentechnikgesetznovelle behandelt werden.

 

Das heißt, dass auch Daten über die Tendenz zur Verunreinigung von Pflanzen in benachbarten Feldern geliefert werden, und das geht von 0,1 Metern bis zu 4 Kilometern. Und natürlich gilt es hier zu beobachten, dass es auch notwendig sein wird, Regelungen für die biologische Landwirtschaft zu schaffen, denn es ist selbstverständlich - und die EU-Verordnung über die biologische Landwirtschaft gibt es auch vor -, dass ökologische Landwirtschaft und Gentechnik eben unvereinbar sind. Das heißt , biologische landwirtschaftliche Produkte müssen gentechnikfrei sein.

 

Und auch in Natura 2000 Gebieten, in Naturschutzgebieten, scheint es auch heute so zu sein, dass es hier auf Grund der strengen Bestimmungen des Naturschutzgesetzes, auf Grund der strengen Bestimmungen des Natura 2000, nicht möglich sein wird, gentechnik-veränderte Organismen auszusetzen.

 

Was es hier zu beklagen gibt ist aber, dass bis jetzt im Gentechnikgesetz des Bundes keinerlei Bestimmungen über Mindestabstände vorgegeben sind und es auch keinerlei Grundlagen für die Festlegung gentechnikfreier Zonen gibt, denn das Gentechnikgesetz ist ein Zulassungsgesetz und eben kein Verbotsgesetz. Und daher ist es auch noch nicht geklärt, inwieweit hier auf Landesebene Kompetenzmöglichkeiten gegeben sind, Kompetenzmöglichkeiten darüber, wer hier welche Vorschriften und Kontrollvorschriften erlassen kann.

 

Ja, daher gilt es hier, auf Verfassungsebene eine eindeutige Bestimmung zu erarbeiten, die aussagt, wo beginnt hier die landesrechtliche Kompetenz, wo endet

 

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