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Gemeinderat, 34. Sitzung vom 04.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 3 von 99

 

(Beginn um 9.02 Uhr.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich darf die 34. Sitzung des Wiener Gemeinderats für eröffnet erklären.

 

Entschuldigt ist bis Mittag Herr GR Kenesei.

 

Wir kommen somit zur Fragestunde.

 

Die 1. Anfrage (FSP/04652/2003/0002-KGR/GM) erfolgte von Frau GRin Dr Sigrid Pilz und ist an die Frau amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Gesundheits- und Spitalswesen gerichtet: Die Versorgung der nierenkranken Patientinnen und Patienten ist chronisch mangelhaft. Es gibt viel zu wenig Hämodialyseplätze in Wien. Warum gehen Sie, Frau Stadträtin Dr Pittermann, wissentlich das Risiko ein, dass Menschen durch diesen Notstand Schaden an Leben und Gesundheit nehmen?

 

Ich bitte um Beantwortung. (Unruhe im Sitzungssaal) Meine Damen und Herren, ich nehme an, dass Sie alle sehr interessiert sind, was die Frau amtsführende Stadträtin zu sagen hat. Ich bitte, den Lärmpegel etwas zu reduzieren. Bitte, Frau Stadträtin.

 

Amtsf StRin Dr Elisabeth Pittermann: Herr Vorsitzender! Frau Gemeinderätin! Geschätzte Damen und Herren!

 

Von einem Notstand im Bereich der Dialysesituation kann man nicht sprechen, wiewohl die Situation angespannt ist, das ist sie aber auch durch verschiedene Ursachen. Vergessen wir nicht, dass die Indikation zur chronischen Dialyse in den letzten Jahren laufend erweitert wurde. Es gibt jetzt viel mehr Menschen, die die Spätfolgen des Diabetes mellitus erleben, eben durch bessere Einstellung - das war früher nicht der Fall - und es wird dann dialysiert. Sie haben aber ebenso Patienten mit Malignomen, die nun dialysiert werden. Es war früher Grundkonsens, dass Malignom-Patienten - und da möchte ich gerade auf mein eigenes Fachgebiet eingehen, das ist der Bereich der Hämatologie -, vor allem die Myelom-Patienten, die früher auch bei myelombedingtem Nierenversagen, was eine sehr häufige Komplikation ist, einfach nicht dialysiert wurden. Es wurde als gegeben angenommen, dass man an Nierenversagen, bedingt durch das Myelom, stirbt. Seit einigen Jahren ist man dazu übergegangen, auch diese Patienten zu dialysieren. Dadurch wurde diese Situation enger.

 

Wir haben in Wien an Hämodialyse-Plätzen im Wilhelminenspital 20, es können dort 120 Patientinnen betreut werden, im Krankenhaus Lainz sind es derzeit 8, es werden 48 Patienten betreut, in der Krankenanstalt Rudolfstiftung handelt es sich um 16 Plätze mit 96 Patienten, im SMZ Ost gibt es derzeit 8 Plätze mit 48 Patienten, im Kaiser-Franz-Josef-Spital 6 Plätze mit 36 Patienten und im Allgemeinen Krankenhaus 28 Plätze und168 PatientInnen.

 

Heraus sticht das Hanusch-Krankenhaus mit 20 Plätzen, wo 80 Patienten betreut werden, da im Krankenanstaltenverbund überall mindestens ein 3-Schicht-Betrieb gefahren wird, im Hanusch-Krankenhaus aber derzeit nur ein 2-Schicht-Betrieb.

 

Ich bin in Verhandlung mit Obmann Bittner, der den Wunsch geäußert hat, er sei bereit zum 3-Schicht-Betrieb, möchte aber den § 56 Abs. 3 des Wiener Krankenanstaltengesetzes geändert wissen, weil er sagt, er müsse dann auch Nicht-Wiener Patienten behandeln und habe dafür keine Abgangsdeckung.

 

Es gibt auch eine Sollvorgabe des ÖKAP und des Wiener Krankenanstaltenplanes. Diese beziehen sich jetzt noch auf die zu erweiternden Plätze im Kaiser-Franz-Josef-Spital - die sollen ja um sechs Plätze erweitert werden - und dann ist noch an die Erweiterung um drei Plätze im Wilhelminenspital und in der Krankenanstalt Rudolfstiftung gedacht.

 

Ich habe sowohl an den Krankenanstaltenverbund als auch an den Bereichsleiter den Auftrag gegeben, dass sie weiter auf die chronische Dialyse achten - auch im Hinblick auf Indikationserweiterung - und Pläne erstellen müssen, wie wir die Dialyseplätze noch weiter ausbauen können.

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Dankeschön. Erste Zusatzfrage, Frau Dr Pilz.

 

GRin Dr Sigrid Pilz (Grüner Klub im Rathaus): Frau Stadträtin!

 

Ich bin wirklich fassungslos, dass Sie angesichts eines Notstandes, der nicht zu diskutieren ist, weil er gegeben ist, meinen, es gäbe keinen.

 

Sie haben jetzt eben gesagt, man könne nicht von einem Mangel sprechen. Der Mangel ist himmelschreiend!

 

Der Mangel ist himmelschreiend, und da braucht es nicht die Opposition, um das zu konstatieren. Ich lese Ihnen einen Aktenvermerk vor, den das Allgemeine Krankenhaus im April 2000 verfasst und am 24. April 2000 an den Herrn Direktor Kaspar und an Sie, Frau Stadträtin, geschickt hat. Seither hat sich aber nichts geändert. Da heißt es: "Die Kapazitäten des AKH sind unverändert völlig erschöpft". Und weiter heißt es: "Patienten werden zu spät andialysiert."

 

Ihnen als Medizinerin muss ich nicht erklären, was es heißt, wenn ein Patient zu spät in die Dialyse kommt, er bekommt nämlich Urämie, das heißt Harnvergiftung.

 

Und wenn die Damen und Herren ein bisschen mehr aufpassten, dann kämen sie drauf, dass das was Schlimmes ist, was Lebensbedrohendes.

 

Und weiters heißt es in diesen Aktenvermerk: "Die Nachtschicht ist ethisch und medizinisch nur absolut kurzfristig als Notmaßnahme akzeptabel“ und das AKH gesteht ein, dass die vierte Schicht, die sie seit Jahren fahren, in Österreich und im deutschsprachigen Raum absolut einmalig ist.

 

Frau Stadträtin, es werden Patienten zu spät andialysiert, sie kommen dadurch in eine lebensgefährliche Situation und Sie sprechen davon, dass es keinen Notstand gibt. Wie können Sie so eine Situation verantworten?

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Frau Stadträtin.

 

Amtsf StRin Dr Elisabeth Pittermann: Also das verspätete andialysieren ist auch eine Frage, ab welchem Zeitpunkt man zu dialysieren beginnt. Ich kenne viele Patienten, die sehr lange auch die Dialyse hinauszögern.

 

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