«  1  »

 

Gemeinderat, 35. Sitzung vom 25.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 83 von 120

 

ihrem Recht." Die Frau Becher sagt: "Die Regierung trägt den Mieterschutz zu Grabe." Das sind Behauptungen, die in keiner Weise irgendetwas mit der Sachlage selbst zu tun haben. Sie bemüht den Klassenkampf, indem sie feststellt: "Klassenjustiz durch Kostenersatzregelung. Wer nicht genügend Geld auf der hohen Kante hat, kommt in Hinkunft nicht mehr zu seinem Recht." – Eine Behauptung nach der anderen.

 

Die Frau Bures spricht von der "einseitigen Belastung der Mieter". (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Der Oberste Gerichtshof sagt das sinngemäß!) – Der Oberste Gerichtshof sagt das nicht. Er hat eine andere Formulierung getroffen. Er hat das auch nicht sinngemäß gesagt. Was die Frau Bures sagt, ist etwas ganz anderes. Sie sagt nämlich, das durch den Kostenersatz vergrößerte Prozessrisiko werde dazu führen, dass Mieter aus Angst vor dem Gang vor die Schlichtungsstelle zurückschrecken. Das prophezeite die SP-Bundesgeschäftsführerin. Das heißt, sie unterstellt wiederum, und das noch Ende Oktober 2003, Ende Oktober dieses Jahres, dass diese Regelung auch die Schlichtungsstellen umfassen würde. Sie sagt dann als Schlussfolgerung, da nach drei Monaten die Entscheidung der Schlichtungsstelle vor Gericht angefochten werden kann, würden die finanziell überlegenen Hausverwaltungen und Hausbesitzer verstärkt vor Gericht ziehen, um dort mit dem Damoklesschwert der Rechtsanwaltskosten die MieterInnen zermürben, die aber, wie wir in der Zwischenzeit feststellen können, eher die Gewinner einer solchen Reform sind, weil sie bei Durchbringen die Kosten ersetzt bekommen. Die Frau Bures spricht jedenfalls von massiven Verschlechterungen bei den MieterInnen und davon, dass zu befürchten ist, dass die Kostenersatzdrohung den freien Rechtszugang für die MieterInnen und WohnungseigentümerInnen zunichte macht.

 

Jetzt habe ich kein Datum, aber das ist bereits im November gewesen, wiederum eine Falschmeldung: "Immer weniger MieterInnen werden aus Angst vor diesen schwer voraussagbaren Kosten den Schritt zur Schlichtungsstelle wagen. Es ist daher schon abzusehen, dass es in Zukunft für Hausverwaltungen und Hausbesitzer wieder lukrativ sein wird, vermehrt gesetzwidrige Abrechnungen zu erstellen und einen überhöhten Mietzins festzulegen." – Das sind Behauptungen, die sozusagen aus dem Finger gesaugt sind und sich konträr zu den tatsächlichen Gegebenheiten befinden.

 

Justizminister Böhmdorfer wird als "Schande" bezeichnet, der Zugang zum Recht wäre konsequent bedroht und auch hier werden Beispiele bezüglich der Schlichtungsstelle gebracht. Ein Beispiel. Zehn Mieter beeinspruchen die Betriebskostenabrechnung bei der Schlichtungsstelle. 16 000 EUR Entrümpelungskosten wurden verrechnet. Es wird festgestellt, dass das um 8 000 EUR zu viel war. Die Mieter bekommen gemäß dem Anteil ihrer Wohnungen an der Gesamtfläche 1 340,50 EUR. Die Gerichtskosten für Gutachter, Verhandlung und Rechtsanwalt machen 4 500 EUR aus. Die zehn Mieter bekommen 1 240 EUR zurück, müssen aber 2 230 EUR bezahlen. Die Beschwerde ist ein Verlustgeschäft. Das ist auch eine Vernebelungstaktik. Wenn sie von den eigenen Kosten auf der Schlichtungsstellenseite spricht, besteht das Risiko jetzt auch. Schon jetzt muss sich der Mieter den Kopf darüber zerbrechen, ob der Einsatz von Gutachtern und von sonstigen Hilfspersonen die eigenen Kosten trägt und ob sich der Gewinn in irgendeiner Form ins Verhältnis setzen lässt. Bei der Kostentragung für die Gegenseite wäre wieder die Unterstellung, dass der Gesetzesvorschlag auch die Schlichtungsstellen umfasst.

 

Also eine unlogische Behauptung nach der anderen, zum Beispiel, dass sich mit falschen Betriebskostenabrechnungen oder illegalen Mietverträgen ein Körberlgeld zu sichern sei. Das Gegenteil ist der Fall. Dadurch, dass der Weg zu Gericht nunmehr das Risiko der Kostentragung beinhaltet, wenn sich die Mieter durchsetzen, was oft der Fall ist, wird das kein dankbarer Weg sein. Aber vielleicht ist die Mietervereinigung durchaus an solchen Behauptungen interessiert und will von den hohen Kostenbeteiligungen ihrer eigenen Mitglieder ablenken, denn sie haben immerhin eine Einschreibgebühr von 36 EUR, der Mitgliedsbeitrag beträgt 43,60 EUR und bei anwaltlicher Vertretung werden 199,70 EUR zusätzlich eingehoben, offensichtlich nicht nur bei gerichtlicher Vertretung, sondern auch bei den Schlichtungsstellen.

 

Diese Behauptungen hat die SPÖ wider besseres Wissen getätigt. Man kann das deshalb so genau sagen, weil die Arbeiterkammer bereits im Juni 2003 ihr Attest erstellt hat. Sie hat auch die Reform kritisiert, aber klar festgestellt, dass künftig im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren mit Ausnahme der Verfahren vor Schlichtungsstellen – das ist das Entscheidende – eine Kostenersatzregelung eingeführt werden soll. Das heißt, der Arbeitkammer war das bereits im Juni klar, was den Wiener Sozialdemokraten, den Bundessozialdemokraten, der Mietervereinigung, der Frau Bures beziehungsweise der Frau Becher noch im Oktober des heurigen Jahres noch immer nicht klar war und unbekannt geblieben ist.

 

Daher kann man zusammenfassend sagen, die Verfahren vor der Schlichtungsstelle sind weiterhin gratis, umfassen weiterhin den allergrößten Teil der Verfahren, über 80 Prozent, stellen kein Kostenrisiko für die Mieter, die diesen Weg beschreiten, dar. Die Kostentragung auf Erfolg und Billigkeit ist etwas, das, alles in allem gesehen, für die Mieter durchaus positive Aspekte beinhalten kann. Sie werden nun nicht mehr ihre eigenen Kosten tragen müssen, sondern in den überwiegenden Fällen – siehe Mietervereinigung, wo die Mieterinteressen zurückgesetzt wurden – ihre Kosten ersetzt bekommen, was etwas ganz Wichtiges ist und wo man hervorheben kann, dass ein richtiger Weg beschritten wurde. Ich würde meinen, sogar die Mietervereinigung hat etwas davon, denn wenn Verfahren wirklich zu 98 Prozent von hier positiv erledigt werden, dann kommt die Mietervereinigung rasch zu viel Geld. Vielleicht kann man dann, Herr Stadtrat – die Frau Bures kann man einmal fragen –, die Mitgliedsbeiträge ein bisschen herabsetzen und damit alle Beteiligten erfreuen. Der Zugang zum Recht

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular