Gemeinderat,
15. Sitzung vom 26.04.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 99
unter Bewahrung der historischen Teile der Sofiensäle
verwirklicht werden kann.
Es ist aber auch zur Kenntnis zu nehmen, wenn der
Eigentümer, wie von diesem bereits angekündigt, von dem ihm zustehenden
Rechtsmittel Gebrauch macht und die Entscheidung des Bundesdenkmalamts
rechtlich anficht. Bis zu einer endgültigen Klärung der rechtlichen
Rahmenbedingungen erscheinen Gespräche mit dem Eigentümer nicht sinnvoll.
Zu Punkt 8: Sind Sie bereit, mit Bund und Eigentümer
über eine zukünftige Gestaltung und Finanzierung der Sofiensäle in Gespräche
einzutreten?
Selbstverständlich bin ich bereit, mit Bund und Eigentümer
in Gespräche über die Zukunft der Sofiensäle einzutreten.
Zu Punkt 9: Sind Sie bereit, sich für das
Zustandekommen einer Sonderfinanzierung gemeinsam mit dem Bund - neben einer
allfälligen Mittelaufbringung durch den Altstadterhaltungsfonds - im Rahmen
eines weiter gehenden Gesamtprojekts einzusetzen, um den Erhalt und die
Wiedererrichtung der denkmalgeschützten Teile der Sofiensäle zu ermöglichen?
Selbstverständlich bekenne ich mich dazu, dass die
Wiedererrichtung der Sofiensäle im besonderen Interesse der Stadt Wien liegt
und daher der Eigentümer seitens der Stadt Wien im Bereich ihrer Möglichkeiten
unterstützt werden soll. Hinsichtlich einer Sonderfinanzierung ist jedoch
festzuhalten, dass es hier vor allem auch um ein Wirtschaftsprojekt geht, für
das - wie ich heute in Beantwortung einer mündlichen Anfrage betreffend Sofiensäle
bereits ausgeführt habe - die EU-Beihilfenregelung gilt. Schon aus diesem Grund
wäre die Zusage einer Sonderfinanzierung zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht.
Letztlich gibt es auch andere Möglichkeiten des kulturellen Sponsorings, als
sofort dem Steuerzahler in die Tasche zu greifen oder in die Falle einer nicht
EU-konformen Beihilfe zu kommen.
Zu den Punkten 10, 11 und 12: Sind Sie bereit,
im Rahmen eines Runden Tisches Bund, Land, Eigentümer, Vertreter der im Rathaus
vertretenen Parteien sowie Vertreter interessierter Gruppen, wie
Bürgerinitiativen, zu gemeinsamen Gesprächen über die Zukunft der Sofiensäle
einzuladen? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?
Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung des Bundesdenkmalamts
über die Aufrechterhaltung des Denkmalschutzes noch nicht rechtskräftig ist,
halte ich Gespräche über die Zukunft der Sofiensäle zum gegenwärtigen Zeitpunkt
für verfrüht. Im Übrigen darf ich auch hier auf das verweisen, was ich heute
Morgen in der Anfragebeantwortung über die Führung von Verhandlungen mit
Eigentümern, die man zur Mitfinanzierung gewinnen will, und die Frage der
Öffentlichkeit solcher Gespräche gesagt habe.
Zu Punkt 13: Sehen Sie die Möglichkeit für Initiativen
zur Gewinnung von finanzkräftigen Investoren für ein anzustrebendes Bauprojekt
unter Einbeziehung der historischen und denkmalgeschützten Teile der Sofiensäle?
Auch das ursprüngliche und baugenehmigte Projekt hat
die Einbeziehung der historischen und denkmalgeschützten Teile der Sofiensäle
vorgesehen und ist seitens des Betreibers offensichtlich als wirtschaftlich angesehen
gewesen. Der durch den Brand entstandene Schaden ist wohl durch die
Versicherung gedeckt. Ich sehe daher keinen Anlass dafür, dass die Stadt Wien
sich auf Suche nach Investoren begibt. Das ist vielmehr die Aufgabe des Eigentümers.
Ich hoffe, ich habe damit Ihre Anfragen hinreichend
beantwortet, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Danke, Herr Bürgermeister, für die Beantwortung.
Ich eröffne die Debatte, wobei ich bemerke, dass die
Dauer der Diskussion maximal drei Stunden beträgt.
Zur Debatte über diese Beantwortung der dringlichen
Anfrage hat sich Herr GR Ing Wolfram gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Redezeit: 20 Minuten. (GR Mag Hilmar
Kabas: Du hast nicht drei Stunden Redezeit! - GR Ing Gunther Wolfram: Drei
Stunden - das schaffe ich ja nicht!)
GR Ing Gunther Wolfram
(Klub der Wiener Freiheitlichen):
Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Wir haben heute schon gehört, was ein jeder in den
Sofiensälen erlebt hat, darum hätte ich Ihnen auch gerne ein Erlebnis von mir
nahe gebracht, und zwar war das 1956, wo in Ungarn der Aufstand war und die Sofiensäle
ein Zwischendepot waren für Decken und für Hilfsgeräte, die wir damals als
junge Menschen - ich war damals in der Wiener Jugendbewegung tätig - gesammelt
haben. Von dort ist das dann auf Lkw nach Ungarn weitergeschickt worden.
Da wir ja ein gut Teil über die Sofiensäle und den ruinösen
Bauzustand schon gehört haben, möchte ich Ihnen gerne die Baugeschichte und die
kunst- und kulturhistorische Bedeutung der Sofiensäle nahe bringen.
1838 wurde durch Franz Morawetz eine Badeanstalt
begründet, die als Wiener Novität Schwitzen, Dunst-, Dusch-, Sturz- und
Regenbäder anbot und die nach Erzherzogin Sophie den Namen Sophienbad erhielt.
1845 ließ Morawetz eine große Schwimmhalle - der heutige große Saal - nach dem
Vorbild des Wiener Dianabades errichten. Beauftragt wurden mit der Erweiterung
die noch jungen Architekten Eduard Van der Nüll und August Siccardsburg. Der
Bau ist damit ein Frühwerk der beiden Architekten, jener Architekten - nur zur
Erinnerung -, die in den späteren Jahren den repräsentativen Auftrag für die
Erbauung der Wiener Staatsoper erhielten. Die Staatsoper oder, wie sie früher
hieß, das Wiener Hofoperntheater war für die beiden Architekten auch schon der
letzte Bau in ihrem eher kurzem Leben. Van der Nüll hatte sich auf Grund des
Spottes über den Staatsopernbau - man sprach von Misch-Masch der Stile, ein
spöttischer Ausspruch und Reim hieß: Gotisch, klassisch Renaissance, alles ans!
- das Leben genommen. Siccardsburg konnte den Freitod seines Freundes nicht
überwinden und starb im selben Jahr.
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