Künstliche Befruchtung - Elternschaft für Lesben und Schwule

Für lesbische Frauen oder lesbische Paare besteht in vielen Ländern schon seit langem die Möglichkeit, ein eigenes Kind durch eine Samenspende zu bekommen. In Österreich war das lange nicht möglich, das Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG) hatte nämlich festgeschrieben, dass eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung prinzipiell nur in einer Ehe oder eheähnlichen Gemeinschaft zulässig ist. Erst das neue Fortpflanzungsmedizingesetz 2015 hat hier für eine Modernisierung gesorgt.

Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes

Hand einer erwachsenen Person hält Hand eines Babys

Im Jänner 2014 bekräftigt der Österreichische Verfassungsgerichtshof, das auch gleichgeschlechtliche Paare (mit Kindern) Familie sind (VfGH 10.12.2013, G 16/2013, G 44/2013, par. 36) und gab seine Entscheidung bekannt, wonach Frauen in homosexuellen Lebensgemeinschaften die Erfüllung ihres Kinderwunsches durch künstliche Fortpflanzung mittels Samenspende ermöglicht werden muss. Die entsprechenden Bestimmungen im Fortpflanzungsmedizingesetz waren damit - auf Antrag des Obersten Gerichtshofes (OGH) und zweier Frauen in gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft - aufgehoben. Die Begründung des Höchstgerichtes: Es gebe keine "besonders überzeugenden oder schwerwiegenden Gründe" für die derzeit bestehende Diskriminierung, wie sie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung fordert. Der vom Gesetzgeber ins Treffen geführte Grund, nämlich die Vermeidung der Gefahr der Leihmutterschaft, treffe bei der Samenspende gerade nicht zu. Der bei dieser Form der künstlichen Befruchtung weitgehende natürliche Schwangerschafts- und Geburtsvorgang werfe - anders als die Befruchtung von Eizellen im Labor und die Eizellspende - auch keine besonderen ethischen oder moralischen Fragen auf.

Die Entscheidung des VfGH ist die weltweit erste, mit der ein Höchstgericht den Ausschluss lesbischer Paare von medizinisch unterstützter Fortpflanzung als Menschenrechtsverletzung erkennt. Dem Gesetzgeber wurde eine Reparaturfrist bis 31. Dezember 2014 eingeräumt.

Auch gleichgeschlechtlichen Paaren kommt entsprechend Artikel 8 der Europäischen Menschrechtskonvention das Menschenrecht auf Fortpflanzung zu. In einer Stellungnahme an den VfGH hatte auch die Bioethikkommission der Bundesregierung mit überwältigender Dreiviertelmehrheit die Aufhebung des Verbots befürwortet.

Künstliche Befruchtung wird auch für lesbische Paare in Österreich möglich

Im Jänner 2015 beschloss der Österreichische Nationalrat das neue Fortpflanzungsmedizingesetz mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS. Das neue Gesetz modernisiert die Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin und ist ein weiterer großer Schritt in Richtung Gleichstellung, denn medizinisch-gestützte Fortpflanzung wird für Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben - egal ob als eingetragene Partnerinnen oder nicht - geöffnet.

Unter bestimmten Umständen wird auch die Eizellenspende erlaubt. Vermittlung und Kommerzialisierung werden verboten und es gibt Altersgrenzen: Die Spenderin darf nicht älter als 30, die Empfängerin nicht älter als 45 Jahre alt sein.

Ferner wird erstmals die Präimplantationsdiagnostik, also die Untersuchung des künstlich befruchteten Embryos vor der Einsetzung in die Gebärmutter, möglich, und zwar nach wiederholt fehlgeschlagener künstlicher Befruchtung und "wenn Grund zur Annahme besteht, dass dies auf die genetische Disposition der entwicklungsfähigen Zellen und nicht auf andere Ursachen zurückzuführen ist". Hier wurde auch eine untere Altersgrenze von 18 Jahren bei Eizellen- und Samenspende eingeführt, die Beratungsvorschriften erweitert und der Strafrahmen bei Nichteinhalten der gesetzlichen Vorschriften wurde von 36.000 Euro auf 50.000 Euro erhöht.

Alleinstehende Frauen bleiben ausgeschlossen

Alleinstehende Frauen bleiben aber weiterhin ausgeschlossen, weil - so die Erläuterung zum Gesetz - Kindern nicht von vornherein nur ein Elternteil zur Verfügung stehen soll. Eine Aussage, ob die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auch Konsequenzen für allein lebende Frauen haben muss, gab es nämlich nicht.

Künstliche Befruchtung im Ausland

Gerade alleinstehende Österreicherinnen fuhren und fahren daher lieber in ein Land, in dem die künstliche Befruchtung für lesbische Paare und auch für alleinstehende Frauen möglich ist, etwa nach Großbritannien oder in die Niederlande. Dies zu tun ist völlig legal, der Vater des Kindes ist in diesen Fällen gegenüber den österreichischen Behörden als "nicht bekannt" anzugeben.

Leihmutterschaft

Für schwule Männer sind die Möglichkeiten, ihren Kinderwunsch zu realisieren, in Österreich noch deutlich schwieriger. Auch im neuen Fortpflanzungsmedizingesetz weiterhin verboten bleibt die Leihmutterschaft. Die zuvor angesprochene Entscheidung des VfGH bedeutet nämlich jedenfalls nicht, dass Männern, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, nunmehr die Möglichkeit der Leihmutterschaft eingeräumt werden muss. "Das müsste vom VfGH - womit in naher Zukunft zu rechnen ist - dann entschieden werden", hatte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger 2014 gesagt. Zudem gibt es einen sehr kritischen feministischen Diskurs zum Thema Leihmutterschaft.

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