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Landtag, 40. Sitzung vom 20.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 72 von 76

 

Armin Blind: Na eben. Was hat es geheißen? Warten wir ab!) Aber Faktum ist, dass jetzt kein Rechtsbestand verletzt worden ist. (Abg. Armin Blind: Na, warten wir ab!)

 

Meine Damen und Herren, ich erlebe das immer auf der Ebene der Europäischen Union mit. Und das erlebe ich ein bissel so auch hier herinnen. Normalerweise ist es so, dass Regionalpolitiker, wie zum Beispiel Landtagsabgeordnete, die Interessen des Landes und der Region hochhalten und deren Interessen verteidigen. Das machen auch ein paar Bundesländer, zum Beispiel Vorarlberg oder Salzburg, teilweise Tirol, nicht Niederösterreich und nicht Oberösterreich, aber da wissen wir, warum. Und Wien verteidigt die Interessen des Landes Wien auch, ist gut so, ja. Es gibt, ich übersetze das jetzt auf Deutsch, einen Begriff, den wir auf der Europäischen Ebene dafür haben, wenn ein Abgeordneter einer regionalen Gebietskörperschaft sich ausschließlich an Interessen der nationalen Gebietskörperschaft orientiert, auch wieder unter Zitat, er ist ein „Bundesbüttel“. Das ist keine gute Herangehensweise, weil Sie haben in Wirklichkeit ja nur ein Interesse, Kollege Krauss. Sie haben das Interesse, dass Sie auf Bundesebene unter Ausnützung glücklicher Umstände, weil Sie in der Regierung sind, aber das ist vorbei, etwas durchsetzen konnten, indem sie die ÖVP dazu gebracht haben. (Aufregung bei StR Maximilian Krauss.) Und jetzt geht Ihnen der Arsch nicht zusammen, weil Sie es nicht umsetzen können, und Sie sind auch nicht in der Bundesregierung, ätsch! (Heiterkeit bei SPÖ und GRÜNEN.) Ja, krieg ich ... Nicht, na gut. (Aufregung bei der FPÖ.) „Es geht Ihnen der Arsch nicht zusammen.“ ist eine volkstümliche Äußerung. Das ist keine Beleidigung, das ist eine volkstümliche Äußerung. Volkstümliche Äußerungen haben in der Volksvertretung was verloren, meine Damen und Herren!

 

Zur Frage der Verfassungswidrigkeit hab‘ ich mich geäußert und zur Frage der Kinderrechtskonvention. Der Art. 2 Abs. 2 der Kinderrechtskonvention, und ich zitiere ihn nicht, heißt sinngemäß, dass kein Kind diskriminiert und benachteiligt werden darf auf Grund seiner Zugehörigkeit, nicht seiner eigenen Zugehörigkeit, das auch, der Zugehörigkeit seiner Eltern, Vormund und Verwandten. Das ist übrigens Verfassungsrecht in Österreich! (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Vielleicht zitieren Sie es!) Wenn Sie hergehen und es ernsthaft für gut befinden, dass ein Kind schlechter gefördert wird als andere Kinder, weil seine Eltern eine geringere Sprachkenntnis als andere Kinder haben, trifft das das wohl schon (Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Das sagen uns die Gerichte dann! Das ist die Legislative!), und das ist eine Diskriminierung.

 

Sehen Sie, und jetzt sind Sie der Meinung, es ist vorläufig nicht rechtswidrig, gell, weil noch kein Gericht entschieden hat. Also vorläufig ist es eh okay, na gut. Richtig ist aber (Aufregung bei Ing. Udo Guggenbichler, MSc.), dass diese Regelung, die Sie hier haben, eine ist, die in die Rechte von Kindern eingreift. Wir sind in der Situation, dass wir 40.000 Kinder haben, deren Rechte oder deren Situation sich verschlechtert. Und jetzt der Vollständigkeit halber, nicht dass ich da immer nur Bestehendes verteidige: Da geht‘s ja auch um andere Perspektiven. Wenn wir die öffentliche Definition von „Was ist Armut?“ nehmen und sagen, dass das 60 Prozent des Durchschnittsbruttoeinkommens sind, dann bedeutet das, dass in Österreich 300.000 Kinder arm sind oder an der Armutsgrenze leben. (StR Maximilian Krauss: Und wer hat 30 Jahre den Sozialminister gehabt?)

 

Meine Damen und Herren! Ich bin dafür, dass wir nicht darüber diskutieren, wie wir den Leuten, in diesem Fall den Kindern, etwas wegnehmen, sondern darüber, wie wir ihnen mehr geben. Es geht nicht um den Abbau sozialer Errungenschaften, es geht um den Ausbau sozialer Errungenschaften, und all das, was - vorsichtig ausgedrückt - diametral dagegen steht, wird unsere Ablehnung finden. In Wirklichkeit sollten wir in diesem Haus eine andere Diskussion führen. Wir sollten eine Diskussion über die Frage führen - Herr Stadtrat beziehungsweise Herr Landesrat, diskutieren wir doch darüber! -, wie wir das Niveau der Förderung für arme Leute, Kinder, Behinderte, Alleinerziehende erhöhen und nicht senken.

 

Wenn ich mir anschaue, wie die Zahlen des neuen Gesetzes sind, dann sage ich Ihnen, dass in der jetzigen Situation ein Kind in Wien 239 EUR bekommt - ein Kind in Wien wird mit 239 EUR gefördert -, und für die Zukunft ist der Vorschlag, es mit 44 EUR zu fördern, wenn es das dritte oder weitere Kind ist. Ehrlich gesagt, es ist für die reichste oder eine der reichsten Regionen Europas eine Schande, das so zu machen, und ich fordere alle hier im Raum Befindlichen auf, über alle Parteigrenzen hinweg dafür zu sorgen, dass man erkennt: 44 EUR für ein Kind ist zu wenig, viel zu wenig, und das muss man so oder so verhindern! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Lassen Sie mich etwas zum Thema Armut sagen: Der Art. 12, der heute schon mehrfach zitiert wurde, regelt, dass die Armutsbekämpfung, sprich, das Armenwesen, wie es so schön heißt, Ländersache ist, mit einer Grundsatzgesetzgebung. Aber was heißt das: Armut? Und woher kommt das?

 

Armut hat etwas mit Heimat zu tun. Irgendwann einmal sind unsere zivilisierten Vorfahrinnen und Vorfahren auf die Idee gekommen, dass es so etwas gibt wie Heimat, und Heimat ist unter anderem jener Ort, wo ich hingehe, wenn es mir schlecht geht. Das ist eine mittelalterliche Idee: Wenn ich irgendwo hinkomme und es geht mir schlecht und ich bin arm, gehe ich nach Hause, begebe mich dort hin, wo ich geboren bin, zu meinem Heimatort, und werde dort versorgt. Das ist nicht die optimale Versorgung gewesen, das war das Armenhaus - das ist bei Astrid Lindgren wunderschön nachzulesen.

 

Der Heimatbegriff hat sich insofern gewandelt, als Heimat nicht nur das ist, wo ich geboren bin - sonst wäre die Hälfte der Leute nicht hier -, sondern Heimat ist, wo ich wohne und integriert bin, wo ich lebe. Und dort wird meine Armut behoben, dort kann ich mich darauf verlassen, dass ich Zugang zu einer Gesundheitsversorgung, zu einer Krankenversorgung habe, dass ich gesund gemacht werde, dass ich nicht hungern muss, dass ich nicht frieren muss, und so weiter, und so fort und dass ich ein bisschen was vom Leben haben kann. Das ist Heimat.

 

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