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Landtag, 21. Sitzung vom 23.11.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 97 von 99

 

schen der Pharmig als der Dachverband der Pharmafirmen und der Gebietskrankenkassen. Die bekommen regelmäßig Millionen an Geld, Millionen, in 2 Jahren ungefähr 165 Millionen, das ist keine Kleinigkeit. Da frage ich mich natürlich: Wofür, warum? Es heißt natürlich, das ist jetzt ein Solidaritätsbeitrag oder es wird irgendein anderer Euphemismus dafür erfunden. Man kann sagen, so weit so gut, die Pharmaindustrie kostet es ja Geld und den Krankenkassen geht es ja so schlecht, also geben wir denen eine entsprechende Vergütung. Diese Einschätzung wird natürlich dadurch getrübt, dass die Krankenkassen im Bereich der sogenannten Polypharmazie, das ist die Gabe von mehr als fünf Medikamenten gleichzeitig, vor allem bei alten Patienten, eigentlich seit 2014 nichts mehr machen. Man weiß aus einer großen Studie in den USA, dass etwa 20 Prozent aller Krankenhausaufnahmen von Patienten über 65 durch eine Übermedikation stattfinden. Hier frage ich mich schon, ob die Krankenkasse überhaupt noch die Verträge, die Pflicht, die sie hat, erfüllt, erfüllen will oder erfüllen kann. Nur damit Sie verstehen, warum man wirklich einmal die Krankenkasse ein bisschen anders sehen muss und auch ein bisschen in ihrer Macht beschneiden muss. Man muss die Krankenkasse, wenn sie so säumig ist, wirklich an ihre Pflichten erinnern, und das werden wir selbstverständlich machen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Ich wiederhole noch einmal: Die Gebietskrankenkasse bekommt Geld von der Pharmaindustrie, und seit 2014 rühren die Krankenkassen eigentlich im Bereich der Polypharmazie kein Ohrwaschel mehr.

 

Der Hauptverband ist überhaupt einer der Hauptschuldigen an dem Mangel von Allgemeinmedizinern. Interessant ist natürlich auch noch die Erklärung zu der Beschreibung, in der man zugibt, dass an sich die Erstversorgungszentren einfach so nicht funktionieren werden. Da kann man natürlich sehr interessante ideologische und philosophische Statements sehen. Die will ich Ihnen nicht vorenthalten, ich glaube, niemand von Ihnen hat das freiwillig durchgelesen, aber es ist sehr interessant. Da steht zum Beispiel: In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es Zentrale eines modernen Wohlfahrtsstaates ist, eine soziale Absicherung für alle gesellschaftlichen Gruppen zu garantieren. Es wird einmal der Begriff Wohlfahrtsstaat verwendet. Jetzt muss man einmal wissen, und das ist ja sehr gut, wenn man sich - der Kollege lacht - die Konrad-Adenauer-Stiftung gelegentlich durchliest und sich den Unterschied zwischen einem Sozial- und einem Wohlfahrtsstaat gibt. Der Sozialstaat ist ähnlich wie bei einer Versicherungsstruktur, man hat eine gewisse Leistung und durch diese Leistung bekommt man im Falle eines Gebrechens, eines Problems, eines Unfalles eine Leistung, Pension, Frühpension, Invaliditätspension. Das ist der Sozialstaat. Der Sozialstaat verträgt auch offene Grenzen, weil er eben im Grunde genommen immer leistungsorientiert ist.

 

Beim Wohlfahrtsstaat skandinavischer Prägung, den wir nicht nur in Worten, sondern, wie wir in Wien sehen, auch in Taten umsetzen, bedeutet es natürlich, dass die soziale Leistung auch denen gewährt wird, die in diesem Leistungsspektrum nicht existieren. Das sind natürlich im Rahmen der Migrationsströme Menschen, die nicht in diesen sozialen Topf einzahlen konnten, und jetzt kommen wird zu einem Widerspruch. Wir können jetzt für einen Sozialstaat sein, das bedeutet natürlich, dass man, wenn man eine bestimmte Leistung erbracht hat, dann auch im Sinne einer Risikosituation unterstützt wird, oder wir haben einen Wohlfahrtsstaat, in dem wir auch an Personen, die nicht im Leistungsprinzip tätig waren, Gelder und Leistungen ausschütten. Nur, und das ist ein international unbestrittenes, obwohl häufig diskutiertes Thema, ein Wohlfahrtsstaat funktioniert nur bei geschlossenen Grenzen. Das ist mathematisch kleines Einmaleins. Wenn Sie sich zu einem Wohlfahrtsstaat bekennen, wenn Sie sich für einen Wohlfahrtsstaat entscheiden, da gibt es, wie gesagt, sehr viele Beschreibungen, Berechnungen darüber, dann müssen Sie die Grenzen nahezu schließen. (Beifall bei der FPÖ.) Das werden wir für Sie machen, Sie können sich sicher sein, wir werden das für Sie erledigen, und Sie werden uns sicherlich auch noch dafür dankbar sein.

 

Ein anderer Punkt, den Sie vielleicht nicht so ohne Weiteres mitbekommen oder mitbekommen können, wenn Sie nicht gerade im medizinischen Bereich über längere Zeit gearbeitet haben, ist die Bürokratisierung der Medizin. Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass jetzt die Gemeinde Wien, Krankenkasse, alle zu den Ärzten lieb und nett sind und alle gut bezahlen. Die Problematik ist allerdings die Bürokratisierung, es ist eine Verschiebung der Logik der Medizin zu einer Logik der Bürokratie, und das Ende, trotz guter Bezahlung, ist immer der Dienst nach Vorschrift. Das Gefährlichste in der Medizin ist nicht etwa die Ideologie, wer Krankenhausträger ist, wem das Krankenhaus gehört oder wer jetzt die Löhne zahlt, sondern der Dienst nach Vorschrift. Dienst nach Vorschrift bedeutet, Sie haben eine halbleere Ambulanz und warten trotzdem fünf, sechs Stunden. Das ist Dienst nach Vorschrift. Das sind schwere Managementfehler, die sich durch eine Überbürokratisierung, durch eine Ritualisierung des Arzt-Patienten-Verhältnisses ergeben und die uns, trotz guter Bezahlung, aus meiner festen Überzeugung durch diese Überbürokratisierung, die wir natürlich auch in den Spitälern und in den Erstversorgungszentren immer mehr bekommen, droht.

 

Ich will Sie jetzt nicht noch allzu sehr aufhalten, ja ich sehe schon, Sie haben es dort munter. Das erinnert mich an meine Volksschulzeit, da war ich auch immer so aufgeweckt und so lustig in der letzten Reihe. Sie haben zwar keine Popcornsackerl, aber vielleicht das nächste Mal. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Wir lehnen das Gesetz ab, obwohl wir uns durchaus vorstellen können, dass die, die sich das Gesetz überlegt haben, wohlmeinend sind, es gut mit uns meinen, aber es ist lebensfremd. Aus diesem lebensfremden bürokratischen Denken erweckt eine nicht suffiziente, teure und ineffiziente Medizin, und deshalb lehnen wir das ab. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abg. Deutsch. Bitte, Herr Abgeordneter.

 

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