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Landtag, 4. Sitzung vom 18.03.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 87 von 251

 

Deshalb die erste Frage: Was wollen die Antragsteller mit dieser Gesetzesänderung erreichen? Was steht in der Begründung des Antrages zu dieser Gesetzesänderung? - Ich zitiere aus der Begründung des Antrages: Auf Grund von Ereignissen, wie sie etwa Naturereignissen oder der Zustrom hilfs- und schutzbedürftiger Menschen aus Kriegsgebieten darstellen, oder aus humanitären Gründen ist es erforderlich, betroffenen Personen rasch vorübergehend eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Dies stößt in der Praxis insofern auf Probleme, als oftmals prinzipiell geeignete Unterkünfte auf Grund von bautechnischen Maßnahmen eines rechtmäßigen Zustandes, etwa durch Änderung eines Flächenwidmungsplanes, zu lange dauern würden. Da in den genannten Fällen vorübergehender Belegung die Interessen an einer raschen Unterkunft überwiegen, soll durch Ergänzung der Bauordnung für Wien die Nutzung von Bauwerken oder die Durchführung von Baumaßnahmen für diese Zwecke auch dann ermöglicht werden, wenn die baurechtlichen oder technischen beziehungsweise raumordnungsrechtlichen Vorschriften nicht vollständig eingehalten werden.

 

Interesse der Sicherheit und Gesundheit müssten dabei aber jedenfalls gewahrt werden. Zwecks Verfahrensbeschleunigung soll den gegen solche Bescheide gerichteten Beschwerden an das Verwaltungsgericht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommen.

 

Auch wenn es sich bei diesem Initiativantrag um einen gemeinsamen Antrag der Regierungskoalition handelt, gibt es, wie schon erwähnt, offensichtlich Unschärfen innerhalb der SPÖ, worum es bei diesem Antrag tatsächlich geht.

 

Ich zitiere einen Artikel der „Kronen Zeitung“, betitelt mit „Aufregung um die neue Bauordnung“. Hier ist angeführt: „Kurios, am Freitag hat Rot-Grün die geplante Änderung in einer Aussendung mit dem Titel ‚Bauordnungsnovelle bringt schlanke Bürokratie‘ bejubelt. Eigenartig ist auch, dass SPÖ-Gemeinderat Stürzenbecher und Chorherr zugeben, dass die Änderung primär wegen der Errichtung von Flüchtlingsquartieren erfolgt, während der rote Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler im Gespräch mit der ‚Krone‘ versichert, es geht dabei nicht primär um Flüchtlinge, sondern um temporäres Wohnen. Damit sollen beispielsweise mobile Studentenheime in Zukunft leichter errichtet werden können. Einig ist man sich allerdings darin, dass keine Besitzer enteignet werden.“

 

Auch die Tageszeitung „Presse“ widmet sich sehr ausführlich diesem Antrag auf Gesetzesänderung und verweist ebenfalls auf unterschiedliche Meinungen über das Ziel dieses Gesetzes bei den Sozialdemokraten. Der Artikel in der Presse ist zitiert mit „Gute Idee, schlechtes Baugesetz“.

 

Ich zitiere jetzt aus der „Presse“: „Das Anliegen ist verständlich, Wien hat allein im Jahr 2015 einen Zuwachs von 43.200 Personen zu verkraften. Ein Gutteil davon sind Flüchtlinge. Es fehlt an leistbarem Wohnraum. Die Stadt möchte das Problem schnell und unbürokratisch lösen und hat darum unter Zeitdruck eine Gesetzesnovelle entworfen, die temporäres Wohnen ermöglichen soll. Am Freitag soll diese im Landtag beschlossen werden. So redlich das Anliegen der Stadt sein mag, so lässt die Novelle in ihrer jetzigen Form doch Fragen offen, vor allem viel Raum für Willkür und womöglich gar Missbrauch.“

 

Und ich zitiere weiter aus diesem Artikel: „Wohnraum soll künftig für 6 Monate, 5 Jahre oder 15 Jahre errichtet werden können. Bauordnung und Flächenwidmung können dabei für staatlich beauftragte Gebäude außer Kraft gesetzt werden. So will die Stadtregierung ermöglichen, etwa bei einer weiteren Flüchtlingswelle schnell Containersiedlungen aufbauen zu können. Die Stadt kommt hier dem Vorschlag von Flüchtlingskoordinator Christian Konrad nach. Bürgermeister Michael Häupl hatte sich bis vor Kurzem gerühmt, dies sei in Wien nicht nötig. Dass 80 Prozent aller anerkannten Flüchtlinge nach Wien kommen, hat zu einer angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt geführt und die Haltung der Stadt geändert. Neben schnellen Maßnahmen im Fall von humanitären Ausnahmesituationen sollen nun auch Massivbauten für bis zu 15 Jahre errichtet werden können.

 

Wer diese bewohnen soll, darüber ist man SPÖ-intern uneins. Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler sagte zur ‚Presse‘, dass die Bauten primär für Flüchtlinge seien.“ - In der „Kronen Zeitung“ ist übrigens das genau Gegenteilige gestanden. – „Die Opposition wirft der Stadt vor, mit diesem Gesetz geförderten Wohnbau für alle Zeit ermöglichen zu wollen. Niedermühlbichler streitet das ab, die Regelung sei für den sozialen Wohnbau nicht geeignet, sagt er zur ‚Presse‘. Sein Parteikollege Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sieht das anders. Im Interview für die ‚Presse am Sonntag‘ sagte er, er glaube, dass auch langjährige Wiener gerne in temporäre Bauten einziehen würden. Es gelte das Prinzip der Reihung. Wiener, die länger hier sind, würden bevorzugt, sprich, zuerst Wiener, dann Flüchtlinge. Nachdem nicht klar ist, für wen die künftigen Wohnungen sein sollen, bleibt unklar, wann Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Dass ein neues Gesetz nun überhaupt notwendig wird, ist zum Teil hausgemacht. Über Jahre wurden die aus der Bauordnung festgelegten Standards weiter nach oben geschraubt, sozialer Wohnbau ist kostenintensiv und zum Wohnraum der Mittelschicht geworden. Billiges Bauen und somit günstige Mieten ermöglicht die aktuelle Bauordnung nicht mehr. Anstatt die strukturellen Prozesse zu entrümpeln, die Bauen teuer und langwierig machen, will sich die Stadt lieber ein Gesetz geben, das sie, und zwar nur sie, von vielem ausnimmt. Neben der Bauordnung, die das Bauen verteuert, ist es vor allem die Flächenwidmung, die Bauverfahren in die Länge zieht. Es dauert rund 1,5 Jahre, bis diese erfolgt ist. Darum will man in Notsituationen künftig ganz darauf verzichten. Auch hier ist die Grundidee richtig, Flüchtlinge in leerstehende Bürogebäude unterzubringen ist gut und richtig, aber nicht legal. Das neue Gesetz würde das ändern. Flächenwidmung und Raumordnung sind wichtige Instrumente, um die Zusammensetzung der Gesellschaft zu gestalten. Darauf zu verzichten, könnte unangenehme Nebeneffekte haben. Wenn etwa größere Siedlungen in Industriegebiet

 

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