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Landtag, 4. Sitzung vom 18.03.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 63 von 251

 

und bevorstehende Ereignisse; keine Frage, da sind wir einer Meinung.

 

Das heißt, es kann grundsätzlich immer die Bauordnung ausgehebelt werden, wenn nur die Durchführung der Baumaßnahmen und die Nutzung der Bauwerke staatlich organisiert ist. Das wiederum ist nichts anderes als ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Denn wenn die Gemeinde als Organisator oder Bauherr oder Bauträger auftritt, dann ist sie genau so zu behandeln wie ein privater Bauträger oder ein privater Bauherr. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum die Gemeinde sich hier nicht an das umfassende Regelwerk halten soll, Private das aber schon machen müssen - umso mehr, wo ja die Gemeinde noch einen anderen Vorteil hat: Die Gemeinde tritt dann nicht nur als Organisator oder Bauherr oder Bauträger auf, sondern sie ist ja selbst noch die Baubehörde! Ja, was braucht denn um Gottes willen diese Gemeinde, wenn sie baut, noch alles, damit sie ihre Gebäude endlich auf den Boden bekommt?

 

Es ist wirklich erschütternd, zu welchen Maßnahmen und zu welchen Eingriffen man greifen muss, damit diese 1.000 oder 10.000 oder 15.000 Wohnungen - oder wie viele immer da versprochen werden - errichtet werden können. Das ist ja wirklich völlig unverständlich. Man hat sich nicht getraut, den § 71 heranzuziehen, weil da drinsteht, es muss auf die subjektiven Rechte der Nachbarn Rücksicht genommen werden. Hier steht bei der Kategorie 2, bis zu 5 Jahre, ganz ehrlich drin, dass die Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte keine Rolle spielt und nichts macht.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aushebelung der Bauordnung, die die Baubehörde jetzt ganz allein entscheiden kann - was bedeutet das? Ich habe schon gesagt, die elementarsten Rechte können damit ausgeschaltet werden. Denn es gibt keine Parteistellung mehr für die Nachbarn. Wenn es keine Bauverhandlung gibt, gibt es keine Einwendungen, gibt es nicht die Möglichkeit, letztendlich zum Verwaltungsgericht Wien zu kommen.

 

Gibt es keine Bauverhandlung, können die Bezirke, können die Bezirksvorsteher nicht an den Bauverfahren teilnehmen, können nicht ihre Meinung zum Bauprojekt sagen, können keinen Einspruch einbringen, ist die Bezirksvertretung via Bauausschüsse der Bezirksvertretung ausgeschaltet. Denn nach § 69 hätte sie ja auch ein Recht, mitzubeschließen. Gibt es keine Bauordnung, gibt es natürlich auch den § 69 nicht.

 

Gibt es keine Bauordnung, gibt es keine Flächenwidmung. Gibt es keine Bauordnung, gibt es keine Bebauungsvorschriften. Gibt es keine Bebauungsvorschriften, kann ich ein Grundstück bebauen, wie es mir gefällt. Ich habe keine Höhenbeschränkung, ich habe keine Kubaturbeschränkung, ich habe keine prozentuelle Beschränkung der Bebaubarkeit des Grundstücks. Ich habe keine Dreimetergrenze mehr zum Nachbarn.

 

Es gelten nicht die Bestimmungen der Schutzzonen. Es gelten nicht die Bestimmungen über Bausperren. Es gelten nicht die Bestimmungen über die Bauklassen, nicht die Bestimmungen über die Bauweisen. Es ist egal, ob dort offen gebaut wird, gekuppelt gebaut wird oder geschlossen gebaut wird.

 

Es gelten keine Bestimmungen über Vorgärten und Abstandsflächen. Es gelten keine Bestimmungen über die äußere Gestaltung von Bauwerken. Es gelten keine Bestimmungen über die Störung des Stadtbildes. Auch die bautechnischen Anforderungen sind in diesem Gesetz anders formuliert als in der Bauordnung.

 

Der eine oder andere Redner war schon recht stolz darauf, dass es in diesem Gesetz ja sogar heißt: Es muss auf die mechanische Festigkeit, die Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene, die Gesundheit und die Nutzungssicherheit Bedacht genommen werden. Ja, darauf muss Bedacht genommen werden - aber in der Bauordnung ist von Muss-Bestimmungen die Rede! In der Bauordnung steht, dass diese Anforderungen, die detailliert ausgeführt sind, erfüllt sein müssen.

 

Es macht rechtlich einen riesigen Unterschied, ob ich etwas machen muss oder ob ich nur darauf Bedacht nehmen muss. Denn da kann die Behörde sagen, ja, ich habe ohnehin daran gedacht und habe mir etwas dazu überlegt, aber so streng, wie es in der Bauordnung ist, so streng müssen wir das nicht regeln. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Der eine oder andere, der sich vielleicht schon ein bisschen ausführlicher mit der Bauordnung auseinandergesetzt hat, weiß, wie viele Bestimmungen es zum Thema Brandschutz in der Bauordnung gibt, wie viele Normen es zum Thema Brandschutz gibt, und was da jeder Bauträger einhalten muss. Da geht es also um die Tragfähigkeit des Bauwerkes im Brandfall, um Bestimmungen, um die Ausbreitung von Feuer und Rauch innerhalb des Bauwerks hintanzuhalten.

 

Da gibt es Bestimmungen über Brandabschnitte, darüber, wie Fassaden und Hohlräume gestaltet sein müssen, über ausreichende und geeignete Einrichtungen für erste und erweiterte Löschhilfe, über automatische Brandmeldeanlagen, ortsfeste Löschanlagen, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen.

 

Es geht darum, dass die Ausbreitung von Feuer auf andere Bauwerke verhindert werden soll. Es geht um Brandabschnittsbildung, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Fluchtweg- und Orientierungsbeleuchtung. Und es muss gewährleistet sein, dass ausreichend Platz ist für Rettungs- und Löscharbeiten im Brandfall. Technische Einrichtungen wie Löschwasserleitungen und Feuerwehraufzüge gibt es ebenfalls.

 

Was haben wir allerdings in dieser Novelle drinnen? Bauwerke, Massivbauwerke bis zu 5 und 15 Jahren - was ist nur noch erforderlich? StR Blümel hat es schon genannt, weil es ja wirklich geradezu besonders lustig - wenn es nicht so traurig wäre - zu lesen ist: Erforderlich ist lediglich der Nachweis der Verfügbarkeit über eine ausreichende Wassermenge zur Brandbekämpfung. Dieser lapidare Satz ersetzt uns viele ausführliche Paragraphen in der Bauordnung samt Bestimmungen in Verordnungen und Normen! Man ist der Meinung, man braucht es nicht. Man wird nur irgendwie darauf Bedacht nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

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