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Landtag, 2. Sitzung vom 17.12.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 55 von 85

 

Ich würde gern auch die Argumentation von einer anderen Seite her ansehen. Denn ich glaube tatsächlich, dass die politische Mitbestimmung auf der kommunalen Ebene einen Vorteil für die Kommune bringt. Einen Vorteil auch für die sogenannte aufnehmende Gesellschaft. Es geht aus von dem Gedanken, dass es eine Gleichbehandlung logischerweise aller BewohnerInnen bedingt. Und es fördert aus meiner Sicht logischerweise die politische Partizipation, und es fördert daher auch die Integration. Das heißt, nicht einmal falsch behauptete, Herr Blind. Ich glaube, es gibt genügend Beweise dafür, dass es auch so gesehen werden kann.

 

Die Frage der Gleichbehandlung ist es ja natürlich dann auch. Wie ich schon einführend erwähnt habe, mein Vater hat hier 30 Jahre lang Steuern gezahlt und dafür nicht mitstimmen können. (Zwischenrufe von Abg. Dr. Wolfgang Aigner und Abg. Mag. Dietbert Kowarik.) Es gibt einen wunderbaren Spruch, der heißt „No taxation without representation“ und das wäre genau das, was ich hier machen würde. (Abg. Armin Blind: Es gibt auch Leute, die zahlen keine Steuern und beziehen Sozialleistungen!)

 

Es gibt einen Antrag des Herrn Juraczka, zu dem ich mich kurz äußern wollte, nämlich die Möglichkeit, das Wahlrecht auch auf Nebenwohnsitzinhaber auszuweiten. Da werden wir nicht zustimmen. Solange HauptwohnsitzbewohnerInnen, die jahrzehntelang in Wien wohnen, nicht wahlberechtigt sind, sehe ich nicht ein, warum wir ZweitwohnsitzbewohnerInnen da auch noch weiter bevorzugen sollten.

 

Jedenfalls bin ich froh, dass wir nicht nur mit der Halbierung des Mehrheitsfaktors, sondern auch mit diesen beiden weiteren Anträgen einen großen Schritt weitergekommen sind in Richtung Demokratisierung, Einbeziehung möglichst vieler Wienerinnen und Wiener in die politische Auseinandersetzung dieser Stadt und dieses Landes. Ich hoffe auf eine möglichst baldige Umsetzung auf Bundesebene, damit noch in dieser Legislaturperiode sowohl EU-BürgerInnen als auch DrittstaatsbürgerInnen ermöglicht wird, an der Kommunalwahl in Wien teilzunehmen. – Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abg. Aigner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 

14.55.15

Abg. Dr. Wolfgang Aigner (FPÖ)|: Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

 

Es sind einige wichtige Aspekte hier in der Plenardebatte schon angesprochen worden. Ich möchte auch vorausschicken, dass ich es als sehr schade empfinde, dass wir bei der ersten Arbeitssitzung ohne ein Begutachtungsverfahren, ohne Beratungen in den Ausschüssen ein so wichtiges Thema wie das Wahlrecht behandeln. Da hätte Qualität vor Schnelligkeit, glaube ich, eine sehr gute Berechtigung gehabt. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Zum Wahlrecht habe ich mich in der letzten Periode geäußert, es gibt die unterschiedlichsten Zugänge, die man haben kann. Ich habe mich auch immer dagegen verwehrt zu sagen, das derzeit geltende Wiener Wahlrecht sei ungerecht. Ich glaube, Gerechtigkeitsmodelle gibt es fast so viele wie Farben am Regenbogen. Es gibt die ganz unterschiedlichsten Zugänge, es gibt strikte Verhältniswahlmodelle, es gibt gemäßigte Verhältniswahlmodelle, es gibt Mehrheitswahlmodelle aller Schattierungen, und so weiter. Man kann nicht sagen, das englisch/amerikanische System ist undemokratisch. Es ist ein völlig anderes System.

 

Ich darf auch daran erinnern, dass die internationale Tendenz eher in Richtung stärkere mehrheitsfördernde Elemente geht. Ich glaube, es gibt bei der ÖVP auch Überlegungen, die Initiative Mehrheitswahlrecht, da sitzt der Altklubobmann und Minister Neisser drin, der Voggenhuber von den GRÜNEN, die sagen, der relativ Stärkste soll Bonusmandate bekommen, und zwar weitaus mehr, als es das Wiener Wahlrecht vorsieht. Das ist auch ein Modell, über das man genauso diskutieren kann. Also zu sagen, das bisherige ist ungerecht, und deshalb ist festzustellen, dass es eine Mehrheit gibt, eben sozusagen das Verhältnisprinzip stärker zum Ausdruck zu bringen.

 

Es hat natürlich auch die Mindesthürde ein gewisses mehrheitsförderndes Element. Man könnte es sich ja recht einfach machen, bei 100 Mandaten ist 1 Prozent 1 Mandat. Die Frage, ob das sinnvoll ist oder nicht, muss eben letztendlich auch politisch geklärt werden.

 

Wenn in der Debatte gesagt wird, dass der Standort den Standpunkt bestimmt, da muss man schon festhalten, dass die FPÖ, auch wenn sie jetzt vom bisherigen Wahlrecht etwas profitiert hat, die Linie gehalten hat und auch dabei geblieben ist und eben nicht hergeht und sagt, so, jetzt sind wir in einem Bereich, wo es uns vielleicht nützlich ist, jetzt wollen wir das auf einmal nicht mehr. – Ich glaube, diesen Vorwurf braucht man sich nicht anhören zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Denken Sie vielleicht auch an das deutsche Wahlrecht, da gibt es die Erst- und die Zweitstimme. Da gibt es Überhangmandate für jene Parteien, die viele Grundmandate bekommen. Auch das hat es bisher gegeben. Wie gesagt, der Modelle gibt es sehr viele. Es ist halt letztendlich eine politische Entscheidung, und das ist dann eine Mehrheitsentscheidung, wie das Wahlrecht gestaltet werden soll. Ich finde es wichtig, und es ist schade, dass die gemeinsamen Spielregeln nicht gemeinsam erarbeitet werden, und das ist eigentlich ein schlechtes Entree in diese Legislaturperiode. Das wird sich wahrscheinlich wieder wie ein roter Faden durchziehen.

 

Personalisierung des Wahlrechts, auch das ist ein wichtiges Thema. Nur, je personalisierter das Wahlrecht wird, desto löchriger muss auf der anderen Seite auch der Klubzwang werden. Auf der einen Seite Abgeordnete zu haben, die unmittelbar legitimiert im Wahlkreis sind, und gleichzeitig von diesen Abgeordneten zu verlangen, dass eine Einheitslinie vertreten wird oder zu vertreten ist, das passt auch nicht wirklich zusammen. Ich glaube, da sind viele Dinge nicht zu Ende gedacht.

 

Wenn gerade von den NEOS, die ja für sich in Anspruch nehmen, eine liberale Partei zu sein, Vorschriften kommen, wie Parteien zu ihren Listen kommen, dann sage ich, das ist eigentlich keine liberale Einstellung,

 

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