«  1  »

 

Landtag, 22. Sitzung vom 27.02.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 28

 

Genfer Flüchtlingskonvention für den Staat Österreich, für die österreichische Bundesregierung? Und hier, meine Damen und Herren, ist die Forderung der Flüchtlinge nach Aufhebung von Dublin II berechtigt, weil das Dublin-II-Abkommen das Problem nicht löst. Dublin II schiebt das Problem an die Randländer Europas wie Griechenland, Polen und alle anderen Länder. Man versucht dann, Rücknahmeabkommen mit der Türkei oder anderen Ländern abzuschließen. Das heißt, wir haben damit kein Mittel in der Hand, mit dem wir mit der Flüchtlingspolitik fertig werden, denn wenn die Flüchtlinge in Griechenland, in der Ukraine, in Polen oder sonst wo untergebracht werden, dann muss sich die Europäische Union damit beschäftigen. Wenn sich die Europäische Union damit beschäftigt, muss sich auch Österreich damit beschäftigen, weil Österreich gleichzeitig Mitglied der Europäischen Union ist.

 

Und überhaupt, meine Damen und Herren, wie bei uns dieses Thema diskutiert wird, so billig, so ohne Niveau diskutiert wird! Ob ein Flüchtling in unser Gesundheitssystem einwandert, in unser Sozialsystem einwandert, das ist so eine seichte Debatte. Wenn wir in Österreich eine Grundversorgung haben, dann hat diese Grundversorgung einen Grund, meine Damen und Herren. Dieser Grund ist, dass es weltweit eine Fluchtbewegung gibt, dass weltweit Menschen vor Systemen flüchten müssen, vor Kriegsregionen flüchten müssen, mit denen die Europäische Union und Mitglieder der Europäischen Union enge politische und wirtschaftliche Beziehungen pflegen. Die Europäische Union ist einer der größten Player auf dieser Welt, einer der wichtigsten Player auf dieser Welt. Die Europäischen Union und Mitglieder der Europäischen Union haben Soldaten in Afghanistan. Wir kennen die Situation in Pakistan, wir kennen die Situation in Afrika. Die französische Armee war letztens in Mali. All diese Konflikte, meine Damen und Herren, führen dazu, dass Flüchtlingsströme entstehen.

 

Wenn wir diese Flüchtlingsströme an der Wurzel packen wollen, wenn wir wollen, dass Menschen zu Hause bleiben können und dass sie keinen Fluchtgrund haben, dann muss die Europäische Union, dann müssen die Mitgliedsstaaten die Zusammenarbeit mit den korrupten und Gewaltregierungen dieser Welt aufkündigen. Das ist die Ursache des Problems, meine Damen und Herren. Wenn wir über die Ursache der Probleme nicht reden, werden wir hier selbstverständlich diskutieren, ob die Betreuung eines Flüchtlings 14 EUR oder 17 EUR kostet. Aber das löst das Problem nicht.

 

Es gibt weltweit über 20 Millionen Flüchtlinge, die zu einem Bruchteil, zu einem winzigen Bruchteil in Europa angelangt sind. Und das zu einem riesengroßen Problem zu machen, die Menschlichkeit zu vergessen, um einfach daran zu denken, ja, wir sind im Wahljahr, wir haben eine Wahl zu schlagen und wir haben kein Thema mehr, deshalb gehen wir auf die Flüchtlinge los, das ist schäbig, meine Damen und Herren. Das sollte man nicht tun, das sollte man lassen.

 

Beim vorangegangen Gemeinderat hat der Kollege Rösch, glaube ich, von der FPÖ sämtliche Hilfsorganisationen, Flüchtlingsbetreuungsorganisationen als kriminelle Organisationen, als Teil der Asylindustrie bezeichnet, und da bin ich herausgegangen und habe gesagt, ja, Sie bezeichnen Caritas, Diakonie und all diese Organisationen als Teil dieses Systems. Da hat er eine tatsächliche Berichtigung gemacht und hat gesagt, nein, ich habe nicht Caritas und Diakonie gemeint. Hier in Ihrem heutigen Antrag wird von einer Asylindustrie gesprochen, und siehe, wer da oben steht: die Caritas. Also tun Sie nicht so, reden Sie nicht doppelzüngig. Sie sehen in der Caritas und in allen anderen Betreuungsorganisationen die sogenannte Asylindustrie.

 

Meine Damen und Herren! Wenn Flüchtlinge zu uns kommen, gehören sie betreut. Dazu brauchen wir gute Einrichtungen, dazu brauchen wir professionelle Einrichtungen, die diese Betreuung abwickeln können. Caritas, Diakonie und ähnliche Organisationen gehören zu diesen Organisationen, die diese Flüchtlinge betreuen. Na, sollen diese Flüchtlinge unbetreut in Österreich herumirren? Nein, das wollen wir nicht. Daher ist die Aufgabe dieser Organisationen eine ganz, ganz wichtige.

 

Aber ich möchte gerne über Asylindustrie sprechen. Die größte Asylindustrie findet derzeit auf dem afrikanischen Kontinent statt. Dort gibt es sogenannte Auffanglager, die von der Europäischen Union finanziert werden, damit die Flüchtlinge nicht über das Mittelmeer nach Österreich kommen. Wissen Sie, wer einer der größten Organisatoren dieser Auffanglager war? Der Herr Berlusconi und der Gaddafi. In ihren Geschäften – das war 2008, wenn ich mich nicht irre – hat der Gaddafi den Herrn Berlusconi besucht, hat sein Zelt in Rom aufgeschlagen, und einer der wichtigsten Punkte des Geschäftes war: Wie können wir die Flüchtlinge in Afrika aufhalten, damit sie nicht nach Europa kommen? Berlusconi war damals beteiligt an der Regierung – mit wem? Mit der Lega Nord, mit Ihrer Schwesterorganisation, mit der Schwesterorganisation der FPÖ. Also da sehen, wir wer über Flüchtlinge Geschäfte macht. Durch die Schwesterorganisation der FPÖ in Zusammenarbeit mit Berlusconi und mit einem Diktator, der nicht mehr am Leben ist, werden mit Flüchtlingen Geschäfte gemacht. Also werfen Sie in Österreich arbeitenden Organisationen und freiwillig tätigen Menschen, die den Flüchtlingen helfen, im Land zurechtzukommen, und die sie betreuen, nicht vor, Teil einer Asylindustrie zu sein.

 

Gibt es kein Schlepperwesen? Natürlich. Ich sage das auch. Wieso soll man das verschweigen? Selbstverständlich gibt es Schlepperwesen, aber wodurch wird das begünstigt? Das wird durch die Restriktion begünstigt. Weil die Flüchtlinge nicht mehr selber die Möglichkeit haben, irgendwo in Europa Fuß zu fassen, sind sie den Schleppern ergeben. Sie haben auch ihre letzten Mittel dafür investiert, dass sie in Sicherheit leben können. (Abg Armin Blind: Aha! Keine Regeln – kein Problem! Das ist Ihre Logik!)

 

Ich bitte Sie alle, stellen Sie sich ein Land vor, in dem Kriegszustand herrscht. Sie wissen, ich komme aus der Türkei, und ich kenne die Situation dort auch sehr gut, wenn es um Türken-Kurden-Konflikte geht. Viele Eltern machen sich Gedanken und Sorgen darüber, ob ihre

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular