«  1  »

 

Landtag, 21. Sitzung vom 07.01.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 15 von 30

 

es ganz, ganz mutig und wichtig, dass die oberste moralische Instanz in Österreich sich dazu äußert und Solidarität mit diesen Menschen verlangt, Solidarität von der Politik. Kardinal Schönborn und Caritas und auch die Vertreterin der Ordensfrauen möchten, dass diese Menschen hier ein menschenwürdiges Leben führen können.

 

Was war der Auslöser zu dem Ganzen? Sie wissen, dass das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen überfüllt war. Dort gibt es Platz für nur 450 Personen, aber bis vor dem 24. November haben dort über 1 000 Menschen, nämlich 1 400 Menschen gelebt. Die Flüchtlinge haben mit dieser Aktion eines an den Tag gelegt: Irgendetwas stimmt in diesem System nicht. Und die Freiwilligkeit der Bundesländer, ihren Quoten nachzukommen, ist auch nicht vorhanden gewesen. Diese Aktion hat die Hebel in Gang gesetzt, sodass der Bundeskanzler zu einem Asylgipfel einladen musste – auch dort vor dem Bundeskanzleramt war ich –, bei dem die Landeshauptleute darauf aufmerksam gemacht worden sind, dass sie ihre Quoten erfüllen müssen.

 

Wien und Niederösterreich haben ihre Quoten erfüllt. Der Umgang von Wien mit der Erfüllung der Quoten ist beispielhaft. Für uns zählt in erster Linie der Mensch. Die anderen Bundesländer sind dann nachgekommen und haben die Quoten erfüllt. Aber es ist etwas ganz, ganz Wichtiges noch herausgekommen. Wien ist in Europa eingebettet und eine der schönsten und besten Städte Europas, aber wir sind nochmals draufgekommen, dass sehr viele Probleme durch das Europarecht verursacht werden. Die Dublin-II-Regelung, die Fingerabdrückeregelung, all das macht es den Menschen nicht möglich, sich frei zu bewegen.

 

Man kann nun hergehen und sagen, diese Menschen haben ja in ihren Herkunftsländern nicht das Beste vom Leben gehabt. Sie sollen doch froh sein, dass sie da in irgendeinem Heim untergebracht worden sind, und sie sollen überhaupt froh sein, dass sie hier Schutz finden. Uns allen geht es hier gut, meine Damen und Herren. Wir verdienen gut, wir leben gut. Während die Hungerstreikenden in der Kirche – Hungerstreik in Klammer, weil sie ja trinken, Suppe essen und warme Getränke zu sich nehmen –, während diese Menschen auf ihre Anliegen aufmerksam machen wollten durch ihre Aktion, haben viele von uns mit Sektgläsern oder Champagnergläsern das neue Jahr gefeiert. Um das Leid der Menschen zu sehen, braucht es ein inneres Auge, es reicht nicht nur das äußere Auge. Das innere Auge heißt, mit diesen Menschen mitfühlen zu können, mitleiden zu können. Dieses Mitleiden erfordert eine große Menschlichkeit, und das internationale Abkommen zum Schutze der Menschen ist auch dazu da, dass wir dieses innere Auge entwickeln.

 

Ich begrüße ausdrücklich die Menschen, die in der Kirche derzeit für ihre Anliegen eine Aktion setzen. Diese Menschen öffnen uns gleichzeitig die Augen dafür, was es heißt, Mensch zu sein, was es heißt, die Sorgen und das Leid der Menschen zu verstehen. Und von daher, meine Damen und Herren, sehen wir uns in Wien gezwungen, dieses Thema freiwillig anzusprechen. Das ist ein Thema, das die gesamte Öffentlichkeit bewegt.

 

Wir haben derzeit eine sehr gute mediale Berichterstattung zu diesem Thema. Die Flüchtlinge werden von den Medien nicht angegriffen, auch nicht von der „Kronen Zeitung“, es gibt ein sehr gutes Interview mit einer Caritas-Vertreterin von „Heute“. Die „Heute“-Zeitung greift die Flüchtlinge nicht an und sonst alle anderen Medien auch nicht. Ganz im Gegenteil. Es gibt auch sehr, sehr großes Verständnis dafür, dass die Forderungen der Flüchtlinge, soweit sie im nationalen Rechtsbereich liegen, aufgegriffen und umgesetzt werden. Den Unterstützerinnen und Unterstützern gilt ein großes Dankeschön von mir. Das sind Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, Menschen, die darauf Wert legen, dass die Menschlichkeit bei uns eingehalten wird. Das sind Menschen, die ihre Tage und Nächte dafür eingesetzt haben, dass die Stimmen der Flüchtlinge auf Gehör stoßen.

 

Ich appelliere hier vor allem an die Österreichische Volkspartei – Kardinal Schönborn ist nicht irgendjemand, Kardinal Schönborn ist eine sehr wichtige Person in diesem Land, und es gilt auch ein Dankeschön an die Caritas, die derzeit die Vermittlungsgespräche führt und es den Flüchtlingen möglich macht, dass sie in der Kirche bleiben –: Schließen Sie sich der Linie von Caritas an! Schließen Sie sich der Linie von Kardinal Schönborn an! Ich hoffe, dass Sie auch in Ihr Gewissen hineinschauen werden und die Situation dieser Menschen verstehen werden, und ich bitte Sie und fordere Sie auf, für die Flüchtlinge Verständnis aufzubringen und ihre Anliegen zu unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass jeder Abgeordnete sich nur ein Mal zu Wort melden darf und die Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist. Als nächster Redner hat sich Herr StR Mag Juraczka gemeldet. – Bitte, Herr Stadtrat.

 

12.19.35

StR Mag Manfred Juraczka|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Auch von meiner Seite ein frohes Neues Jahr! Ich freue mich, dass wir hier gleich bei der ersten Sitzung doch ein sehr wichtiges Thema erörtern, das leider Gottes aber auch Sprengstoff in sich hat, wieder einmal dazu zu führen, zu polarisieren und von der einen wie von der anderen Seite zu Unsachlichkeit und zu Hetze Anlass zu geben.

 

Daher möchte ich ganz bewusst gleich am Beginn meiner Ausführungen daran erinnern – und ich glaube, darauf können wir alle, darauf können alle Fraktionen stolz sein –, dass Österreich eine lange humanitäre Tradition im Asylwesen hat. Hunderttausenden Menschen wurde in Österreich in den letzten Jahren und Jahrzehnten geholfen. Sie wurden aufgenommen – ich denke nur an den Prager Frühling, ich denke an die Ungarn-Krise – und wurden damit vor Verfolgung in ihren Heimatländern geschützt. Auch der UNO-Hochkommissar hat Österreich mehrfach in seinem Jahresbericht für die Qualität des hiesigen Asylverfahrens gelobt.

 

Es kann dennoch Missstände geben, da bin ich

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular