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Landtag, 11. Sitzung vom 27.01.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 68

 

hatten. Wir haben mehr Arbeitslosigkeit - auch wenn wir in Österreich bessere Zahlen haben -, wir haben eine höhere Armut.

 

Man darf sich natürlich nicht wundern, wenn die Demokratie, die dann hoch gelobt wird, und die demokratische Europäische Union ins Rutschen kommen. Das ist ja logisch! Wenn ganz, ganz viele Leute von einem System nicht profitieren, darf man sich nicht wundern, wenn sich die Leute schön langsam verabschieden und sagen, sorry, das mag schon sein, dass ihr mir das als schönes Instrument verkaufen wollt, aber wenn ich meinen Kühlschrank nicht voll kriege und im Winter nicht heizen kann, dann habe ich nicht so viel davon!

 

Das macht Tür und Tor offen für diejenigen, die so tun, als ob die Lösung darin bestehen würde, dass man noch mehr Konkurrenz hat - nämlich wieder zurück in den kleineren Rahmen - und noch mehr gegeneinander arbeitet, und dann werden schon ein paar davonkommen. Das ist wahrscheinlich nicht einmal falsch; wenn am Schluss wieder hundert gegeneinander spielen, werden ein paar gewinnen und ein paar verlieren. Aber so stelle ich mir weder ein Europa noch eine Welt noch ein Österreich vor!

 

Im Gegeneinander wird es immer eine ganze Menge Verlierer geben. Die einzige Chance entsteht aus diesem Europa, und deswegen bin auch ich kritischerer Befürworter und nicht nur ein glühender. Aber es wäre ein bisschen lächerlich, wenn jemand mit französischen, schottischen, englischen und Vorarlberger Vorfahren und einer holländischen Ehefrau zu sagen anfängt, das will ich alles nicht. Denn ich wollte nicht nur in Vorarlberg sein. Es ist dort wunderbar, und es ist dort nicht zu klein, wie auch schon einmal jemand gesagt hat. Es ist wunderschön in Vorarlberg, aber ich wollte nicht ausschließlich dort mein Leben verbringen. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich den Rest meines Lebens in Wien verbringe, auch wenn es da im Moment wunderbar ist und ich gerne hier lebe. (Abg Mag Wolfgang Jung: Hängt von den Wahlergebnissen ab, gell!)

 

Funktionieren tut das Ganze nur in der Zusammenarbeit. Soziale Verantwortung erwächst nicht aus der Konkurrenz, sondern aus einem Miteinander. Das ist ganz einfach, das ist nicht einmal so ein schwieriger Satz. Man kann nicht sozial verantwortungsvoll denken, wenn man in erster Linie die Konkurrenz im Auge hat.

 

Was sind denn Lösungsvorschläge für die dringendsten Probleme, die wir haben: das Demokratiedefizit und die soziale Frage? Dass wir ein Demokratiedefizit innerhalb der Europäischen Union haben, das ist zum Beispiel anhand eines Landes - damit gehe ich zurück auf die nationale Ebene - wie Ungarn zu sehen. Es hat leider niemand von der Volkspartei ein Wort für Herrn Orbán gefunden. Er ist immer noch der Vizepräsident oder Vizevorsitzende, ich kenne den Titel nicht genau, aber ein Vizechef der europäischen Volksparteien, der in seinem Land schön langsam etwas einzieht, was nicht mehr ganz den westlichen Demokratiestandards entspricht. Es wird zwar scharf kritisiert quer durch Europa, aber leider heute von der ÖVP kein Wort dazu.

 

Meinungsfreiheit auszubauen und Demokratie auszubauen, bedeutet eines nicht, und da muss ich auf den Abg Mölzer kurz eingehen. Ich war heute Vormittag bei der Gedenkveranstaltung am Heldenplatz. Heute ist 67. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung, es war dort eine große Veranstaltung mit sehr bewegenden Reden. Das ist der UNO-Gedenktag für die Holocaust-Verbrechen. Unter anderem ist dort auch zur Sprache gekommen, dass wir um Demokratie immer werden kämpfen müssen, dass das nie fertig ist. Darüber darf man sich nicht in Sicherheit wiegen.

 

Zitiert wurde Václav Havel, der gesagt hat - ich habe das Zitat nicht hundertprozentig sicher, aber dem Sinn nach -: Demokratie bindet denen die Hände, die sie ernst nehmen, und Demokratie macht denen alles möglich, die sie nicht ernst nehmen. Das ist jetzt kein Problem, denn ich will ja nicht zu denen gehören, die sie nicht ernst nehmen. Aber auf Meinungsfreiheit zu pochen und unter dem Titel Meinungsfreiheit Rassismus zu verkaufen, das Aufeinanderhetzen von Leuten - es tut mir leid, aber Rassismus und Antisemitismus haben nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, sondern sind in meinen Augen nicht nur politische Fehler, sondern politische Verbrechen! Dahinter verstecken Sie sich. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Dahinter verstecken Sie sich, aber ich habe insofern kein Problem damit, als ja mittlerweile - da Sie am Ulrichsberg ohne Bundesheer auskommen müssen - der 8. Mai auch in Österreich zum Tag der Befreiung wird und das Nowotny-Grab kein ehrenvolles mehr ist. Es ist auch der WKR-Ball heute das letzte Mal in der Hofburg; ich begrüße das ausdrücklich. (Abg Mag Wolfgang Jung: Warten wir es ab!) Das ist für mich wunderbar! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Sie haben eben Probleme damit, dass man Ihnen nicht nur ein Symbol, sondern für Sie Wichtiges eines nach dem anderen wegnimmt. Aber das zeigt auch, wie wir in dem Land in Wirklichkeit aufgestellt sind. Sie sind die wenigen, alle anderen eben nicht nur ein paar linke Spintisierer und ein paar Krawallmacher, wie Sie das gerne darstellen würden, sondern alle Kirchen - heute hat wieder der evangelische Bischof gesprochen, von der IKG der Herr Muzicant. (Abg Mag Wolfgang Jung: Wie viel Prozent haben Sie und wir bei Wahlen?) Wenn Sie sich also die Unterstützer und Unterstützerinnen derjenigen ansehen, die mit Ihrem Demokratieverständnis ein Problem haben, dann ist das eine sehr, sehr breite Organisation. Fast alles praktisch, es sind ja alle dabei; die FPÖ steht nicht oben, und der Rest steht dabei. (Zwischenruf von Abg Mag Wolfgang Jung.) Herr Jung! Ich habe jetzt den Zwischenruf nicht gehört, aber ich nütze es, wenn Sie mit mir sprechen wollen!

 

Sie haben vorher gesagt, dass wir nur noch Befehlsempfänger in den einzelnen Ländern der Europäischen Union sind. – Sie waren Ihr ganzes Leben beim Bundesheer, also sollten ja gerade Sie es doch gewohnt sein, Befehlsempfänger zu sein! Das soll jetzt nicht das Problem sein! – Herr Darabos hat Ihnen einen Befehl gegeben und hat gesagt: „Herr Jung! Heute Abend keine Uniform! Und was tun Sie?“ – Sie tragen keine Uniform! Also Sie sind es ohnedies gewohnt, Befehle zu empfan

 

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