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Landtag, 6. Sitzung vom 30.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 69

 

der nennt sich „unnützes Herumfahren".

 

In Zürich hat man ein Bürgerbeteiligungsverfahren mit allen Beteiligten gemacht und geschaut, wo Laufhäuser, wo Bordelle möglich und verträglich sind.

 

In Hamburg, das wissen wir alle, ist St Pauli historisch gewachsen.

 

In Dortmund hat man – das ist auch recht spannend – das insgesamt unter den Aspekt des Gaststättenrechtes gestellt. Man wollte dort selbstorganisierte Laufhäuser fördern. Das ist so, wenn drei Frauen sich zusammenschließen und eine die Verantwortung übernimmt, braucht man keine Konzession, nur einen Gewerbeschein.

 

Das heißt, alle Länder versuchen, bestmöglich damit umzugehen.

 

Wir haben uns gemeinsam mit Frau StRin Frauenberger und auch mit Kollegin Straubinger, mit JuristInnen, mit dem NGO-Bereich und dem Polizeibereich intensivst damit beschäftigt, welches Modell wir übernehmen könnten oder welche Teilbereiche wir übernehmen könnten, denn Prostitution ist nicht wirklich in Wien erfunden worden, man muss ja nicht immer bei null beginnen.

 

Jetzt muss ich den Bogen noch ein Stück weiter spannen, weil ich mich weigere, das technokratisch abzuhandeln. Ich lese Ihnen einen Absatz vor, der da lautet: „Da im Zusammenhang mit Prostitution häufig Leichtsinn, Unerfahrenheit, Triebhaftigkeit und Trunkenheit von Personen ausgenützt werden, sind Verträge über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt sittenwidrig."

 

So ist die Situation in Österreich. Wir haben die Sittenwidrigkeit. Das heißt, Prostitution ist nicht verboten, als Gewerbe nicht erlaubt, ist nicht vertragswürdig, weil sittenwidrig. Man kann die Dienstleistung legal anbieten, wenn man volljährig ist, den „Deckel" hat und regelmäßige Untersuchungen macht. Man muss das Einkommen beim Finanzamt melden, auch bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ist man gemeldet, man darf keine Arbeitsverträge machen. Weiters haben wir noch – und das macht es noch klarer, wie scheinheilig wir mit diesem Thema umgehen –, dass Asylwerberinnen zwar nicht arbeiten dürfen hier in Österreich, aber als Prostituierte dürfen sie, wenn sie den "Deckel" haben, arbeiten.

 

Da würde ich gerne eine Zitat von Karl Kraus aus dem Jahr 1913 bringen: „Nach österreichischem Gesetz kann zwar die Inserentin, die ihren Körper vermietet hat, den Gewinn nicht einklagen, wohl aber der Verleger die Provision." – Willkommen im 21. Jahrhundert! Das ist auch ein Aspekt, der natürlich eine Rolle spielt, wenn wir da jetzt verhandeln und das Bestmögliche machen wollen, um die Situation zu verbessern.

 

Jetzt schauen wir uns die Situation in Wien an. Wir sind uns, glaube ich, alle einig – das ist aber, glaube ich, das Einzige –, dass die sehr komplizierte Schutzzonenregelung unpraktikabel ist und zukünftig war, weil es sie nicht mehr geben wird. Es hat sich niemand ausgekannt, weder die Sexarbeiterin noch die Prostituierte noch die Polizei noch die Anrainer und Anrainerinnen, wo die Frauen stehen dürfen und wo nicht. Auf der einen Straßenseite sind sie bestraft worden, auf der anderen nicht. Das heißt, es war ein bisschen ein Spießrutenlauf, der natürlich auch zur Vertreibung geführt hat. Man hat es immer enger gemacht.

 

Allein im 15. Bezirk sind 85 Prozent des gesamten Bezirks Schutzzone, und je enger man das gemacht hat, desto mehr ist es natürlich zu Konflikten mit den Anrainern und Anrainerinnen gekommen. Das hat massiv zugenommen auf engem Raum. Man hat versucht, mit Kriminalisierung und mit recht hohen Strafen damit umzugehen. So hat es etwa kein Angebot von Minderjährigen gegeben, denn die wurden nämlich mit bis zu 1 000 EUR bestraft.

 

Das heißt, wir haben in Wien offiziell 2 200 gemeldete Prostituierte. Wir haben auch – auf die wird immer wieder vergessen – 70 angemeldete männliche Prostituierte. Wir wissen alle – aber das sind Schätzungen von Experten und Expertinnen –, dass es in Wien zirka 5 000 Prostituierte beziehungsweise Sexarbeiterinnen gibt, die aktiv sind.

 

In Deutschland gibt es Schätzungen – darüber kann man natürlich streiten, wie man grundsätzlich über alles streiten kann –, wie viele Freier pro Nacht eine Sexarbeiterin aufsuchen. Man hat es sehr minimal angesetzt und geht von mindestens drei Personen aus. Demnach haben wir auch täglich und nächtlich 15 000 Freier in Wien.

 

Der nächste Punkt, der mir auch sehr wichtig ist, damit wir nicht zu eng werden, das ist der öffentliche Raum. Wem gehört der öffentliche Raum? Wir diskutieren dieses Thema und ob man das alles verbieten soll oder nicht, ja nicht nur bei der Sexarbeit und Prostitution, sondern wir diskutieren das auch bei Bettlern und Bettlerinnen, bei Drogenkranken, bei Obdachlosen, also bei allen, die den öffentlichen Raum benützen. Da gibt es dann immer wieder Konflikte, immer wieder die Frage, wie geht man mit den Konflikten um, wie viel ist sozial verträglich.

 

Ich sage hier ganz eindeutig, dass der öffentliche Raum uns allen gehört. Es ist mir wichtig, das mitzutransportieren, weil es, wenn man sich das anschaut in den letzten Jahrhunderten, eine Entwicklung gegeben hat, was jetzt Straßenprostitution anlangt. Sie ist vor allem im 19. Jahrhundert sehr stark zum Thema geworden, weil die Nacht belebter geworden ist. Das hat sich dann zunehmend entwickelt, und ich nehme ein Beispiel heraus, wie es zu diesen Verdrängungen, zu diesen permanenten Ortswechseln gekommen ist. Spittelberg war früher einmal dafür bekannt, dass es das Viertel ist, wo Straßenprostitution stattfindet. Das heißt, der ganze urbane Raum ist in Bewegung, und die ganze Frage, wem der öffentliche Raum gehört, müssen wir auch hier in dieser Angelegenheit berücksichtigen.

 

Der nächste Punkt sind die Anrainer und Anrainerinnen. Sandra Frauenberger hat zu einem Dialogforum eingeladen, und zwar mit allen Beteiligten, um zu schauen, wo die Hauptprobleme sind. Sie war der Meinung: Hören wir es direkt, hören wir es nicht über Umwege, gefiltert von irgendwelchen Parteien, sondern setzen wir uns hin und diskutieren darüber: Wo sind die Hauptprob

 

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