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Landtag, 3. Sitzung vom 27.01.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 40 von 43

 

wenn wir diese Systemschwächen nicht beheben. Und zwar nicht so, dass wir auf den 100-Prozent-Lösungsvorschlag warten, sondern wir sind für jeden einzelnen Schritt, den wir nicht setzen, verantwortlich. Und ich ersuche Sie, unseren Antrag in dem Sinne zu sehen. Jeder einzelne Schritt, der in die Richtung geht, ist richtig, auch wenn es später dann Möglichkeiten für größere Schritte gibt. Machen wir jeden kleinen Schritt, der erforderlich ist. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Wenn wir darüber nachdenken, ob es ein Systemproblem gibt, dann nimmt man am besten Zahlen zur Hand. Wir sind in der Lage, auf Zahlen zu schauen und die Zahlen entnehme ich dem Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft für das Jahr 2009. Es gab im Jahr 2008, so wird berichtet, 11 312 Befassungen. Das ist offensichtlich der Begriff für Anzeigefälle von vermuteter Kindeswohlgefährdung wegen oder durch Gewalt. Dann wird zitiert, dass es im Jahr 2000 3 500 Gefährdungsfälle gegeben hat, und das bedeutet ungefähr ein Drittel. Und jetzt sage ich bewusst nicht das Wort nur dazu, weil nur in diesem Zusammenhang, wo jeder einzelne Fall tragisch und zu verhindern ist, wäre nur falsch, aber ich wollte einfach transparent nebeneinander stellen, 2008 sind es 11 300 Befassungen und 2000 3 500 Gefährdungsfälle.

 

Jetzt möchte ich auch nicht auf eine soziologische Ursachenforschung für diese Explosion der Gefährdungsfälle, der Fälle angezeigter Gewalt gegen Kinder, eingehen. Ich möchte deshalb, weil ich am Ende doch noch hoffe, dass Sie diesem Antrag im Sinne des Wohles der unschuldigen und wehrlosen Kindern zustimmen werden, auch nicht tiefer darauf eingehen, dass es Expertenstudien gibt, dass es Beobachtungen gibt darüber, dass es einen Bereich gewaltbereiterer Einstellung gibt und das wird im Zusammenhang gebracht mit islamistischen Familien.

 

Ich möchte auf das alles nicht eingehen. Es spielt dort zusammen Gewalt gegen Frauen, schlechtes Vorbild für die Kinder. Auf das möchte ich nicht weiter eingehen, ich möchte eingehen auf die rechtlichen Möglichkeiten und komme damit zum Bogen. Es ist schon gesprochen worden über die Gesetzgebung. Es ist schon darüber gesprochen worden, dass es Bundes- und Ländermaterien gibt, es ist darüber gesprochen worden, dass es einerseits das Jugendwohlfahrtsgesetz gibt, dass es dann das Strafrecht gibt, dass es Datenschutzrecht gibt, und dass es Menschenrechte gibt. Stichwort Menschenrechte, adressiert an Kollegen Wutzlhofer: Es ist eine interessante Frage, welches Menschenrecht ich höher bewerte. Bewerte ich das Menschenrecht des unschuldigen, wehrlosen Kindes auf Leben und körperliche Unversehrtheit höher als das Recht des Täters auf Datenschutz, oder sage ich, der Datenschutz für diesen Täter ist mir so wichtig.

 

Ich glaube, die Entscheidung kann für jeden nur klar sein: Das Menschenrecht des unschuldigen, wehrlosen Kindes auf Leben und körperliche Unversehrtheit steht über allem. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Es ist schon angesprochen worden – und ich möchte da so ein bisschen einen Bogen spannen und noch einmal zusammenfassen, damit man nicht durch die Diskussion der Details den Blick auf das große Anliegen verliert -: Es ist einerseits Aufgabe der Gesetzgebung. Wir sind aufgerufen, im Rahmen der Möglichkeiten, die wir auf landesgesetzlicher Ebene haben, unsere Schritte zu setzen. Wir sind in der Lage, den Bundesgesetzgeber auf Probleme und Möglichkeiten hinzuweisen. Das hat der erwähnte Antrag im Bereich der Gesetzgebung zum Gegenstand.

 

Daneben gibt es die Vollziehung, und in der Vollziehung ist es jetzt so: Ich glaube, man kann es sich nicht so einfach machen und grundsätzlich sagen, es gibt Initiativen, die Welt ist in Ordnung - insbesondere auch deshalb nicht, weil es zum Beispiel einen Bericht der Volksanwaltschaft gibt, in dem festgestellt wird, dass besonders im Bereich der Ausbildung große, gravierende Mängel bestehen. Es gibt den Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien, wo die Ausdünnung der Personalstrukturen angeprangert wird. Und ich sage das Ganze vor dem Hintergrund, dass, wie ich eingangs erwähnt habe, die Zahlen belegen, dass die Anzahl der Fälle, in denen diese Institution befasst wurde, explodiert ist. Das heißt, bei einem Anstieg von 3 000 auf 11 000 Fälle müsste man das eigentlich auch am Mitarbeiterstand sehen. Man sieht es aber nicht, es sind ja die Zahlen heute genannt worden. Die personelle Ausstattung wird dieser Situation in keiner Weise gerecht, und jetzt sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer besonders unangenehmen und unerträglichen Situation: Auf der einen Seite wird ein dramatisch steigender Arbeitsanfall festgestellt, ebenso wie eine dramatisch gestiegene Verantwortung, weil an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Jugendwohlfahrt, die ja auch eine idealistische Einstellung haben, diese Schicksale nicht spurlos vorbeigehen. Und dann kommt noch eine Facette dazu, nämlich bei tragischen Unglücksfällen die mediale Verfolgung auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jugendamt.

 

Und da möchte ich kurz den von Kollegin Straubinger zitierten „Presse"-Artikel ansprechen, der bringt nämlich diese Dramatik für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendwohlfahrt zum Ausdruck. Ich zitiere nur den Einleitungssatz, in dem der zitierte Familienrichter Folgendes aussagt: „Politik und Medien stempeln in Fällen wie Luca und Cain das Jugendamt zum Sündenbock." – Okay, das ist das, was ich angesprochen habe: Das Jugendamt wird verantwortlich gemacht. Dann kommt aber der zweite Halbsatz: „Der Ruf nach dem Strafgericht ist aber überzogen."

 

Meine Damen und Herren! Wir sind in einer Diskussion, wo man darüber nachdenkt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendwohlfahrtsämter und –behörden persönlich strafrechtlich zu verfolgen. Und zu dieser drohenden persönlichen Verfolgung der Mitarbeiter hat dann dieser Richter seine Aussagen gemacht, dass er die wahren Ursachen woanders sieht. Er hat aber keine Aussage getroffen, die dem heutigen Antrag, unserem ersten Schritt, widersprechen würde.

 

Deshalb: Aus dieser Situation für die Mitarbeiter kommt im Ergebnis der zweite Teil unseres Antrags

 

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