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Landtag, 14. Sitzung vom 22.11.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 24 von 55

 

dass man sich durchaus die Frage stellen soll, wo soll ein Mensch überall wahlberechtigt sein. Wie viele Orte kann es geben, an denen er tatsächlich Interessen hat, an denen er tatsächlich auch die politischen Entwicklungen mitverfolgen und an denen er oder sie diese auch mitbestimmen kann, wie die Zukunft aussehen und wie es da weitergehen soll. Und es gibt viele, die dazu der Meinung sind, wichtig ist, dass ein Mensch dort auf kommunaler Ebene wahlberechtigt ist, wo er oder sie wohnt, und nur dort, das heißt, wo man unmittelbar seinen Wohnsitz hat.

 

Das würde nach dieser Philosophie beispielsweise bedeuten, wenn Sie so möchten, denn die Gesetzeslage sieht ja derzeit völlig anders aus, aber nichtsdestotrotz würde das für Wien bedeuten, dass alle Menschen, die in Wien leben, auf kommunaler Ebene wahlberechtigt sind, und zwar ungeachtet dessen, welche Staatsbürgerschaft sie haben. Es würde also bedeuten, dass Zuwanderer in Wien wahlberechtigt sind, es würde bedeuten, dass Auslandsösterreicher auf kommunaler Ebene dort wahlberechtigt sind, wo sie tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt haben, nämlich in jenem Land, wo sie leben.

 

Und es gibt schon durchaus einen Ort, wo diese Philosophie, wenn Sie so möchten, verwirklicht ist, einen Ort, jetzt virtuell, politisch betrachtet, und das ist die Europäische Union. Denn wenn wir nicht im Herkunftsland leben, haben wir bei Europawahlen die Möglichkeit, entweder die Europa-Abgeordneten des Herkunftslandes zu wählen oder die Europaabgeordneten des Landes, wo wir den Lebensmittelpunkt haben, aber nicht beide gleichzeitig.

 

Das heißt, auch hier gibt es durchaus eine andere Sichtweise. Die würde logischer- und konsequenterweise dazu führen, dass man weder das Wahlrecht für Auslandsösterreicher und –österreicherinnen befürworten kann noch das kommunale Wahlrecht für Menschen, die ihren Zweitwohnsitz in Wien haben.

 

Und auch hier haben wir es wieder, wie gesagt, mit einer Medaille zu tun, die zwei Seiten hat. Ich persönlich bin dafür, dass Menschen möglichst viel, möglichst oft und überall dort wählen können, wo sie schlussendlich selbst einen Bezug haben oder selbst für sich einen Bezug erkennen und gehe davon aus, dass auch nur diejenigen tatsächlich von diesem Wahlrecht Gebrauch machen werden, die es auch wollen, denn dort, wo man keinen Bezug mehr hat, geht man bekanntlich ganz einfach nicht wählen.

 

Anderen wiederum ist es durchaus wichtig hier festzuhalten, dass es kein kluger Weg ist, sozusagen inflationär, wenn Sie so möchten, Wahlrechte auf kommunaler Ebene zu verteilen - und es ist ganz sicher kein kluger Weg, es zu tun - und gleichzeitig eine Gruppe von Menschen auszulassen, die in dieser Stadt leben, die gar nicht wenige sind, gar nicht wenige - weit über 250 000 Menschen -, die seit 20, 30 Jahren, oder seit 10 Jahren in Wien leben und nach wie vor nicht wahlberechtigt sind.

 

Und dass der Bundesgesetzgeber gerade diese Gruppe vergessen hat, ist nach wie vor sehr bedauerlich und ich kann wirklich nur hoffen, dass irgendwann einmal, gerade bei der ÖVP, die sich sehr oft mit dem Thema der sinkenden Wahlbeteiligungszahlen befasst, die sogar jahrelang, wenn Sie so möchten, es fast als Steckenpferd angesehen hat, sich zu überlegen, wie kann ich möglichst viel Urnen, Entschuldigung, möglichst viel Menschen an die Urnen bringen ... (Heiterkeit bei den Abgeordneten.) In dem Fall sind wir gerade dabei, die Urnen zu den Menschen zu bringen, wie auch immer, ja egal, ob Menschen zu den Urnen, oder Urnen zu den Menschen, ich kann nur sagen, ich finde das sehr bedauerlich und denke, es geht auch nicht zusammen, wenn ich auf der einen Seite mir sozusagen jahrelang Gedanken mache, wie kann ich möglichst vielen Menschen den erleichterten Zugang zu einem Wahlrecht gewährleisten, und auf der anderen Seite nehme ich zur Kenntnis, dass ich Tausende, Hunderttausende von Menschen im eigenen Land habe, denen ich schlicht die Möglichkeit verwehre, auf kommunaler Ebene, das heißt, dort, wo sie leben, mitzubestimmen.

 

Insofern kann ich von dieser Stelle aus sagen, die Grünen werden sich bei der Abstimmung im Zusammenhang mit der Briefwahl unterschiedlich verhalten, sie werden voraussichtlich auch unterschiedlich abstimmen im Zusammenhang mit den ÖVP-Anträgen. Aber eine Sache gibt es, da sind wir alle dahinter mit Feuer und Flamme: Wien braucht endlich das kommunale Wahlrecht auch für Zuwanderer, (Beifall bei den GRÜNEN.) und die Bundespolitik sollte aufhören, Menschen von ihrem Recht auf Stimmabgabe abzuhalten. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsident Johann Hatzl: Zum Wort gelangt Herr Abg Ulm.

 

Abg Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Stadträtin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

 

Ich stelle fest, dass meine beiden Vorredner sehr differenziert argumentiert haben, und ich kann zu einem guten Teil diese differenzierte Argumentation nachvollziehen, auch wenn wir uns bei unserem Abstimmungsverhalten leichter tun werden als die Grünen. Wir werden diesem Gesetz mit Überzeugung zustimmen, weil wir meinen, dass die Argumente, die für dieses Gesetz sprechen, doch klar überwiegen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Uneingeschränkt zustimmen kann ich meiner Vorrednerin, was das proportionale Wahlrecht, was das faire Wahlrecht in Wien betrifft. Selbstverständlich muss man auch am heutigen Tag wieder darauf hinweisen, dass nicht jedes Mandat in dieser Stadt gleich teuer ist und somit nicht jede Stimme gleich viel zählt, und dass die SPÖ als stärkste Fraktion in diesem Haus - auch wenn sie nicht die absolute Mehrheit an gültig abgegebenen Stimmen hat, mit 49 Prozent also -, bei einem Verhältniswahlrecht hier 55 von 100 Sitzen innehat.

 

Ich weiß, das ist dem Herrn Präsidenten immer ein großes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass das nicht an sich etwas Unfaires oder Ungerechtes ist, denn es gibt im anglo-amerikanischen Raum ganz andere Wahlrechte, nämlich Mehrheitswahlrechte. (Abg Christian

 

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