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Landtag, 22. Sitzung vom 30.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 104

 

Jetzt geht es in Zukunft um zumindest 600, 700 Millionen EUR und von Ihnen gibt es nichts. Und dann sagen Sie tatsächlich, es ist offen, es ist transparent, jeder hat mitarbeiten können. Wie schaut es denn - und da kommen wir zum nächsten Punkt - in dem heutigen Gesetz aus? Der Bgm Häupl hat es wortwörtlich gesagt, dass es Übergangsfristen gibt, bis man satzungskonform arbeiten kann. Sind hier herinnen Übergangsfristen definiert? Nein. Das, was mit morgigem Tag passiert, wenn der Fonds Soziales Wien operativ tätig wird, ist dass breite Teile des sozialen Bereichs, des Pflegebereichs, des Behindertenwesenbereichs an einen Sozialhilfeträger übergeben werden, der von seinem ersten Tag weg nicht seinen eigenen Satzungen konform arbeiten wird. Ein super Aushängeschild für die Sozialpolitik in Wien.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das lehnen wir ab. Wenn man einen Fonds Soziales Wien wirklich ernsthaft vorbereitet und wirklich davon sprechen will, die Opposition mit einzubeziehen, dann wären die Richtlinien fertig, dann gäbe es ein Budget, dann wäre klargestellt, wie satzungskonform gearbeitet werden könnte. All das erfolgte nicht, sondern was haben Sie gemacht? Sie haben eine Husch-Pfusch-Lösung gemacht. Zunächst einmal wollten Sie gleich alles Mögliche des hoheitlichen Bereichs an den Fonds Soziales Wien mit übertragen. Ich habe ja den ersten Gesetzesentwurf auch hier, den ursprünglichen Entwurf, und Sie tun so, als ob es in einer Kooperation gelungen wäre, dass jetzt der hoheitliche Bereich tatsächlich bei der Gemeinde Wien bleibt und zitieren noch dazu den Univ Prof Pfeil. Dieser hat Ihnen unter anderem gesagt, dass das, was Sie vorhaben, aus verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geht. Es ist nicht so, dass Sie auf Gutdünken dann gesagt haben, wir kommen der Opposition entgegen, sondern es wurde Ihnen von unterschiedlichsten Stellen und auch in den unterschiedlichsten Stellungnahmen klargemacht, dass eine Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben an den Fonds Soziales Wien nicht geht.

 

Ihre Lösung, die Kurzfristlösung, ohne darüber nachzudenken, worum es tatsächlich geht, war dass Sie im Bereich der Behindertenhilfe den Fonds Soziales Wien als Träger der Behindertenhilfe definieren und dass Sie im Bereich der Sozialhilfe, was Pflege und Obdachlosigkeit betrifft, den Fonds Soziales Wien als Co-Träger der Sozialhilfe definieren. Und damit, glauben Sie, ist alles erledigt.

 

Aber in Wirklichkeit wird damit die gesamte Situation noch viel absurder, als sie vorher schon war. Denn jetzt haben wir die Situation eines von der Stadt Wien ernannten Trägers der Sozialhilfe, welcher der Meinung ist, dass im Großen und Ganzen die Abwicklung im Bereich der Pflege, sowohl was die stationären als auch die ambulanten Dienste als auch die Behindertenhilfe betrifft, weggehen soll von Kontingentierungen, von Tagsatzbestimmungen, hin zur individuellen Förderung, hinein in die Förderwelt, und auf nicht absehbare Zeit genau das Gegenteil macht. Der Träger der Sozialhilfe Fonds Soziales Wien, der Träger der Behindertenhilfe Fonds Soziales Wien arbeitet von seinem ersten Tag an nicht korrekt nach seinen Satzungen, nicht korrekt nach seinen Förderrichtlinien, in Wirklichkeit unter Ausschaltung der Oppositionsparteien. (Beifall bei den GRÜNEN sowie des Abg Gerhard Pfeiffer.)

 

Da glauben Sie tatsächlich - überhaupt wenn man sich die Genese des Fonds Soziales Wien ansieht -, dass wir dieser möglicherweise anstehenden Zertrümmerung des Sozialsystems Vorschub leisten, indem wir zustimmen? - Denn Sie wissen mittlerweile selbst, was es bedeuten würde, auf Individualförderung umzustellen. Sie wissen mittlerweile selbst, wie schwer es wird, sowohl für die betroffenen Klienten und Klientinnen als auch für die betroffenen Vereine tatsächlich dieses Förderwesen, das von Ihnen geplant ist, zu realisieren.

 

Letztendlich habe ich manchmal das Gefühl, das, was Sie jetzt mit dem Fonds Soziales Wien versuchen, ist ein bisschen Zeit zu schinden. Zeit schinden, dass sich vielleicht auf Bundesebene tatsächlich einmal andere Mehrheiten ergeben, dass man das Bundesvergabegesetz im Bereich der nicht prioritären Dienstleistungen aufhebt, dass man wieder zurückkehren kann zur Kostenträgerschaft, zu Tagsätzen, zu Kontingentierungen.

 

Jetzt komme ich zu dem Punkt, wo ich sage: Selbst das war nie die grüne Intention. Denn das Problem ist: Warum wurde so ein Bundesvergabegesetz tatsächlich geschaffen? - Zum Teil auch deshalb, weil Sie es zu verantworten haben, dass es immer wieder nicht nachvollziehbare unterschiedliche Tagsätze gegeben hat, unterschiedliche Kontingentierungen für gleiche Leistungen. Was Sie in den vergangenen Jahren am besten gemacht haben, war Intransparenz, Undurchschaubarkeit, und nur dann etwas zugeben, wenn man Ihnen tatsächlich auf etwas draufkommt. Dieses System übertragen Sie jetzt eins zu eins auf den Fonds Soziales Wien, wo es für die Opposition noch erheblich schwieriger wird, Anfragen zu stellen, zu kontrollieren beziehungsweise im Sinne der Bevölkerung tatsächlich mitzugestalten.

 

Sie machen das auf einer Ebene, wo Doppelgleisigkeiten entstehen, da das Bescheidwesen nach wie vor beim Magistrat bleibt - glücklicherweise, füge ich hinzu, denn es wäre der endgültige Abgesang der Sozialdemokratie gewesen, wenn man selbst die hoheitlichen Aufgaben tatsächlich übergeben hätte. Aber die Frage nach Doppelgleisigkeiten, die dadurch entstehen, hat Bgm Häupl heute am Vormittag trefflichst beantwortet, indem er gemeint hat: Es muss ja nicht jeder einen Bescheid bekommen, und der Fonds Soziales Wien ist der Behörde vorgelagert.

 

Wenn Sie das Gesetz tatsächlich gelesen haben, werden Sie draufkommen, dass in diesem Gesetz absolut nicht drinsteht, dass der Fonds Soziales Wien dem Magistrat beziehungsweise dem Land Wien als Sozialhilfeträger vorgelagert ist. Es hat jeder Mensch, jeder Betroffene sofort die Möglichkeit, in demjenigen Bereich, in dem Bescheide existieren, einen Bescheid zu erwirken. Das ist meines Erachtens auch sinnvoll.

 

Gleichzeitig führt dies jedoch zu der absurden Situation, dass man einen Bescheid erwirken kann und dass

 

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