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Landtag, 14. Sitzung vom 24.04.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 42 von 83

 

es in der Tat. Denn das, was wir bereits beschlossen haben in Wien, ist nicht das kommunale Wahlrecht für Zuwanderer, es ist bloß das Bezirkswahlrecht, denn das volle kommunale Wahlrecht, sprich das Wahlrecht auf Gemeindeebene, die Möglichkeit für Menschen, die in Wien leben, wählen zu können und gewählt zu werden auf Gemeindeebene, ist leider, leider noch immer nicht gegeben und womöglich für längere Zeit nicht gegeben, weil die Bundesverfassung das nicht ermöglicht.

 

Umso bedauerlicher finde ich, dass gerade die zwei Parteien, die diese Bundesregierung stellen und die auch die Möglichkeit hätten, im Parlament gemeinsam mit den progressiven Kräften eine Änderung der Bundesverfassung zu beschließen, damit das kommunale Wahlrecht in Österreich Wirklichkeit wird, damit es endlich ermöglicht wird, gerade also diese zwei Parteien, die die Bundesverfassung gemeinsam mit uns ändern könnten dementsprechend, anstatt dieses zu tun vielmehr den Weg gewählt haben, diesen notwendigen, diesen guten, diesen sinnvollen Beschluss des Wiener Landtags zu beeinspruchen, den Gang zum Verfassungsgerichtshof anzustreben und zu versuchen, das kommunale Wahlrecht zu kippen.

 

Sosehr es mich also freuen würde, meine Argumente für dieses Wahlrecht leidenschaftlich hier heute zu wiederholen, muss ich schon feststellen, dass es ein sehr trauriger und sehr peinlicher Anlass ist, der uns heute diese Debatte führen lässt. Denn ich finde es zutiefst traurig und auch peinlich, dass jene zwei Parteien, die die Bundesregierung in diesem Land stellen, anstatt zu begrüßen, dass in Wien ein notwendiger, ein integrationspolitischer Schritt gesetzt wurde, der Sinn macht und der endlich dieser Stadt eine Vorreiterrolle in Österreich verschafft, auch ein Schritt übrigens, mit dem Wien durchaus nicht irgendwie allein dasteht europaweit, sondern ein Schritt, mit dem Wien anschließt an europäische Standards, die anderswo in Europa seit Jahren, seit Jahrzehnten vorhanden sind, ich brauche hier nicht zu wiederholen, wie viele Länder es bereits gibt in Europa, die das kommunale Wahlrecht auch für Zuwanderer als Selbstverständlichkeit erachten, dass also jene zwei Parteien diesen Schritt torpedieren und uns zu dieser Debatte hier heute bringen.

 

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen möchte ich die Gelegenheit nutzen, um wieder einmal die zwei wesentlichen Argumente zu bringen, die für das kommunale Wahlrecht für Zuwanderer sprechen, und ich kann ja nicht aufhören zu hoffen, dass ich nicht wieder einmal auf taube Ohren stoße.

 

Zunächst einmal das demokratiepolitische Argument. Es muss doch an der Zeit sein, zu erkennen, dass eine moderne Demokratie nicht allein vom Staatsbürgerprinzip ausgehen kann. Eine Stadt wie Wien, eine vielfältige Stadt, eine Stadt, in der jeder vierte Bewohner, jede vierte Bewohnerin einen anderen kulturellen Hintergrund hat, eine andere Muttersprache als Deutsch hat, eine Stadt, in der jeder sechste Bewohner und jede sechste Bewohnerin nicht die österreichische Staatsbürgerschaft hat – also die Zahlen belegen das eindeutig –, eine solche Stadt muss sich doch überlegen: Wie können wir unsere Demokratie öffnen, wie können wir sie zeitgemäß gestalten, wie können wir sie so weiterentwickeln, dass der gesamten Bevölkerung die Möglichkeit gegeben wird, am demokratischen Mitbestimmungsprozess teilzuhaben?

 

Es ist ein wesentliches Zeichen für die Nachhaltigkeit, für die Güte einer Demokratie, wieweit sie fähig ist, sich weiterzuentwickeln, und wieweit sie fähig ist, die gesamte Bevölkerung einzuschließen und nicht eine derart große Gruppe a priori auszuschließen.

 

Und es ist kein Zufall, dass eben eine Reihe von europäischen Staaten und eine Reihe von europäischen Städten das längst erkannt haben und auch längst, wie gesagt schon seit Jahrzehnten, vom strengen Staatsbürgerschaftsprinzip abgegangen sind und sich vielmehr am Begriff des Bürgers und der Bürgerin orientieren, das heißt am Menschen, der in einem bestimmten Ort seinen Lebensmittelpunkt hat, der sich dort auf Dauer niedergelassen hat und der daher selbstverständlich zur Bevölkerung einer Stadt mit allen Rechten und mit allen Pflichten dazugehört und daher auch selbstverständlich dort, wo er oder sie lebt, die Möglichkeit haben soll, die Zukunft gemeinsam mit der übrigen Bevölkerung zu gestalten. (Beifall bei den Grünen und der Abg Nurten Yilmaz.)

 

Und es gibt darüber hinaus ein integrationspolitisches Argument, das nicht so leicht von der Hand zu weisen ist, denn eine derart vielfältige Stadt wie Wien muss wohl auch überlegen: Welches Integrationsangebot unterbreite ich all diesen vielen, vielen Menschen, die in dieser Stadt entweder zugewandert sind und auch geblieben sind oder aber auch, die in dieser Stadt geboren worden sind und hier aufgewachsen sind ohne österreichische Staatsbürgerschaft, ja sogar manchmal ohne die Möglichkeit auf eine österreichische Staatsbürgerschaft? Denn wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Einbürgerungsgesetze derart restriktiv sind, dass wir schon jede Menge so genannte Ausländer und Ausländerinnen in der zweiten, manchmal sogar schon in der dritten Generation produzieren. So einfach ist es nicht, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen, wie manche Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP oder FPÖ gerne behaupten. Somit ist es schon ein wesentliches Argument für dieses Wahlrecht, zu überlegen: Welche Angebote richte ich an diese Menschen, wie heiße ich sie in dieser Stadt willkommen, wie nehme ich sie als Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt auf? Und niemand von Ihnen wird ernsthaft leugnen können, dass es für einen Menschen etwas Wesentliches ist, das Gefühl zu haben, aber auch natürlich die rechtlichen Möglichkeiten zu haben, die ihm oder ihr signalisieren: Ja, du gehörst dazu, du bist Teil dieser Stadt, und als Teil dieser Stadt kannst du ein paar wesentliche Rechte genießen, die auch anderen StadtbewohnerInnen zur Verfügung stehen.

 

Ich behaupte daher, dass das kommunale Wahlrecht, nicht als einzige Maßnahme, sondern natürlich gemeinsam mit einer Reihe anderer Maßnahmen, sehr wohl der Weg ist, der Zuwanderer und Zuwanderinnen zu

 

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