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Landtag, 3. Sitzung vom 04.10.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 130

 

Abg Marie Ringler (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Schon in den Siebzigerjahren, also doch gute 30 Jahre vor dem Jahr 2001, hat ein sehr bekannter Museumsexperte, Duncan Cameron, eine Unterscheidung in zwei verschiedene Arten von Museen getroffen, den Tempel und das Forum. Er bezieht sich da natürlich auch auf die griechischen Wurzeln des Wortes "Museum", aber ich glaube, dass es eine ziemlich wichtige Unterscheidung ist, die auch viel darüber aussagt, welche Funktionen ein Museum in unserer Gesellschaft haben kann und soll.

 

Wir glauben, das Forum ist die richtigere Art des Museums, eines Museums, in dem Konfrontation, konstruktive Konfrontation möglich ist, in dem Dialog möglich ist, in dem Auseinandersetzung und Debatte stattfindet, und nicht der Tempel, der die herrschenden kulturellen Symbole reproduziert und damit natürlich auch ein Stück weit zu einem Ort der Macht wird.

 

Es wird auch vom "Blick der Herrschenden" gesprochen. Im 19. Jahrhundert waren die Museen genau das: der Blick der Herrschenden auf die Kolonien, auf das Exotische, auf das "Andere", auf das "Fremde", das wir nicht kennen.

 

Von einem Historischen Museum, von den Museen der Stadt Wien glauben wir, dass sie das nicht sein sollen. Sie sind es auch jetzt schon nicht, aber wir glauben, dass es notwendig ist, hier noch viel mehr daran zu arbeiten, dass diese Museen sich in die Richtung des Forums entwickeln. Denn das Museum als Ort kultureller Repräsentation basiert natürlich auch auf Vorannahmen, auf Stereotypen, auf Vorannahmen, die wir manchmal teilen und ganz oft nicht, vor allem dann nicht, wenn es nicht unsere eigene Kultur ist, die da repräsentiert wird.

 

Wenn wir daran denken, dass es in dieser Stadt viele, viele Menschen gibt - wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, sind es an die 300 000 MigrantInnen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft -, die nicht unsere wienerische Kultur von vornherein teilen, dann glaube ich, dass es umso wichtiger ist, dass wir genau diese Gruppen einbeziehen in diesen Ort der Auseinandersetzung und des Dialogs.

 

Denken Sie an junge Menschen. Es ist nicht ganz zufällig, dass führende Kuratoren ihren Studenten empfehlen "TV-Media" und "Bravo" zu lesen. Warum? - Deshalb, weil diese Medien die Lebenswelten junger Menschen widerspiegeln und weil es wichtig ist, diese zu verstehen. Es ist wichtig zu verstehen, für welches Publikum wir ein Museum und eine Ausstellung erbauen, und es ist wichtig, diese Menschen einzubeziehen. Modellhaft und sicher vorbildhaft macht das das gerade eröffnete Kindermuseum, indem es die Kinder einbezieht in den Prozess des Verstehens. Aber wir wollen, dass auch das Historische Museum der Stadt Wien, dass die Museen der Stadt Wien diesen Dialog noch stärker forcieren.

 

Oder denken Sie an TouristInnen. TouristInnen tragen einen ziemlich großen Anteil zu unserem Reichtum bei. Tourismus ist eine wichtige Industrie und es ist auch wichtig, diese näher an das Historische Museum zu bringen. Das Historische Museum sollte ja schlussendlich der erste Anlaufpunkt für Menschen sein, die wissen wollen, was Wien ist, was Wien war und was Wien sein wird.

 

Diese Zielgruppen, die ich genannt haben - SeniorInnen, Jugendliche, MigrantInnen, TouristInnen -, müssten also noch stärker einbezogen werden. Es freut uns, dass unsere diesbezüglichen Anregungen auch tatsächlich im Gesetz und in der Verordnung zur Ausgliederung des Museums ihren Platz gefunden haben. Wir halten das für ganz wichtig.

 

Wenn dieses Museum also ein Forum ist, dann ist es ein Ort der Auseinandersetzung und dann muss diese Beziehung mit den Menschen in der Stadt forciert werden, dann müssen Alltagskultur und Rezeptionsverhalten, Aufmerksamkeitsspannen einbezogen werden in die kuratorische Arbeit. Das Museum muss sich öffnen gegenüber "anderen" - unter Anführungszeichen - Kulturen, gegenüber Subkulturen, gegenüber Randthemen, und es muss das Ganze auch noch in die Stadt hineintragen durch stadtteilbezogene Arbeit, durch Arbeit im öffentlichen Raum, durch die Nutzung der Stadt.

 

Auch hier freuen wir uns, dass sich unsere Anregungen tatsächlich auch im Gesetz und in der Verordnung widerspiegeln.

 

Es muss möglich sein, Ausstellungen zu entwickeln, die Widersprüche zeigen, die nicht zudecken, was nicht sein darf oder nicht sein soll, die uns anregen, darüber nachzudenken, warum das eine so erscheint und dann doch anders ist, und damit Einblicke in eine komplexe Welt geben und anregen, darüber nachzudenken.

 

Es geht also heute um einen Auftrag, den wir vergeben, um einen Auftrag, das Museum reorganisiert in die Zukunft zu tragen, ins 21. Jahrhundert, es "fit" zu machen, wenn Sie so wollen, für das 21. Jahrhundert.

 

Wir stehen, wie Sie wissen, Ausgliederungen sehr, sehr skeptisch gegenüber, und es gibt durchaus auch divergierende Ansichten in unserer Fraktion dazu, nicht zuletzt deshalb, weil es zu einer Abgabe politischer Verantwortung führen kann, weil damit oft Kontrollrechte verloren gehen, weil damit ausgegliederte Unternehmen am Ende oft noch intransparenter sind als zuvor und weil sie wichtige Dienstleistungen, die sie für die Menschen in der Stadt erbringen sollen, nicht so gut erbringen wie zuvor.

 

Auch für uns gibt es sehr problematische Entwicklungen bei dieser Ausgliederung des Museums zu bemerken. Die Frage der Verantwortung und der Kontrolle ist zu stellen. Es gibt ein Kuratorium, aber werden darin nur SPÖ-Mitglieder sitzen? (Ruf bei der SPÖ: Nein!) Ich höre ein Nein und freue mich.

 

Das Kuratorium wird für einiges Sorge zu tragen haben, und wir hoffen, dass das auf einer breiten Basis passiert und nicht zu einer weiteren Verfilzung

 

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