«  1  »

 

Gemeinderat, 46. Sitzung vom 29.11.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 11 von 32

 

Ich finde es gut, dass wir heute zum Thema Gesundheit sprechen. Ich halte es auch für wichtig, dass wir auch ein bisschen dieses Gesamtsystembild sehen. Was passiert da alles im Gesundheitssystem? Warum gibt es bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zweifelsohne auch sehr viele Engpässe, sehr viel Stress und durchaus auch sehr viel Unzufriedenheit in vielen Bereichen?

 

Ich möchte hier nur vorweg sagen: Das ist nicht nur in Wien so. Das ist in allen Spitälern so. Das ist in allen Bundesländern so. Das ist Europa-weit so, weil wir natürlich in vielen Bereichen Engpässe haben. Das hat teilweise mit der Alterspyramide zu tun. Das hat damit zu tun, dass viele MitarbeiterInnen durch die Corona-Pandemie enorm ausgelaugt sind. Es gibt also viele Gründe, warum es so ist, wie es ist. Ja, wir müssen hier auch an vielen Schrauben drehen und Dinge angehen, um diese Situation zu verbessern. Das halte ich auch für sehr, sehr wichtig. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

 

Lassen Sie mich aber ein bisschen ausholen und auch die Ursachen der Thematik beschreiben! Wenn man zurückblickt, dann war 2003, also vor fast 20 Jahren, das Ziel, dass man auf der einen Seite die Spitalsbetten Stück für Stück abbaut und auf der anderen Seite den niedergelassenen Bereich, die ambulante Versorgung, entsprechend ausbaut. Was ist passiert? - Man kann sagen, in diesen 20 Jahren sind in Wien knapp 17 Prozent der Spitalsbetten reduziert worden, weil es einfach wichtig ist, dass die Menschen dort ihre Versorgung bekommen, wo sie sie brauchen. Für viele Menschen und PatientInnen ist das Spital nicht der geeignete Ort, sondern der wohnortnahe Ort, der niedergelassene Bereich. Es sind also 17 Prozent der Spitalsbetten reduziert worden. Man würde meinen, dass dafür der niedergelassene Bereich ausgebaut werden würde. Was ist aber passiert? Auch der ist um 12 Prozent gesunken. Das heißt, wir haben genau diesen Gap durch die Bettenreduktion, aber auch der niedergelassene Bereich ist deutlich reduziert.

 

Gleichzeitig ist in der Zeit beispielsweise das Personal im WIGEV um zirka 5 bis 6 Prozent gestiegen. Dadurch entsteht natürlich ein extremer Stressfaktor, weil das bedeutet: Wenn es weniger Angebote im niedergelassenen Bereich gibt, gehen wieder mehr Menschen in die Spitäler. Das ist genau das, was wir nicht wollen. Daher ist es wirklich notwendig, auch eine solche Strukturreform zu machen.

 

Was ist in Wien passiert? Als einzigem Bundesland - auch das möchte ich wieder betonen - gibt es in allen Spitälern diese Erstversorgungsambulanzen, die EVAs. Das ist ein Stück weit eine Triage, damit man nicht einfach automatisch ins Spital geht, sondern zuerst einmal über die Erstversorgungsambulanz angeschaut wird. Ist es notwendig, dass die Patientin oder der Patient ins Spital geht, oder ist es durchaus auch möglich, im niedergelassenen Bereich zugewiesen zu werden oder ein Rezept zu bekommen, et cetera? Es ist eine ganz wichtige strukturelle Maßnahme, die da passiert ist.

 

Im Hinblick auf den niedergelassenen Bereich gesprochen, ist es ja schön, wenn man sagt: Wir rufen 100 neue Kassenstellen aus, wie es auch von der Bundesregierung so groß proklamiert wurde. Das Problem ist aber nicht die Anzahl der Kassenstellen. Das Problem ist, dass man keine Bewerberinnen und Bewerber findet, die diese Kassenstellen annehmen. Warum machen sie das nicht? Weil die Leistungskataloge im Kassenbereich einfach so schlecht sind, dass sehr viele das nicht machen. Sie driften natürlich ins Wahlarztsystem. Ein konkretes Beispiel: Haben wir zu wenig KinderärztInnen? - Nein, haben wir nicht. Die Anzahl der KinderärztInnen ist um 35 Prozent gestiegen, um deutlich mehr, als die Anzahl der Menschen in Wien gestiegen ist. Sie finden sich aber nicht im Kassenbereich, sondern sie gehen in den Wahlarztbereich. Warum machen sie das? Weil es einfach unmöglich ist, diese verantwortungsvolle Aufgabe im Kassensystem abzudecken.

 

Weil sie vom Gespräch, diesen 15 Minuten, gesprochen haben: Eines der großen Probleme ist, dass beispielsweise genau dieses Gespräch in den Leistungskatalogen nicht abgegolten wird. Also sage ich, es ist schon eine Verantwortung, die auf Bundesebene zu sehen ist. Wir brauchen eine radikale Modernisierung und Anpassung dieser Leistungskataloge, damit sich einfach mehr BewerberInnen für die Kassenarztstellen finden, die sagen: Wir übernehmen diesen Job auch in der Kassenmedizin. Das gilt nicht nur für die KinderärztInnen. Das gilt für viele, viele andere Bereiche, zum Beispiel auch im Bereich der Kinderpsychiatrie und für Psychiater insgesamt, et cetera.

 

Was haben wir auch nicht? Wir haben keine oder wenige Kassenverträge für Pflegekräfte. Wir haben wenige Kassenverträge für PsychologInnen, und so weiter, und so fort sowie für viele Gesundheitsberufe, bei denen es wirklich notwendig ist, dass wir einen niederschwelligen Zugang haben und dass sie für alle leistbar sind. Sie sprechen immer von sozialem Zugang. Daher bitte meine Aufforderungen: Wo sind genau diese Kassenverträge? (Beifall bei NEOS und SPÖ. - Widerspruch bei StRin Mag. Judith Pühringer, GRin Mag. Mag. Julia Malle und GR Nikolaus Kunrath.)

 

Sie sprechen jetzt (StR Peter Kraus, BSc: … nie gesagt!) - lassen Sie mich ausreden - von der großen Gesundheitsreform von Minister Rauch. Also, die führenden GesundheitsexpertInnen in Österreich sagen: Na ja, es ist schon ein Reförmchen. Es ist schon ein bisschen etwas passiert. Es ist ein Reförmchen. Man könnte also auch sagen: Die ersten Schwimmversuche mit Ihrem Schwimmreifen sind passiert. (Beifall bei NEOS und SPÖ. - Widerspruch bei den GRÜNEN.)

 

Ich gehe da noch weiter. Sie sprechen vom Thema der Digitalisierung. Da habe ich wirklich ein offenes Ohr. Ein Beispiel: Kennen Sie den Digital Austrian Act? Wissen Sie, was dort zum Thema Gesundheit und Digitalisierung drinnensteht? Fast nichts. Wissen Sie, was fehlt? - Es gibt keinen Zugang zu ELGA für Pflegekräfte. Es gibt keinen Zugang für andere Gesundheitsberufe. Das ist extrem wichtig, wenn wir von einem Case Management sprechen, bei dem mehrere Berufsgruppen multidisziplinär zusammenarbeiten. All das gibt es nicht. Das würde es auch für die PatientInnen extrem erleichtern.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular