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Gemeinderat, 9. Sitzung vom 28.04.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 59 von 114

 

Antiprojekt für das 21. Jahrhundert, das SPÖ und NEOS heute beschließen.

 

Wir haben uns in der Klimafrage nicht auf Pop-up-Radwege, die Öffis forcieren, den Autoverkehr reduzieren, halbieren, die Innenstadt autofrei machen, einigen können. Das waren die strittigen Punkte, die wir hatten und immer noch haben, und deswegen arbeiten wir nicht mehr zusammen. Das war die Entscheidung der SPÖ. Sie haben ja bis jetzt auch keinen anderen Inhalt genommen. Sie wollen die Klimafrage nicht so ernsthaft angehen, wie es die GRÜNEN und alle ExpertInnen, inklusive dem Klimarat, den sie selber eingerichtet haben, für notwendig halten. Der kommt ja genau auf das Gleiche. Niemand von den Klimaexpertinnen und -experten sagt, das ist ganz toll, das ist genau das Richtige. 460 Millionen, Autos, Straßen? Und dann werden wahrscheinlich, wenn man mehr solche Straßen baut, wo Autos schnell fahren können, mehr Leute Rad fahren und zu Fuß gehen. Genau so macht man das.

 

So bescheuert ist natürlich niemand, der Experte und Expertin ist, und in Wahrheit weiß das auch jeder Mensch in dem Raum. Das war immer schon so: Wenn man eine Straße baut, fahren mehr Leue darauf. Wenn man ein Gasthaus aufsperrt, gehen Leute hinein, wenn es zu ist, kannst du nicht hineingehen. Wenn du eine Straße für Autos baust, fahren Autos drauf, wenn du mehr baust, fahren mehr drauf.

 

Was war die Hoffnung, die wir immer hatten? - Dass man mit Argumenten durchkommt. Das ist vielleicht eh ein Nachteil der GRÜNEN, wir versuchen es ja immer argumentativ: Was bedeutet das, was kostet das? Sie haben heute ein paar Punkte gehört.

 

Sie tun nämlich immer so: Ohne Auto kann man gar nicht leben, es geht gar nicht. Jeder zweite Haushalt in Wien hat kein Auto. Die Hälfte der Adressen in Wien, wo Menschen wohnen, hat kein Auto, ganz viele davon, weil sie kein Geld dafür haben, viele andere aus klimapolitischen Gründen und aus vielen anderen Gründen, sehr viele Menschen, die alleine wohnen. Eine Mindestpensionistin fährt für gewöhnlich nicht mit dem SUV durch die Gegend, denn sie hat kein Auto. An jeder zweiten Wohnung ist kein Auto gemeldet, und Sie erklären mir immer wieder, es geht gar nicht ohne.

 

Und unsere Jobs kann man natürlich auch nicht ohne Autos machen. Deswegen ist es so, wenn Sie irgendwo hinfahren, wo alles grün ist und wo ein Park entstehen soll, brettern alle mit den Autos hin, steigen aus den Autos aus und fahren mit dem Dienstwagen wieder retour, weil das ein Statussymbol ist, und das muss man haben. Man kann ja gar nicht Politiker oder Politikerin sein ohne Dienstwagen, das geht nicht. Es ist nur blöd, dass Van der Bellen, der Herr Präsident des Landes, mit den Öffis in die Arbeit fahrt, dass Leonore Gewessler das ganze Bundesgebiet ohne Dienstwagen mit den Öffis abfährt, mit dem Zug und mit allem Möglichen fährt, dass der neue Gesundheitsminister mit den Öffis in die Arbeit fährt, und alle sind in der Lage, ihre Arbeit zu machen. Und bei Ihnen ist immer noch drinnen, es geht nicht ohne. Wir müssen ganz viel brumm, brumm machen, sonst geht es nicht.

 

Ganz ehrlich: Schauen Sie sich einmal an, wer in der Früh mit dem Dienstwagen kommt und wer nicht. Es ist ein schöner Gendergap, auch innerhalb der SPÖ. Es kommen bedeutend viel mehr Männer, die dann leider auch die Entscheidungen in dem Bereich fällen, mit dem Auto her als Frauen. Das gilt auch für die Sozialdemokratie. Das gilt quer drüber. Bei uns nicht, bei uns fahren praktisch alle mit den Öffis oder kommen mit dem Rad, aber bei Ihnen geht das quer drüber. Das zur Vergangenheitsbewältigung.

 

Was kann man noch hoffen? Ein paar von Ihnen haben vielleicht vor 20 Jahren die Ausstellung „Ungebautes Wien“ angeschaut, Projekte, die man geplant hat und dann gesagt hat, das machen wir doch nicht, weil es zu teuer ist oder weil wir dazugelernt haben oder weil wir es nicht haben wollen. Kollegin Heidi Sequenz hat ein Beispiel genannt, aber da gibt es noch mehr. Das Künstlerhaus wollten wir einmal abreißen und eine IBM-Zentrale hinbauen. Das ist verworfen worden, auch im Autobereich, eine Stelzenautobahn vom Flötzersteig hinaus in den Westen. Das ist zur Abstimmung gekommen, Volksbefragung, anschließend verworfen worden. Gürtel-Autobahn, die Westeinfahrt, über den Wienfluss, voll drüber.

 

All diese Projekte waren sehr weit gediehen, lange von der SPÖ vorangetrieben und dann von der SPÖ selbst gestoppt. Das war ja die Zeit, in der Sie alleine regiert haben, nicht dass das aktuell in dieser Frage viel Unterschied machen würde, aber als Sie ganz alleine regiert haben. Und diese Projekte wurden gestoppt.

 

Dann hat man 1980 in Wien eine Volksbefragung gemacht, ob man die Öffis ausbauen soll. Da kommt heraus: Ja, Öffis ausbauen, Gleiskörper extra machen, vom anderen abgrenzen. Dann hat die SPÖ gesagt: Gut, wir machen es anders, es wird nicht mehr die ganze Zeit das Auto als Einziges forciert und dort das Geld hineingebuttert, sondern wir stellen auf öffentlichen Verkehr um. - Schlau. Und weil man, wenn man in die Vergangenheit schaut, immer wieder einmal merkt, wie Menschen und Parteien dazulernen und Entscheidungen besser werden, haben wir in der Koalition nichts anderes probiert.

 

Es hat auch heute niemand gesagt, dass man dort noch einen kleinen Trampelpfad macht und mit dem Dreirad fahren darf. Das hat ja niemand gesagt. Was ist aber eine sinnvolle Erschließung, wenn man sie heute neu plant? Und den Nerv muss man halt schon haben und zwischendurch sagen: Wenn man es 20 Jahre lang verfolgt hat, wer immer sich das vor 20 Jahren eingebildet hat: Ist das heute noch State of the Art? Ist es gescheit, das so zu machen?

 

Nein, sagt der Klimarat. Nein, sagen da draußen zehntausende, hunderttausende Jugendliche, die in diesem Bereich ein Stück weiter sind als die Generationen, die hier sitzen, die ganze „Fridays for Future“, aber auch die „Parents for Future“, die das alle einsehen und sagen: Nein, das ist ein Quatsch.

 

Und Sie wissen es auch alle. Es ist nämlich tatsächlich auch eine Schieflage in der sozialen Verteilung, für wen Sie das machen. Kein Wunder, dass ÖVP und FPÖ

 

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