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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 25.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 93 von 100

 

GR Mag. Martin Hobek (FPÖ)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrtes Publikum daheim an den Bildschirmen!

 

Österreich ist ein bekanntermaßen sehr schönes Land und war bis vor genau 100 Jahren auch ein sehr großes und nicht minder mächtiges Land. Daher sind wir heute umso mehr auf alles sehr stolz, das uns weltweit positiv ins Gespräch bringt. Das betrifft vor allem die Bereiche des Sports und der Hochkultur. Wir sind etwa stolz, dass unsere kleine Republik gleich zwei Formel-1-Weltmeister herausgebracht hat. Wir freuen uns in ein paar Wochen wieder, wenn weltweit in den verschiedensten Sprachen das österreichische „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen wird, und genau eine Woche später viele Millionen Menschen rund um den Erdball via Fernsehen das Neujahrskonzert im Musikverein mitverfolgen.

 

In unserem Realleben, das wir individuell für uns selbst führen, zählt aber früher oder später etwas anderes. Dann merken wir, dass wir Österreicher zwar auf einen Marcel Hirscher oder Dominic Thiem zu Recht stolz sein dürfen, aber letztlich zählt das genauso wenig wie ein Literaturnobelpreis, ein Eurovision-Songcontest-Sieg oder, dass Christoph Waltz innerhalb weniger Jahre zwei Mal den Oscar holt. So richtig stolz können wir in Österreich auf unser Gesundheitswesen sein. Diese Weltklasse in der Tradition von Semmelweis, Landsteiner oder Freud haben wir uns bewahren können, wovon jeder und jede von uns ganz persönlich seinen oder ihren Nutzen ziehen kann. Ab einem gewissen Alter darf man das ganz konkret feststellen. Bis 2012 kannte ich Spitäler nur als Besucher. Dann verlor ich innerhalb von drei Jahren um ein Haar mein Leben - vorige Woche habe ich das erwähnt - und zwei Mal aus unterschiedlichen Gründen beinahe ein Auge. Plötzlich empfindet man viele Dinge ganz anders. Man erfährt Großartiges am eigenen Leib, stellt aber auch die Schattenseiten und gefährliche Entwicklungen fest. Wenn die Makuladegeneration durch zwei Lucentis-Injektionen ins Auge, von denen jede weit mehr als 1.000 EUR kostet, solcherart im AKH für den Sozialversicherten gratis gestoppt werden kann, ist das einfach nur wunderbar.

 

Wenn man bei den folgenden Kontrollterminen aber nie unter vier Stunden warten muss, einmal sogar sechs Stunden, dann lässt sich nicht verheimlichen, dass der hohe Standard am Prüfstand steht. Wenn einem nach einer dramatischen Notoperation dasselbe Auge, in dem sich die Netzhaut fast schon abgelöst hat, gerettet wird, verspürt man nur Dankbarkeit. Später erfährt man, dass diese Augenabteilung in der Rudolfstiftung einen ganz Blinden sehend gemacht hat und zu den fünf Besten weltweit gehört. Naturgemäß läuten alle Alarmglocken, wenn die Auflassung der Rudolfstiftung geprüft werden soll. Man denkt unweigerlich an das Kaiserin-Elisabeth-Spital, das 2012 geschlossen wurde. Dieses galt in ganz Europa führend bei der Behandlung von Schilddrüsenkrankheiten. Das bewährte Ärzteteam wurde auseinandergerissen und auf die Krankenhäuser in ganz Wien verteilt.

 

Wir hören hier im Plenum immer wieder, dass Wien die lebenswerteste Stadt der Welt ist. Man beruft sich dabei auf die Mercer-Studie. Das ist ohne Zweifel toll. Das meine ich auch ganz unironisch. Unser Kritikpunkt ist aber lediglich, dass diese Studie auf Spitzenmanager abzielt, und zwar nur. Wenn für diese eine Ansiedlung in Wien attraktiv ist, kann uns das nur recht sein. Aber wir dürfen nicht auf sozusagen Otto Normal-Wiener vergessen. Bei jenen internationalen Studien, die alle Bevölkerungsgruppen betreffen, befindet sich Wien leider permanent auf dem Weg nach unten. Die Stadt steht vor gewaltigen Herausforderungen. Der Zuzug führt nicht nur dazu, dass im rot-grünen Wien immer mehr an restlichem Grünland vernichtet wird, auch die Infrastruktur kann nicht mithalten.

 

Das gilt ebenso für den Bereich Gesundheit und Soziales. In diesem stellt die zunehmende Überalterung eine zusätzliche Herausforderung dar. Der Zug ist mit hohem Tempo in Richtung einer Zweiklassenmedizin unterwegs. Privat Zusatzversicherte müssen nur den Bruchteil der Wartezeit der breiten Masse aushalten. Gerade die rot-grüne Stadtregierung, die sich als prononciert sozial-fortschrittlich sieht, muss dieser elitären Entwicklung entgegenarbeiten. Die Stadtregierung ist gut beraten, wenn sie Fingerzeige auf Problemfelder nicht als oppositionelle Schlechtmacherei abtut. Vor allem ist der Zynismus, der Einzug gehalten hat, wieder hinauszubekommen. Er ist ständig feststellbar, etwa, wenn salopp behauptet wird, dass die finanziell immer bedrängteren Behindertenorganisationen eh im Geld schwimmen.

 

Dass dieser Zynismus nicht erst jetzt eingerissen ist, zeigt die Causa Heizkostenzuschuss. Bis 2013 wurden frierenden Bedürftigen je 100 EUR ausgezahlt. Das waren bei einem Budget von damals 13 Milliarden EUR gerade einmal 6 Millionen EUR, also knapp 0,05 Prozent. Das ist Sparen am grundfalschen Platz. Als Hauptargument diente damals, dass man die Unterstützung nicht mehr in bar auszahlen wolle. Wir wären dabei gewesen, wenn man diesen Betrag in Form von Gutscheinen betreffend die Heizstoffe ausgezahlt hätte. Aber eine Energieberatung, bei der man Leuten sagt: „Kauf dir neue Fenster oder eine neue Therme für ein paar Tausend Euro und wir legen dir einen Hunderter drauf.“, geht ein bisschen in die Richtung: „Warum esst ihr keinen Kuchen, wenn ihr kein Brot habt?“ Wir bringen daher heute wieder einen Antrag ein, dass der Heizkostenzuschuss wieder eingeführt wird, und zwar schon für die Saison 2019/2020. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Man könnte im Interesse der Schwächsten der Gesellschaft kreative Flexibilität, praxisorientierte Flexibilität zulassen. Es gibt beispielsweise in Wien Notunterkünfte für Asylwerbende. Da die Zahl dieser Menschengruppe angeblich stark abgenommen hat, könnte man die freien Ressourcen verwenden, um Obdachlosen eine Zuflucht vor der beißenden Kälte zu bieten. Auch dazu bringen wir hiermit einen Antrag ein. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

 

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