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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 01.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 52 von 96

 

Sie haben nicht nur zu Ihrer eigenen Basis und zu Ihrer eigenen Programmatik ein gestörtes Verhältnis, sondern Sie haben auch ganz offenkundig zum Rechtsstaat und zur Demokratie ein grundsätzliches Schlechtverständnis. Die Frau StRin Stenzel hat ausführlich aus dem Bericht der MA 21 zitiert, ich möchte deswegen nicht in die Details eingehen; aber eines möchte ich herausgreifen aus dem Ganzen, weil es so symptomatisch ist für den Umgang mit demokratischen Beschlüssen, mit demokratischen Instrumenten:

 

Sie wissen, 600 Stellungnahmen sind eingegangen, die auf verschiedene Art und Weise Kritik geübt haben, 570 davon waren kritisch, 30 waren positiv. Alleine das sollte einem schon einmal zu denken geben. Da ist unter anderem ein wesentlicher Punkt der gewesen, dass ja sogar nach Meinung und nach unbestreitbarer Faktenlage für dieses ganze Projekt eigentlich das alte Hochhauskonzept anzuwenden ist. Das alte Hochhauskonzept hat aber klipp und klar gesagt, es gibt keine Hochhäuser in der Weltkultur-Zone. Das heißt, Sie haben sich über einen gültigen Beschluss dieses Gemeinderats ganz einfach hinweggesetzt. Darauf hingewiesen lese ich dort zu meinem großen Erstaunen: Es geht nur darum, den Bezug zwischen dem Plandokument, das Sie vorlegen, das, wie gesagt, dem widerspricht, und alten Beschlüssen herzustellen. Sie müssen sie nicht befolgen.

 

Meine Damen und Herren, was heißt denn das? Wir sitzen hier zusammen, beschließen irgendwelche Dinge und Sie sagen, eigentlich ist es wurscht, wir machen einfach das, was wir wollen, denn irgendwann bügeln wir es dann mit unserer Mehrheit ohnehin wieder nieder. Wozu beschließen wir solche Konzepte? Wozu beschließen wir den Antrag in der letzten Sitzung, wo Sie sagen, Sie wollen künftig keine Hochhäuser mehr bauen? Nicht nur, dass er auch sonst absurd ist und der Kollege Woller uns erklärt hat, dass das, was da gebaut wird, ohnehin kein Hochhaus ist, ergo sind die überhaupt nicht betroffen, dieser Beschluss sei aus diesem Grund schon ein Nullum. Aber selbst wenn man ihn ernst nimmt, wissen wir ja spätestens seit diesem Papier, dass Sie sowieso nicht vorhaben, sich an irgendwelche Beschlüsse zu halten, sondern das nach Gutdünken nur so darstellen, als ob Sie sich an Beschlüsse halten wollten. Na, großartiges Demokratieverständnis, meine Damen und Herren!

 

Wie sich das Ganze in den Rechtsstaat einfügt, wird ja noch deutlicher bei dem städtebaulichen Vertrag. Ich weiß nicht, wem es von Ihnen aufgefallen ist, aber wir diskutieren ja in einer Debatte über zwei Tagesordnungspunkte: Das eine ist die Flächenwidmung, das andere ist der städtebauliche Vertrag. Nun steht im § 1a der Bauordnung drinnen, dass die Flächenwidmung nicht vom Abschluss eines städtebaulichen Vertrages abhängig gemacht werden darf. Das steht nicht aus Jux und Tollerei drinnen, sondern das steht deswegen drinnen, weil der Verfassungsgerichtshof wiederholt in diese Richtung entschieden hat.

 

Was Sie aber hier machen, ist ja ganz offenkundig, alleine schon durch die gemeinsame Beschlussfassung, darzustellen, dass es natürlich diesen verbotenen Zusammenhang gibt. Sie haben damit ja auch nicht hinterm Berg gehalten, Sie haben im Fernsehen selber erklärt, dass Sie dem Investor Auflagen erteilt haben. Auflagen erteilen ist nichts anderes, als ein Junktim herstellen. Das heißt, die Sache ist ganz klar rechtswidrig. Das wissen Sie auch, und deswegen haben Sie so manche Frage im Zuge der letzten Fragestunde, sage ich einmal, etwas ausweichend beantwortet. Aber ich sage ihnen eines: Sie wissen genau, dass Sie etwas Rechtswidriges tun, und das bedeutet nichts anderes als Amtsmissbrauch. Jetzt kann man noch drüber diskutieren, ob der Amtsmissbrauch bei Ihnen passiert oder hier im Gemeinderat, weil der die letztendliche Beschlussfassung durchführt, aber es ist Amtsmissbrauch, und es ist einfach ein Skandal. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Insgesamt stelle ich fest: Die Grünen sind jetzt eigentlich an einem Punkt, wo sie nur noch irgendwelche Projekte, die aus unerfindlichen Gründen einmal beschlossen worden sind, durchziehen wollen. Irgendwie erinnert mich das an die gute alte Betonierer-Durchzieh-Mentalität und es fällt mir so Hainburg ein, das Gründungsmythos der GRÜNEN. Freunde, das ist genau das, was es damals auch gegeben hat. Da hat es natürlich eine Firma gegeben, die Donaukraft, die durchaus verschiedene Zusagen hatte, die Geld hatte, wo man gemeint hat, verschiedene Vorteile für die Bevölkerung fallen mit ab, wenn man dieses Kraftwerk baut. Aber aus gutem Grund hat sich die Bevölkerung dagegen entschieden und hat dieses Wahnsinnsprojekt unterbunden. Heute sind die Grünen auf der anderen Seite, die Grünen werden zur ältesten Altpartei, die Grünen sind die Grauen geworden. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Ich möchte mich aber noch ein bisschen im Detail mit den Fragen der Stadtplanung beschäftigen, die ja eigentlich hinter diesem ganzen traurigen Thema liegen. Unser Klubobmann hat schon darauf hingewiesen, dass die Argumentation, gelinde gesagt, etwas eigenwillig ist, dass man zwar keinen Liftkobel auf dem Stephansplatz bauen darf, weil der dem Weltkulturerbe widerspricht, dass hingegen ein 66-m-Turm keinen Schaden anrichten soll. Diese Tage ist mir noch ein weiteres skurriles Beispiel untergekommen: Im 6. Bezirk beklagt man, dass ein Würstelstand aufgestellt worden ist, weil der den Blick auf das Marktamt verstellt. Meine Damen und Herren, skurriler geht es nicht mehr! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass in der rot-grünen Regierung, in der rot-grünen Koalition und offensichtlich auch im Magistrat ein grundsätzliches Missverständnis des Stadtbildbegriffs vorliegt, denn das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.

 

Diese traurige Vermutung findet ihre Begründung durchaus auch in diesem Erläuterungsbericht. Ich zitiere - zu dem berühmten Canaletto-Blick, der ja angeblich überhaupt kein Problem darstellt, zu Blickachsen und all diesen Dingen: „Es entsteht eine Ablenkung von diesem Blick, sodass man bewusst die Blickrichtung von der Achse wegdrehen muss,“ - also von der Achse des Gartens – „um den Stephansdom zu sehen.“ - Zitat Ende.

 

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