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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 01.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 96

 

eigentlich, auch wenn Sie sich bemühen, es so darzustellen, Herr Woller, keine parteipolitische Debatte, sie ist eine rein sachpolitische Debatte.

 

Ich merke es schon in Ihrer Methode, der Herr Al-Rawi behandelt mich heute gut, Sie behandeln mich grundsätzlich immer eher schlecht, das ist also irgendwie ausgewogen. Ich kann mit dem Vorwurf leben, dass ich diese Petition gegen dieses Projekt mit einem Literaten auch unterschrieben habe. Warum? - Weil die Begründung in dieser Petition eine äußerst klare und gute war, genauso, wie ich eine Petition gemeinsam mit mehreren freiheitlichen Abgeordneten im Nationalrat initiiert habe, um darauf aufmerksam zu machen, dass hier eben das Parlament, dass das Staatsoberhaupt, dass auch der Kulturminister hier als Vertragspartner gegenüber der UNESCO eine Verantwortung haben.

 

Ich habe also in einem Anfall von Optimismus Ihnen, werte Mitglieder des Gemeinderats, nochmals diese Petition von Herrn Ruiss gegen das Heumarkt-Projekt zukommen lassen, samt der Fotomontage der MA 19, sodass Sie sich noch einmal ein Bild machen können und eine Vorstellung davon haben, was es bedeutet, in einer historisch gewachsenen Stadtlandschaft, Sichtbeziehungen auf ein neues Objekt zu schaffen, das im Kontrast zur Glacis- beziehungsweise Ringstraßen-Zone steht.

 

Ich habe mir hier wirklich die Mühe gemacht, diese Stellungnahme der MA 21 zu den 600 Stellungnahmen der Bürgerinnen und Bürger genau zu studieren, und dieses Dokument ist wie ein Kronzeuge, den ich in diesem Fall auch gerne zitiere. In diesem Bericht wurde nämlich festgestellt, dass das projektierte Hochhaus in der Verlängerung der Hauptachse hinter dem Unteren Belvedere klar sichtbar in Erscheinung tritt. Es entsteht, und ich zitiere wörtlich: „eine deutlich wahrnehmbare Konkurrenz zu anderen markanten Hochpunkten, die im Bereich des konsolidierten“ - Was heißt hier konsolidiert? - „Stadtkörpers der Inneren Stadt über die Stadtsilhouette hinausragen, zum Beispiel zum Stephansdom oder zur Salesianerkirche“. „Das projektierte Hochhaus“ - wieder wörtliches Zitat - „bewirkt also eine Ablenkung, sodass man bewusst die Blickrichtung von der Achse der Schlossanlage wegdrehen muss, um auf den Stephansdom zu fokussieren.“

 

Das ist bitte im Beamtendeutsch, nicht einmal zwischen den Zeilen wird hier die Sichtachsenproblematik völlig klargelegt, in einem Bericht, der eigentlich nur dazu dienen soll, dass man zu diesem Projekt Ja sagt. Um den Eindruck der städteplanerischen Fehlentwicklung abzuschwächen, wird weiters darauf hingewiesen, dass - und ich zitiere: „die damit verbundenen Auswirkungen dadurch relativiert werden, dass es sich hierbei keineswegs um einen Einzelfall handelt - Klammer: Wien-Mitte, RZB, Justiz-Tower“ - und so weiter.

 

Das macht ja die Sache nicht besser, meine Damen und Herren, im Gegenteil, man verweist auf missglückte städtebauliche Entwicklungen, um den nächsten noch viel ärgeren architektonischen Sündenfall kleinzureden, also den Tojner-Turm am Heumarkt, und die nächste architektonische Provokation, die Aufstockung des Winterthur-Gebäudes und des Künstlerhauses, wobei sie dem Barockjuwel Fischer von Erlachs, der Karlskirche, zu Leibe rücken.

 

Offenbar ist es der rot-grünen Mehrheit im Gemeinderat ein Anliegen, Sakralbauten zu relativieren, das imperiale architektonische Erbe ist Ihnen im Weg, genauso wie das bourgeoise des Ringstraßen-Historizismus.

 

In dem Bericht der MA 21 wird korrekterweise im Relativierungsabsatz darauf verwiesen, dass - und ich zitiere wörtlich: „all dies im Umweltbericht beschrieben und als eher negative Auswirkung gekennzeichnet wurde“. Also Ihre Fachleute selbst sind sich dieser negativen Auswirkungen durchaus bewusst. Sie leben damit, weil Sie damit leben wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Wobei ich dem Investor und Projektentwickler überhaupt keinen Vorwurf mache, er tut lediglich das, was jeder Unternehmer tut, nämlich das Maximum an Gewinn herauszuholen und den Spielraum auszureizen, den ihm die Politik, nämlich Sie, gewähren. Dass allerdings die Politik keinerlei Anstalten machte, Vorgaben zu geben, die stadtbildverträglich und Welterbe-kompatibel sind, das ist ausschließlich Ihre Verantwortung.

 

Annahmen oder Verdachtsmomente, dass hier möglicherweise Politiker oder politischen Parteien profitiert haben könnten, dass es hier vielleicht sogar eine versteckte Parteienfinanzierung gab, werden möglicherweise spätere Untersuchungsausschüsse klären. Aber mit Untersuchungsausschüssen ist es so eine Sache, sie sind meistens dann, wenn eh schon alles passiert ist, so wie jetzt der Eurofighter-Untersuchungsausschuss im Parlament. Dann ist nämlich alles schon verbrochen worden.

 

Fest steht nur eines, meine Damen und Herren! Die Wiener Sozialdemokratie, die in erster Linie dem Gemeinwohl verpflichtet sein sollte, und ihr grüner Appendix, von dem jetzt kaum mehr wer da sitzt, dem Kapital und Kapitalismus grundsätzlich abhold ist, haben vor dem Kapital kapituliert. Diesen Vorwurf kann man Ihnen nicht ersparen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Das ganze Verfahren war fragwürdig, das haben meine Vorredner schon sehr klar gemacht. Es hat sich aus dem Grund auch die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und dem Burgenland zu einem sehr frühen Stadium bereits aus diesem Verfahren bewusst ausgeklinkt. Auch das hat bei Ihnen die Alarmglocken offenbar nicht schrillen lassen. Die Architektenkammer warnte nämlich vor dem unproportionalen Einfluss - und ich zitiere: „von einzelnen Stakeholdern, der kein Ergebnis erwarten lässt, in dem das öffentliche Interesse gewahrt wird“. Aus diesem Grund hat die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten eine Mitwirkung in dem von Ihnen hochgelobten kooperativen Verfahren verweigert. Das haben Sie heute gänzlich unter den Tisch fallen lassen. Danach hätte es nämlich ein städtebauliches Verfahren geben müssen, das zur Klärung einiger wichtiger Eigenschaften beigetragen hätte, wie zum Beispiel der Gebäudehöhe. Deshalb gab es von Seiten der Architektenkammer damals die Forderung nach einer Trennung der städtebau

 

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