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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 90

 

reine darüber beschwert haben, dass die Politik mit ihnen nicht ehrlich umgeht, sie immer wieder im Sinne von Zielgruppenerreichung instrumentalisiert, ihnen aber nicht die Rolle zuerkennt, dass sie als Subjekte in der Gesellschaft wahrgenommen werden.

 

Daher ist es, glaube ich, sehr wichtig, dass wir organisierte Kräfte innerhalb der MigrantInnenszene haben, und ich möchte Frau Feldmann darauf hinweisen, dass Herr Kurz auch in diesem Bereich ziemlich aktiv ist: Er versucht auch immer wieder, MigrantInnenvereine in den Mittelpunkt zu bringen, und er hat auch eine dementsprechende Förderpolitik ins Leben gerufen.

 

Es ist also sehr wichtig, einmal grundsätzlich festzustellen, welche wichtige Rolle die MigrantInnenvereine in der Integrationspolitik übernehmen. Allein deren Anwesenheit als Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen für die Bürger und Bürgerinnen ist sehr wichtig. Eine Voraussetzung dafür ist natürlich, dass diese Vereine qualitätsvoll arbeiten und entsprechende Qualitätsstandards haben. Deshalb haben wir auch die Standards formuliert, wonach sich diese Vereine zu richten haben.

 

Ich bin grundsätzlich dafür, meine Damen und Herren, dass wir in Zukunft ethnienübergreifend arbeiten und dass wir Vereine nicht nur nach Nationalitäten definieren. In diesem Sinne haben wir bei unseren rot-grünen Gesprächen bei der MA 17 dafür Sorge getragen, dass in Zukunft sehr wohl darauf geachtet wird, inwiefern Vereine ethnienübergreifend arbeiten, was auch bedeutet, dass wir in der Politik die ethnische Definition überwinden, dass wir also nicht mehr von Inländern und Ausländern und auch nicht von Türken, Serben und so weiter und so fort sprechen, sondern grundsätzlich von Wienerinnen und Wienern.

 

Meine Damen und Herren! Wir haben es durch die „Wiener Charta – Zukunft gemeinsam leben“ auf die Beine bekommen, dass wir in allen in Wien lebenden Menschen Wienerinnen und Wiener sehen und daher auf ethnische Definitionen keinen großen Wert legen wollen. Die Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben ist, dass wir davon wegkommen, die Menschen in Inländer und Ausländer zu teilen und in den einen gute Menschen und in den anderen schlechte Menschen zu sehen. In erster Linie müssen wir darauf achten, dass jene Kräfte, die diese Teilung der Gesellschaft forcieren, keine Chance haben. Ein Beispiel: Die FPÖ zu meiner linken Hand plakatierte zuletzt in Tirol mit „Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe“, und damit wird in der Integrationspolitik nicht für ein besseres Zusammenleben gesorgt, sondern für eine Spaltung der Gesellschaft. (GR Mag Wolfgang Jung: Es hören Ihnen nicht einmal die eigenen Leute zu!)

 

Daher nochmals zur österreichisch-türkischen Freundschaft: Allein die Bezeichnung Freundschaft ist in Zeiten wie diesen sehr wichtig, und das sollten wir auch begrifflich unterstützen!

 

Ich möchte jetzt, bevor die Freiheitlichen nach mir ihre Anträge stellen werden, nochmals aufgreifen, welche Anträge heute zu debattieren sind, weil ich nachher Schriftführer bin und nicht extra herunterkommen möchte.

 

Der erste Antrag bezieht sich auf das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei. In diesem werden der Zugang zum Arbeitsmarkt und die Niederlassung beziehungsweise Einreise türkischer StaatsbürgerInnen in Europa beziehungsweise Österreich geregelt, und die Freiheitliche Partei verlangt, dass Punkt 1.80 abgeschafft wird.

 

Meine Damen und Herren! Gewisse Sachen gehen nicht so einfach! Das Assoziierungsabkommen besteht aus mehreren Aspekten: Wirtschaftliche Zusammenarbeit, politische Zusammenarbeit und das Heranrücken der Türkei an die damalige EWG und die heutige Europäische Union sind von großer Bedeutung. Sie wissen, dass der Europäische Gerichtshof im November entschieden hat, dass die Personenfreizügigkeit für türkische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, die mit österreichischen Staatsbürgern verheiratet sind, aus dem Fremdenrecht ausgenommen werden soll. Meine Damen und Herren! Sie müssen bedenken, dass in diesen Verhandlungen Vereinbarungen in Abwägung zwischen Zollunion und Personenfreizügigkeit getroffen werden. Die Türkei hat eine Zollunion mit Europa, und die Türkei hat zahlreiche wirtschaftliche Übereinkünfte mit österreichischen Firmen. Ich nenne nur die OMV mit all ihren Investitionen in der Türkei. Natürlich wird der türkische Staat auch darauf achten, dass seine Bürger und Bürgerinnen gewisse Freiheiten bekommen, und unter diesen Freiheiten ist auch die Personenfreizügigkeit geregelt. Daran ist nichts Verwerfliches! Vielmehr würde ich es einem Staat vorwerfen, wenn er sich nicht um die eigenen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen kümmern würde!

 

Sie, Frau Kappel, werden auf Grund Ihrer Erfahrungen in der Wirtschaft und in Verhandlungen verstehen, dass das nicht so einfach geht. Man kann der Türkei nicht nur auferlegen: Du musst das tun, was wir wollen!, ohne im Gegenzug etwas zu leisten. Da kommt nichts zustande!

 

Dass sich die Türkei endlich einmal – wie ich als regierungskritischer Mensch, was die Türkeipolitik betrifft, sagen möchte – um ihre eigenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger kümmert, ist positiv. Endlich einmal kommen die Bürgerinnen und Bürger, die harten Arbeiten in der Reinigungsbranche, in der Baubranche und so weiter nachgehen, in den Genuss der Freizügigkeit.

 

Wenn ich Ihre Logik verfolge, dann entdecke ich auch etwas Konsequentes, nämlich dass Sie immer auf der Seite der Reichen Platz nehmen, und zwar auch in diesem Punkt. Wir sollen mit der Türkei wirtschaften, die türkischen Unternehmer sollen mit uns zusammenarbeiten, wir sollen mit ihnen Investitionen tätigen, und sie sollen sich in Europa frei bewegen können. Wenn es aber um die armen türkischen Arbeiterinnen und Arbeiter geht, dann soll das aufhören! – Auch das ist ein Beweis dafür, meine Damen und Herren, dass die Freiheitlichen immer ihren Platz auf der Seite der Reichen haben und die Armen in Stich lassen. Das möchte ich einmal festgehalten haben. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Zu ihrem zweiten Antrag bezüglich Menschrechtsverletzungen in der Türkei: Dieses Thema ist für mich auch als Person Senol Akkilic, der ich auch kurdische Ur

 

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