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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 70 von 102

 

interessiert.

 

Peter Kern, der Regisseur, war bei einer Veranstaltung im Haus und hat ein Ehrenzeichen bekommen. Als er das Ehrenzeichen bekommen hat, hat er zwei Kinder zu sich kommen lassen, die auch dort gesessen sind, und hat dann erklärt, warum er das den zweien geben möchte: weil sie im selben Haus wie er wohnen, in einem Gemeindebau. Es war im Winter, da war es draußen kalt, da hat es nicht nur geregnet, wie es momentan bei uns ist, sondern da war es auch sehr kalt.

 

Diese zwei Kinder wohnen im selben Gemeindebau wie der Regisseur Peter Kern. Eines Tages trifft er auf dem Gang den Vater der zwei Kinder - die Mutter ist leider schon an Krebs verstorben -, der Vater hat eine Zange in der Hand, und er fragt ihn: Was machen Sie mit der Zange? - Ich gehe in den Keller und werde aufsperren oder die Plombierung der Wiener Stadtwerke durchschneiden, weil ich meine Wohnung nicht heizen kann und da oben meine zwei Kinder sitzen und frieren.

 

Das ist auch Wien! Wien sind nicht nur meine drei kleinen Kinder, denen es gut geht, sondern das alles sind auch Kinder, die in Wien wohnen. Denen geht es nicht gut, und über die möchten wir heute reden. Eigentlich ist es auch ganz einfach: Alles, was wir am Ende brauchen, ist eine Mercer-Studie, bei der wir alle Kinder fragen, repräsentativ in Wien, ob es ihnen gut geht. Dann hätte ich gerne von allen die gleiche Antwort wie von meinen und hoffentlich von Ihren Kindern, nämlich dass es ihnen gut geht, nicht ausschließlich bei denjenigen, die Gemeinderats-, Stadtratsbezüge erhalten, sondern bei allen anderen auch!

 

Ich war heuer bei der Caritas, als 30 Jahre Sozialberatung gefeiert wurden. Eines der Probleme, die dort besprochen wurden, ein Problem, das in Wien offensichtlich verstärkt auftritt, ist, dass Teenager-Mütter, 16-, 17-, 18-Jährige, die dort hinkommen, keine Wohnung mehr bei der Caritas finden, aber auch sonst nicht untergebracht werden können. Die werden dann getrennt von ihrem einjährigen Kind, getrennt von ihrem sechs Monate alten Kind, weil man nichts findet.

 

Das ist auch Wien 2010.

 

Gehen Sie einfach dort hin. Da müssen Sie nicht mich fragen, fragen Sie bei der Caritas nach, die werden Ihnen nicht einen Fall erzählen, sondern dutzende solcher Fälle. Das passiert jetzt mitten in Wien. Da können Sie morgen hingehen, übermorgen hingehen, man wird Ihnen jeden Tag eine neue Geschichte dazu erzählen können.

 

Die Fakten sagen bei Kinderarmut, und das ist international schon anerkannt, in den skandinavischen Ländern ist es ein Bruchteil dessen, was wir hier haben. Bei 4 Prozent und weniger bis unter 3 Prozent geht es bei einem Idealfall, auf Null schafft es niemand, aber sehr gering. Wenn man jetzt nur als Ausgangsbasis nimmt: Es ist offensichtlich möglich, Kinderarmut in die Region von 4 Prozent und weniger zu drücken und nicht lange darüber streitet, ob es 10, 15, 20, 24 sind, sondern nur sagt, es ist beträchtlich mehr hier, und ich habe noch niemanden gehört von Ihnen, der sagt, es ist nicht mindestens das Dreifache, was immer noch viel zu viel wäre, da könnte man sich doch hinsetzen und sagen: Wie machen das jetzt die Dänen? Da könnte man sich hinsetzen und sagen: Kennzeichen Dänemark, dänische Kinderkultur, das lesen wir alle durch, wie sie es in Berlin jetzt machen, und überlegen uns, ob man da was lernen kann dazu. Warum nicht? Dann brauchen wir nicht über die Zahlen zu streiten. Sonja Wehsely hat am Anfang gesagt: Jedes einzelne Kind, das arm ist, ist eines zu viel. Na gut, dann retten wir ein paar davon. Es sagt ja auch keiner, alle auf einmal.

 

Was sagt die UNICEF noch in der Studie 2005/10 immer? Es gibt immer einen Vorschlag an alle Regierungen, der lautet: Man möge Kinderarmut messen und definieren und dann bestimmen, wie viele es sind und dann nimmt man sich ein Ziel vor, ein realistisches. Abschaffen muss man nicht, Halbieren in einem Zeitraum von fünf Jahren. Halbieren wir die Kinderarmut in Wien in den nächsten fünf Jahren! Wo ist das Problem? Wenn man die Daten verweigert und die Studien dann nur – nur, ist gut - von der Universität selber an dem Institut für Soziologie gemacht werden: Was heißt das überhaupt, in Armut aufwachsen mit furchtbaren Fallbeispielen dazu? Was sind das für Folgen dazu? Wenn man sich hier im Haus verweigert, Kinderarmutsberichte zu machen oder andere Armutsberichte, na, dann haben wir die Fakten nicht. Dann stehen wir da und werfen uns gegenseitig die Zahlen an den Schädel. Das nützt aber den armen Kindern nichts! Und es ist ja auch kein Polemisieren und nichts. Wenn man es ernst nimmt und wenn man nur sagt: Unabhängig davon wie viele es sind, wir hätten gerne in fünf Jahren nur noch die Hälfte davon. Auf das müssten wir uns doch einigen können!

 

So lautet übrigens heute ein Antrag der GRÜNEN; „Kinderarmut in Wien in fünf Jahren halbieren“. Und Sie werden dem nicht einmal zustimmen. Mit welcher Begründung? Warum soll man es nicht halbieren? Warum soll man Kinderarmut in Wien nicht halbieren? Auf die Antwort warte ich noch.

 

Die Fakten bei diesen Studien, die von der Europäischen Union zu den Lebensbedingungen gemacht werden, sind – da werden allerdings andere Leute gefragt und nicht nur diejenigen, die Einkommen jenseits der 10 000 EUR im Monat haben, also nicht Ihre beliebte Befragungsgruppe -, und da kommt als Ergebnis heraus, dass jedes vierte Kind in einem Armutshaushalt lebt. Und was Sie selber wissen, weil Sie die Studien ja selber auch machen, an wen Sie Sozialhilfe auszahlen und wer das kriegt und wie viele Kinder dort wohnen, Sie erheben das ja logischerweise: 30 Prozent der Kinder in Wien leben in einem Haushalt, in dem Sozialhilfe nötig ist, damit die Leute über die Runden kommen. 30 Prozent sage nicht ich, das sagen Ihre eigenen Daten, ja, 30 von 100! Wenn Sie in einen Kindergarten hineingehen und es sind 25

 

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