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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 62 von 102

 

auch verdienen, dass jetzt der Fokus kurz auf sie gerichtet wird.

 

Ich freue mich sehr, dass eine gemeinsame Resolution der SPÖ und der GRÜNEN - ich weiß nicht, ob inzwischen auch andere, weitere Fraktionen des Wiener Gemeinderates dabei sind - entsteht, die diese empörende, schreckliche Aktion auf das Schärfste verurteilt. Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, an dieser Stelle meinerseits zu meinen, dass ich denke, dass diese schreckliche Blockade aufgehoben werden muss, dass die Grenzen geöffnet werden müssen, dass diese Blockade nichts bringt. Das ist also bereits der x-te Appell, der an Israel gerichtet wird. Aber gerade jetzt zeigt sich, wie sinnlos dieser Weg ist, den Israel hier eingeschlagen hat.

 

Ich möchte dazu auffordern, die lückenlose Aufklärung durch eine internationale Untersuchungskommission voranzutreiben und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Ich möchte auch dazu auffordern, jenen Aktivistinnen und Aktivisten, die auf diesen Booten unterwegs waren, die sofortige und breite Unterstützung zukommen zu lassen, die sie brauchen werden, denn die rechtliche Situation, mit der sie konfrontiert sind, ist nicht gerade unkompliziert. Diese letzte Aufforderung richtet sich konkret auch an die Vertreterinnen und Vertreter der österreichischen Bundesregierung, die in den nächsten Tagen sicher mit diesem Vorfall befasst sein werden.

 

Da möchte ich jetzt auf unser eigentliches Thema zu sprechen kommen, nämlich auf Wien und auf die Tatsache, liebe Stadträtin, dass in Wien, wie auch in anderen europäischen Städten, Kinder in Armut aufwachsen. Ich weiß nicht, warum dich diese Feststellung derart empört, aber: ja, es gibt Kinder in Wien, die in Armut aufwachsen! Das belegen sämtliche Statistiken, sämtliche Analysen, sämtliche Berichte, die es hier gibt, nicht nur seitens der Armutskonferenz, nicht nur der selbst von den GRÜNEN in Auftrag gegebene und dieser Tage gerade in der Rohfassung fertiggestellte Armuts- und Reichtumsbericht in Wien. Den hätten wir übrigens gerne auch seitens der Wiener Stadtregierung in Auftrag gegeben gehabt; derweil kommt er nicht, also gaben wir ihn selbst in Auftrag und haben für uns auch aktuelle Zahlen vorliegen.

 

Aber bitte, wenn man meint, dass das alles jetzt boshafte Behauptungen von den GRÜNEN sind, dass Kinder in Wien in Armut aufwachsen, dann möchte ich die UNICEF-Studie aus dem Jahr 2005 zitieren, die ist nicht einmal besonders neu. Da ist Kinderarmut in reichen Ländern untersucht worden, auch im Vergleich, und es ist dort Erstaunliches nachzulesen. Für diejenigen, die es interessiert: Dänemark etwa hatte zum damaligen Zeitpunkt eine Kinderarmut von 2,4, während zum damaligen Zeitpunkt Wien bereits eine von 10,2 hatte.

 

Ich denke also, dass man hier sieht, dass wir es mit einer Situation zu tun haben, die auf jeden Fall nicht existiert, weil es die GRÜNEN behaupten - und es sei nicht wahr -, sondern es ist ganz einfach so! Ich meine auch, dass es Sinn macht, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen. Denn eine Verdoppelung der Zahlen der Kinder, die in Armut aufwachsen oder von Armut bedroht sind in einer sehr reichen Stadt wie Wien, innerhalb der letzten Jahre ist alarmierend. 2005 waren es noch an die 50 000 Kinder, die in Wien von Armut bedroht waren, inzwischen sind es nahezu doppelt so viele Kinder, die in Wien in Armut aufwachsen.

 

Meine Damen und Herren! Ich meine, das reicht dafür hin, dass es sehr wohl Sinn macht, sich damit zu beschäftigen und auch darüber nachzudenken, was zu tun ist. Wie können wir die Situation für diese Kinder besser machen? Denn was sicher niemand hier behaupten wird, ist, dass nichts geschieht. Aber was schon zu behaupten und auch in der UNICEF-Studie belegt ist, ist, dass das, was geschieht, nicht ausreicht und nicht greift. Der Beweis dafür, dass es nicht greift, liegt ja auch darin, dass sich die Zahl der Kinder innerhalb der letzten fünf Jahre einmal mehr verdoppelt hat.

 

Über die Ursachen haben wir hier mehrfach diskutiert, über die Ursachen von Armut im Allgemeinen. Wir wissen, dass wir es ebenfalls mit einer Verdoppelung der Arbeitslosenzahlen in den vergangenen Jahren zu tun haben. Arbeitslosigkeit bringt Armut mit sich! Wir wissen auch, dass wir es in den letzten Jahren mit einer Vervielfachung der Jobs, von denen man nicht leben kann, zu tun haben. Das Problem ist ja nicht nur, wer alles arbeitslos ist, das Problem ist darüber hinaus, wer alles zwar einen, manchmal auch zwei und drei Jobs in Wien hat, von denen man aber in Summe nicht leben kann, wo man so wenig verdient, dass man am Monatsende mit dem, was man hat, ganz einfach nicht auskommt. Auch dieses Phänomen ist eines, das uns dieses Jahrzehnt in mehreren Debatten hier im Haus begleitet hat und wo bisher keine Trendumkehr zu beobachten war.

 

Ein Drittes, was sicher mit eine Ursache ist, ist die Teuerung der letzten Jahre. Es kommt nicht von ungefähr, dass in den vergangenen Jahren etwa die Preise der Lebensmittel in Supermärkten massiv gestiegen sind, sodass es in Wien sehr viele Menschen gibt, die sich, wenn sie einkaufen gehen, beispielsweise Gemüse ganz einfach nicht leisten können. Sie können sich kein Gemüse leisten! Stellen Sie sich vor, Sie gehen einkaufen und können sich Obst und Gemüse nicht leisten, weil es zeitweise so teuer ist.

 

Darüber hinaus gibt es eine Teuerung - wenn Sie ein zweites Beispiel möchten - auch bei den Mieten. Die Mieten sind allein in den letzten drei Jahren um 19 Prozent gestiegen, um sage und schreibe plus 19 Prozent in drei Jahren!

 

Das heißt, wir haben es hier mit einer Vielzahl von Faktoren zu tun, die dazu führen, dass die Armut in Wien nicht rückgängig ist, sondern steigt, und das bedeutet auch, dass die Anzahl der Kinder, die in Armut aufwachsen, steigt. Ich meine einmal mehr, dass es Sinn macht, sich heute nicht nur gegenseitig das Übliche an den Kopf zu werfen, sondern zu versuchen, ohne falsches Pathos einmal darüber nachzudenken:

 

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