Gemeinderat,
58. Sitzung vom 25.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 46
SMZ-Ost, künftig ins Krankenhaus Nord, gehen. Dort soll für
geriatrische Patienten/Patientinnen kompetente Versorgung da sein.
Man plant tatsächlich, und das ist für diesen pompösen Neubau der
Ambulanzen die einzige Begründung, die man in irgendeiner Weise überhaupt
heranziehen kann, künftig in ganz Wien, in allen Pflegeheimen der Stadt,
Menschen, wenn sie eine ambulante medizinische Versorgung brauchen, nach
Baumgarten, an den westlichen Stadtrand, zu führen. Das halten wir weder für
eine sinnvolle zumutbare Konzeption, noch ist es vernünftig, dass die TU 4
hier Kompetenzen an sich zieht, die andere, nämlich die Spitäler und die
Niedergelassenen, leisten sollten.
Es hat noch einen wesentlich schlimmeren Effekt, auf den ich Sie
hinweisen möchte: Wenn man in einem Pflegeheim mit dominanter medizinischer
Versorgung arbeitet, dann entsteht nicht Wohnlichkeit und Lebensqualität,
sondern dann entsteht ein Spital. Die medikalisierte Pflege ist zu Recht und
aus guten Gründen in den letzten Jahren immer wieder kritisiert worden.
Medizinische Versorgung, ja. Entfremdung und Entmündigung durch
Spitalsstrukturen, nein.
Man fragt sich jetzt natürlich, warum die Teilunternehmung 4 das
macht, wenn wir doch wissen, dass wir in eine Richtung wollen, wo
Lebensqualität, Orientierung an den Zeitabläufen, an den Interessen der alten
Menschen im Vordergrund stehen soll. Warum macht man hier medizinisch dominante
Strukturen? Die Antwort ist einfach und sie ist sachlich nicht begründet. Die
Antwort ist nämlich, man hat schlicht und einfach das medizinische Personal. Es
gibt diese Ambulanzen, die alle einziehen sollen, schon, und zwar überwiegend
im Geriatriezentrum Am Wienerwald. Man hat halt die unangenehme Situation, dass
hier Personal zur Verfügung steht, mit dem man offensichtlich nicht in einer
sinnvollen, weiterentwickelnden Weise, einem Transfer in die Spitäler der
Stadt, umgehen möchte. Hier gibt es offensichtlich auch dienstrechtlich und
seitens der Personalvertretung Widerstand, all das nicht dazu zu verwenden zu
schauen, wie man diesen Entwicklungsprozess eingehen, wie man diese Widerstände
überwinden und für die Ärzte und Ärztinnen sinnvolle und gute Verwendung in der
TU 1 und dem AKH herstellen kann. Vorrangig wird es wegen der
dienstrechtlichen Situation die TU 1 sein, aber Ärzte, Ärztinnen mit
geriatrischer Kompetenz sind sicher in allen Häusern dringend notwendig. Die
TU 1 würde gut daran tun, sich um diese Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
zu reißen.
Stattdessen setzt man in einem Neubau in Baumgarten nicht auf
Wohnlichkeit und Lebensqualität, sondern auf Spitalsstruktur. Was das für die
Bewohner und Bewohnerinnen heißt, kann uns Anlass zur Sorge geben. Die
Dienstzeiten waren wie in den Spitälern zwischen 8 und 13 Uhr. Da ist dann
alles hektisch. Danach ist Nachtdienst. Es wird künftig die hierarchischen
Strukturen zwischen Medizin und Pflege geben. Alle Lebensbereiche sind
medikalisiert. Die Organisationsstrukturen eines Krankenhauses, die so übergestülpt
werden würden, machen auch die Kultur des Krankenhauses. Demgegenüber soll es
Selbstbestimmung und Lebensqualität geben.
Ich bitte Sie jetzt, überdenken Sie dieses Konzept! Meinen Sie nicht,
es genügt, Häuser neu zu bauen und architektonisch schön zu gestalten, damit
sich etwas ändert! Die wichtigste Änderung muss in den Köpfen passieren. Die
wichtigste Änderung muss in den Personalstrukturen funktionieren. Denn sonst
vergeben wir die Chance, die wir mit diesem wichtigen und für die Stadt so überfälligen
Schritt der Modernisierung gesetzt haben. Ich stelle daher drei Beschluss- und
Resolutionsanträge.
Der eine bezieht sich konkret auf das Vorhaben dieser Ambulanzen. Der
Wiener Gemeinderat spricht sich dafür aus, dass die Pläne für den Neubau der
genannten Ambulanzen gestoppt werden. Wir nehmen eine einzige Ambulanz aus, wo
wir selbst finden, dort ist der Notstand so groß und die Kompetenz so dringend.
Das ist nämlich die Zahnheilkunde. Dort ist die Unterversorgung für alte
Menschen so groß, dass wir meinen, das ist zur Behebung der Mangelversorgung
sinnvoll. Aber alle anderen Ambulanzen sollen nicht gebaut werden. Stattdessen
sollten sowohl das Personal als auch die Ressourcen in die Hebung der
geriatrischen Kompetenzen in den Ambulanzen der TU 1 und TU 2. Dort
werden sie gebraucht, nicht nur von den Patienten und Patientinnen, die in den
Pflegeheimen zu Hause sind, sondern von allen älteren Herrschaften der Stadt.
In formeller Hinsicht beantrage ich die sofortige Abstimmung dieses Antrages.
Der zweite Antrag, den ich in der Sache einbringe, bezieht sich
schlicht und einfach auf die Notwendigkeit des Paradigmenwechsels, den ich
illustriert habe, weg von der medikalisierten spitalsähnlichen Pflege, hin zu
einer selbstbestimmten, lebensorientierten Umgebung für Bewohner und
Bewohnerinnen in den Pflegeheimen. Dieser Paradigmenwechsel, von dem ich gesagt
habe, er muss vorrangig in den Köpfen passieren, muss sich auch in den
rechtlichen Rahmenstrukturen niederschlagen. Ich bin sehr alarmiert, dass wir aus
informierten Kreisen aus dem Bereich der TU 4 immer wieder hören, dass man
gar nicht vorhat, die Wiener Wohn- und Pflegeheime der TU 4 nach dem
Gesetz, das wir da durch einen ganz langen und wichtigen Prozess gestrickt
haben, nämlich dem Wohn- und Pflegeheimgesetz, zu gründen, sondern dass man
vorhat, die Widmung nach dem Krankenanstaltengesetz vorzunehmen. Wenn es so
ist, meine geschätzten Damen und Herren, dass wir große Anstrengungen gemacht
haben, dass die Pflegeheime in dieser Stadt sich modernisieren, dass wir durch
neue Häuser auch neue Rahmenbedingungen schaffen und es am Ende des Tages so
ist, dass der wichtigste und größte Träger der Pflegeheime, nämlich der Wiener
Krankenanstaltenverbund, sich als Einziger nicht dem Wiener Wohn- und Pflegeheimgesetz
unterwerfen will, sondern seine Häuser nach dem Krankenanstaltengesetz widmet,
dann ist das Einfallstor in die von mir beschriebenen Risken der
spitalsähnlichen Struktur und Festschreibung für die Zukunft ganz weit offen.
Ich glaube, es muss allen hier klar sein, dass wir
mit
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