Gemeinderat,
56. Sitzung vom 27.01.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 93
öffnen, die besagt, dass Schulen, in denen 50 Prozent der Kinder
eine andere Muttersprache als Deutsch haben, besonderes Augenmerk verdienen.
Sie müssen modernisiert werden, und man muss besonders viel investieren, weil
man tatsächlich mit einer Situation konfrontiert ist, die eine Herausforderung
für jedes Bildungssystem darstellt. Diese Herausforderungen sind zu bewältigen.
Man kann sie weder schön reden, noch mit Hetze lösen, und man kann sie auch
nicht damit lösen, dass man einfach so tut, als wäre alles in Ordnung. Wir
brauchen endlich Geld für die Wiener Schulen! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Zum Abschluss möchte ich kurz auf zwei Punkte zu sprechen kommen, die
seitens der FPÖ vorgebracht wurden, weil ich sie nicht unkommentiert im Raum
stehen lassen kann.
Ich beginne mit jenem Urteil, über das dieser Tage öffentlich stark
diskutiert wird, und zwar zu Recht. Ich vermute, dass dieses bei jedem
Einzelnen von uns Verwunderung oder Empörung ausgelöst hat. Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Das kann es in Österreich nicht geben! So etwas
darf man gar nicht erst einreißen lassen, dass wir uns einer solchen
vorsintflutartigen und jenseitigen Debatte widmen, ob es möglich ist, Mord,
Totschlag und andere schwere Verbrechen gegen einen anderen Menschen damit zu
rechtfertigen, dass es angeblich einen anderen kulturellen Hintergrund gibt,
der Aggression besonders nachvollziehbar machen würde.
Das ist nämlich am Ende die falsche Aussage. Ich möchte an dieser
Stelle festhalten, dass, wer auch immer auf diese Idee kommt, die Entwicklungen
verschlafen hat, und zwar auch die Entwicklungen in Südeuropa, innerhalb der
Türkei und zum Teil in arabischen Ländern. Dort gibt es nämlich, genauso wie
hier, engagierte Gruppen von Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern, aber
auch feministische Gruppen, die seit vielen Jahren wertvolle Aufklärungsarbeit
leisten, für ihre Grundsätze kämpfen und genau diese vorsintflutartigen,
antiquierten Vorstellungen von Ehre und Moral und auch alle Konzepte von
„Ehrenmorden“, die es in der Rechtsprechung einmal gegeben hat, hinter sich
lassen.
Diese Konzepte sind vielfach auch in den Herkunftsländern
vermeintlicher Aggressionstäter Frauen gegenüber antiquiert. Das heißt: Klar
ist, dass der rechtliche Standard, den wir in Österreich haben und auch
aufrechterhalten werden, keine solchen Argumentationen zulassen darf, und das
findet meiner Meinung nach die offene und wirkliche Unterstützung quer über
alle Parteigrenzen hinweg. Aggression und Gewalt gegen andere Menschen und
insbesondere gegen Frauen haben hier nichts verloren und sind durch nichts zu
rechtfertigen. Noch einmal: Wer warum auch immer im Mittelalter
steckengeblieben ist, kann nicht damit rechnen, dass man ihm mit Liebe und
wohlwollend entgegenkommt, bloß weil er tragischerweise den Anschluss an
moderne Standards verpasst hat.
Und jetzt kommt ein großes Aber: Wenn wir all das festgestellt haben
und uns darüber einig sind, dann fängt eigentlich die wahre Debatte an, denn
letztlich gilt es, die Opfer von Gewalt zu schützen und auch zu beweisen, dass
man tatsächlich willens ist, insbesondere jungen Frauen, die als Töchter mit
Drohungen unter Druck gesetzt werden, aber auch älteren Frauen, die als
Ehefrauen aus einer Ehe ausbrechen möchten, die sie unglücklich macht und in
der sie oft auch misshandelt werden, Schutz und entsprechende Möglichkeiten zu
geben und ihnen auch einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen.
Aber gerade wenn es darum geht, all das sicherzustellen, was diese
Frauen brauchen, um tatsächlich aus diesen Verhältnissen auszubrechen, endet es
insbesondere bei Ihnen, meine Herren von der FPÖ! Sie empören sich lauthals
über das Urteil, was das aber in der Konsequenz und im nächsten Schritt
bedeutet, das lässt Sie kalt. Denn Sie haben einmal in der Bundesregierung
genau diesen Vereinen die Mittel gekürzt, die den Opfern solcher
Aggressionshandlungen Schutz bieten.
Sie sind es, die mit der Begründung, dass es lauter doppelzüngige
Emanzen sind – man möge sich das Bild hier vorstellen, damit wir diese
verschlafene Stimmung hier ein bisschen lockern! –, die in diesen Vereinen
wertvollste Opferarbeit leisten. Aber genau diesen Vereinen wurden die Mittel
gekürzt, genau diese standen in jenen Jahren vor existenziellen Bedrohungen,
als Sie in der Regierung waren.
So gesehen, sind Sie nicht glaubwürdig, wenn Sie hier vorgaukeln, die
Frauen schützen zu wollen. Wenn Sie sie nämlich wirklich schützen wollen, dann
setzen Sie sich auch dafür ein, dass diese Frauen Zugang zum Arbeitsmarkt
bekommen! Dann setzen Sie sich dafür ein, dass diese Frauen die Chance
erhalten, Deutsch zu lernen, einen Alphabetisierungskurs zu bekommen,
auszubrechen aus den Strukturen, in denen sie leben! Dann setzen Sie sich auch
dafür ein, dass jene Vereine, die Sie in Wien betreuen, finanzielle Mittel
erhalten, und setzen Sie sich dafür ein, dass jene Vereine, die Opfern Schutz
bieten, sowohl auf Bundesebene als auch auf Wiener Ebene mit ausreichend
finanziellen Mitteln ausgestattet sind. – Das tun Sie aber nicht! Diesen
Vorwurf kann ich auch der ÖVP und auch der SPÖ nicht ersparen. In Wien
finanzieren und fördern wir sehr wohl, aber auf Bundesebene sind Sie nach wie
vor säumig, wenn es darum geht, diesen Frauen die Möglichkeit zu geben, eine eigenständige
Aufenthaltsbewilligung und darüber hinaus den Zugang zum Arbeitsmarkt zu
erlangen, und zwar automatisch in dem Moment, in dem Gewalt, Aggression und
auch Gefährdungen im Raum sind. – Das tun Sie nicht, obwohl Sie schon
wieder seit einigen Jahren in der Regierung sitzen und alle Möglichkeiten
hätten, das voranzutreiben.
Ich denke, es ist gut, wenn wir alle in der Theorie einer Meinung sind,
in der Praxis erweist sich aber die eine oder andere Träne am Ende als
Krokodilsträne!
Ich möchte damit abschließen, dass ich erkläre,
wieso wir auch dem Antrag der FPÖ nicht die Zustimmung geben werden: Ein Antrag
hat auch einen Begründungstext, und wenn in der Begründung pauschale
Diffamierungen und Unterstellungen vorkommen, wenn in der
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