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Gemeinderat, 46. Sitzung vom 23.09.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 119

 

Recht herzliche Gratulation! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Was wird von StR Dr Mailath-Pokorny übrigbleiben? Sie sind bisher zweimal öffentlich ein bisschen aufgefallen. Das erste Mal war mit dem Rabenhof, wo Sie oder Ernst Woller uns gesagt haben, das sei das Paradebeispiel sozialdemokratische Kulturpolitik. Und wie es ausgegangen ist, das wissen wir. (Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr gut!)

 

Das zweite Paradebeispiel – das Problem ist nur, das ist ein bisschen größer, ein bisschen höher und das wird ein bisschen teurer werden, das wissen wir alle miteinander – ist das Ronacher. Das wird halt ihr Denkmal werden, an dem wird man Sie messen. Viel Spaß dabei! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

 

Weil Sie es hier für notwendig gefunden haben, meine Aktivitäten, die ich als Privatperson und auf privates Risiko im Stift Melk gemacht habe, anzusprechen, seien mir zwei Sätze gestattet.

 

Es haben mich einige, nachdem sie ja wissen, dass ich eine politische Funktion habe, gefragt, warum ich das eigentlich nicht in meiner Funktion als Politiker mache. Da habe ich darauf gesagt, das Problem ist, dass politische Parteien – und damit meine ich durchaus alle und die Politik insgesamt – von meiner Einschätzung her leider Gottes die Letzten in der Gesellschaft sein werden, die sich diesem Thema stellen. Das werden erst die Unternehmen tun, das werden Privatpersonen tun. Ich gebe zu, das ist ein Tabuthema, ein Tabuthema, bei dem viele Menschen ... (Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Das glauben Sie!) Ja, ich glaube, dass es ein Tabuthema ist, dass viele Menschen heute in einer Orientierungslosigkeit sind, wo es etwa Studenten gibt, die mehrere Studien abschließen, ohne zu wissen, was sie nachher machen werden, wo Sekretärinnen beginnen, Propädeutikumsausbildungen zu machen, Zusatzausbildungen zu machen, weil sie mehr aus ihrem Leben machen wollen.

 

Ich halte es daher für legitim, dass man einige gescheite Leute zusammenbringt, die selber über ihren Weg, über ihre Zweifel und über ihre Unsicherheiten reden. Ich traue mich das hier auch zu tun. Ich glaube, dass wir auch zugeben sollten, dass es in der Politik nicht immer nur die einzig richtige Antwort gibt. Sie lernen das auf Ihren Seminaren, wir lernen das auf unseren Seminaren, und ich habe sogar selber manchmal erzählt: In der Politik brauchst du eine klare Botschaft, die muss kommuniziert werden, und das müssen alle weitertragen.

 

Wir gehen leider auf eine Welt zu, wo diese einfachen Antworten nicht immer passen, wenn wir ganz ehrlich sind, weil die Welt ein bisschen komplexer geworden ist. Das gibt es in allen Parteien. Also ich meine, ein Bundeskanzler, der am Schluss auf jede Frage drei Worte gesagt hat, Jobs, Jobs, Jobs, hat auch ein entsprechendes Ergebnis erzielt, und das gibt mir auch ein bisschen Hoffnung. (Amtsf StR Dr Mailath-Pokorny: Wenigstens hat er sich darum bemüht! – GR Heinz Hufnagl: Während Sie die Dinge nur treiben lassen!)

 

Der Herr Stadtrat hat gesagt, so Dinge wie über den Sinn des Lebens zu reden, das ist ja vollkommen sinnlos und hat in der Politik nichts verloren. Ich möchte Ihnen an einem Beispiel, das uns, glaube ich, alle betrifft, sagen, dass das vielleicht doch ein anderer interessanter Ansatz sein könnte. Ich glaube, alle in diesem Haus waren entsetzt über die geringe Wahlbeteiligung bei der Europawahl, und das, was medial und in der Öffentlichkeit hängen geblieben ist, war Folgendes: Es ist darüber diskutiert worden, wie Spesenregelungen gehandhabt werden, es ist über die Knopflochkamera diskutiert worden und darüber, wer wie abrechnet. Das ist die Diskussion, die zumindest in unserem Land über die Europawahl gelaufen ist.

 

Ein sehr gescheiter Mann, der Hugo Portisch, hat gesagt, was bei dieser Wahl schief gelaufen ist. Es ist nicht klar geworden oder klar gemacht worden, was eigentlich der Sinn des Projekts Europa ist. Es hat innerhalb von 50 Jahren drei Kriege zwischen Deutschland und Frankreich mit Millionen toter Menschen gegeben, und die Grundidee des Projekts Europa war, das zu verhindern. Aus meiner Sicht und nach meiner Interpretation ist das eine Sinnfrage von Politik. Genauso hat es einen blutigen Bürgerkrieg in Bosnien und im ehemaligen Jugoslawien gegeben. Und das ist nicht nur eine rein politische Frage, sondern wenn man den Menschen klarmachen kann, dass in einem geeinten Europa so etwas nicht möglich sein kann, dann hängt das für mich mit der grundsätzlichen Sinnfrage des Menschen zusammen.

 

Und ein Letztes sei mir gestattet: Wir reden hier über viele Dinge – etwa über das Ronacher, wozu man unterschiedlicher Meinung sein kann –, aber ich glaube zum Beispiel auch und ich zerbreche mir da schon manchmal den Kopf darüber, dass alle Experten, die sich mit dem Thema Afrika ein bisschen auskennen – ich gehöre nicht dazu, das sage ich gleich –, sagen, in Afrika stirbt jetzt ein Kontinent. Der stirbt einfach, und wir wissen das auch alle. Und das hat nichts mit einer Entwicklungshilfediskussion zu tun, ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger, die Frage, die ich mir stelle, ist: Ist es eigentlich von der geistigen Entwicklung der Menschheit her akzeptabel, dass wir das letztlich alle so hinnehmen?

 

Das sind so Fragestellungen, die wir dort in Melk diskutiert haben. Das halte ich für legitim. Wir haben dort mehr Fragen aufgestellt als Antworten gefunden. Dazu bekenne ich mich. Ich habe das in einem Bundesland getan, wo man diese Idee – und zwar mir als Privatperson gegenüber – sehr positiv aufgenommen hat.

 

Und wenn wir den Jakobsweg ansprechen: 90 Prozent derer, die den Jakobsweg in der letzten Form zwischen León und Santiago de Compostela gehen, tun das nicht aus einer religiösen Motivation heraus, sondern sie tun das teilweise laufend, sie tun das mit dem Fahrrad. Das tun viele Menschen, um sich ein bisschen Zeit zu nehmen in dieser hektischen Welt und ein bisschen über ihr Leben nachzudenken.

 

Deswegen haben wir uns auch den Paulo Coelho als Aushängeschild genommen, weil es wenige auf der ganzen Welt gibt, die dieser Sehnsucht von Menschen, mehr aus ihrem eigenen Leben zu machen, nachkommen.

 

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