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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 133

 

gestiegen", laut Mailath-Pokorny. Zeitgleich, am selben Tag, lesen wir in einer Presseaussendung von Herrn VBgm StR Rieder, "ein Plus von 4,7 Prozent konnte im Bereich Kultur verzeichnet werden". Aber dann steht auch gleich etwas sehr Ehrliches dabei: "Die Mehrausgaben resultierten unter anderem aus dem Ankauf der restituierten Sammlung Strauß-Meyszner, rund 5 Millionen EUR, und aus der Zurverfügungstellung von 1,2 Millionen EUR für den Bereich Projektförderung Wissenschaft." Wenn man das zusammenzählt und dazu auch noch die gesteigerten Kosten für Personalaufwand und für die Wissenschaft rechnet, dann ist es tatsächlich schon aus diesen beiden Erklärungen ein Minusbudget, denn das macht nämlich weit mehr als 5 Prozent aus, während StR Rieder selbst nur von 4,7 Prozent spricht, meine Damen und Herren. Also einen besseren Nachweis, dass wir richtig liegen mit unserer Kritik, kann man auch innerhalb der Stadtregierung gar nicht erbringen.

 

Denken Sie einmal ganz kurz zurück. 1998: Reform Wiener Filmfonds, Tanzhaus, strenge Unvereinbarkeitsbestimmungen, neues Stadt- und Landesarchiv, Dreijahresverträge, Judenplatz, Restitution und so weiter. Was hat eine SPÖ mit 43 Mandaten in einer Koalition nicht alles zusammengebracht, meine Damen und Herren, und heute, mit 52 Mandaten, wird nicht einmal Bilanz gelegt nach zwei Jahren, weil man im Kulturbereich offensichtlich nicht glaubt, eine legen zu können. Damals, bei der Zweijahresbilanz, hat man ziemlich kühn gefragt: Nennen Sie mir einen Bereich, in dem es kulturpolitisch nicht besser geworden ist in Wien! Heute muss diese Frage lauten: Nennen Sie mir einen Bereich oder geben Sie mir ein Beispiel, in dem es nicht schlechter geworden ist! Und man kann das auch sehr gut argumentieren.

 

Bleiben wir gleich beim Theater. Bitte, wo sind die Zeiten, wo eine SPÖ und ein Bürgermeister, damals gestützt auf 43 Mandate, freudig den Theater-Dienstag verkündet haben, weil ein Besucherschwund von 100 000 da war. Wir haben damit mehr als 50 000 wieder zurückgewonnen. Heute, mit 52 Mandaten, gibt es nur ein Schulterzucken, wenn 200 000 Besucher verloren gehen in dieser Stadt.

 

Wo sind die Zeiten, wo ein Bürgermeister und eine SPÖ, gestützt auf 43 Mandate, sich hinstellen und sagen konnten, in Wien gibt es keine Theaterschließungen? Heute, mit 52 Mandaten, ist die SPÖ zur Theaterschließungspartei geworden. Auersperg, Tribüne, Rabenhof – geschlossen! Das waren blühende Theater noch vor zwei Jahren, meine Damen und Herren. Die Liste der gefährdeten Theater ließe sich lange fortsetzen, und wir werden in den nächsten Monaten noch den einen oder anderen Namen hören, der dazukommt.

 

Kollege Tschirf hat es gestern ziemlich drastisch als eine Art Stilllegungsprämie bezeichnet. Er hat es mit der Landwirtschaft verglichen. Es ist offensichtlich wirklich so, dass heute Stilllegungsprämien gezahlt werden, wenn ein Theater nicht spielt. Der Rabenhof kriegt ein Jahresbudget, spielt aber vom Mai bis zum Jahresende nicht. Ich meine, das hat es ja wirklich noch nicht gegeben in Wien, meine Damen und Herren. Und wir sind dagegen, dass Subventionen fürs Nichtspielen im Theaterbereich aufgewendet werden. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Da gibt es auch kein Herumreden über die Verantwortung. Das gehört schon zur politischen Kultur, dass man jetzt einmal klipp und klar sagt: Wir sind schuld, wir haben das vermasselt! Sie brauchen sich nur das "Format" vom 10. Juni 2000 zur Hand zu nehmen. Überschrift: "Trotteln legen sich mir in den Weg". Gerhard Bronner: "Es gibt einen so genannten Kultursprecher der SPÖ, von dem ich mein Lebtag noch nichts gehört habe. Ich weiß nicht, was seine Voraussetzungen sind, um Kultursprecher zu sein. Jedenfalls sagt er, er legt sich gegen mich quer. Und er ergreift alle möglichen Maßnahmen inklusive Rufmord. Ich hätte ihn schon längst klagen können, aber so wichtig ist er mir nicht." Und dann geht es weiter. Er macht das ohne Subventionen mit jungen Schauspielern, jungen Kabarettisten und würde bereit sein, den Rabenhof ohne Subvention über diese Krisenzeit hinwegzubringen. Bronner abschließend: "Für den Fall, dass ich gebraucht werde, würde ich natürlich kommen. Für den Fall, dass dieser Kultursprecher sich durchsetzen sollte, werde ich aber nicht so bald wiederkehren. Es gibt ein paar Trotteln, die sich mir in den Weg legen, und wenn die die Majorität haben, dann habe ich in Wien wirklich nichts mehr verloren."

 

Niemand kann sagen, dass er nicht sehenden Auges in dieses Debakel gegangen ist. Wir haben es vorausgesagt, wir haben gewarnt, wir haben die Belege erbracht, und wir haben andere Lösungen vorgeschlagen. Denn selbst wenn man aus mir nicht zugänglichen Gründen den Gerhard Bronner verhindern wollte in Wien, die Josefstadt selbst hat damals ein Angebot gelegt, mit etwas mehr als 6 Millionen S den Rabenhof weiterzuführen. Und es gibt auch keinen Grund, die Zeit, in der die Josefstadt die Verantwortung für den Rabenhof getragen hat, schlechtzureden. Da gab es den Furtwängler, da gab es Mister Green, da gab es Kainz-Medaillen, da gab es den Europäischen Kulturpreis. Das war einmal ein lebendiges Theater, in dem Theater gemacht wurde, meine Damen und Herren, und nicht, wie es im "Standard" zu lesen war, das teuerste Kabarett Österreichs.

 

Und dann sagt der Kultursprecher noch euphorisch in einem Interview, wo sogar schon der Herr Kralicek, lange Zeit ein Unterstützer des Rabenhofes, von unsauberem Spiel schreibt: "Ja, jetzt redet man wieder über den Rabenhof." Ja, man redet wieder über den Rabenhof, meine Damen und Herren, aber sicher nicht in der Art, in der Sie es gerne hätten, dass man darüber spricht. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich glaube auch nicht, dass man das so abtun kann als eine kleine Entgleisung. Das ist im Grunde genommen ein singulärer Fall parteipolitischer Verantwortungslosigkeit. Und ich glaube wirklich, dass es an der Zeit wäre hinzutreten und dafür die politische Verantwortung zu übernehmen. Nämlich nicht nur dafür, was dem Theater selbst, das jetzt zugesperrt, physisch zugesperrt wurde, an Schaden zugefügt wurde, sondern auch dafür, was es für die Szene insgesamt bedeutet hat.

 

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