Gemeinderat,
18. Sitzung vom 26.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 74
er Günstling Pasterks wurde, bis zum Zerbrechen der kleinen
Koalition, Mitarbeiter im Parlamentsklub der Freiheitlichen. Das, muss ich
sagen, scheint wohl auch ein Grund dafür gewesen zu sein, dass er sich bei der
Koalitionsbildung der Bundesregierung mit seinem fast hysterischen
Gutmenschen-Getue ganz besonders hervorgetan hat. Weder er noch Mießgang haben
Erfahrungen im Museumsbereich und müssen daher als SPÖ-linientreue Dilettanten
gewertet werden.
Eine besondere Stellung nimmt in dieser Dreiergruppe
jedoch Mattl ein. Seine Vergangenheit scheint ihn noch mehr als Fachmann für
Mailath-Pokorny zu befähigen: Er war jener Genosse Siegi Mattl, der gemeinsam
mit Peter Pilz 1977 zur Gruppe Revolutionärer Marxisten gehörte und im
GRM-Organ "Rotfront" in einem Interview mit Pilz und Cap offen über
"militante Kampfstrategien gegen bürgerliche Hegemonie" philosophierte.
Es gibt auch einen anderen "Meilenstein" in seiner Geschichte. Da
gibt es nämlich ein Foto aus dem Jahr 1975, das ihn in der Sowjetunion zeigt,
gemeinsam mit Pilz und Häupl die Kolchosbäuerin schupfend. (Heiterkeit der
GRin Marie Ringler.) Sie alle kennen wahrscheinlich das Bild, das im Jahr
1993 im "profil" zu sehen war. (Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Ich kenne es leider nicht!)
Herr Stadtrat! Das scheinen die Voraussetzungen zu
sein, wenn man im Wiener Kulturleben eine wichtige Position einnehmen oder eine
wichtige Rolle spielen will. (Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Den
Boden hat er auch geküsst?) Den Boden
hat er nicht geküsst, aber es gibt andere Genossen, die den Boden küssen. Es
passt schon alles gut zusammen! (StR Dr Peter Marboe: Den hätten Sie ja auch
noch in die Kommission geben können! - Weitere Zwischenrufe.)
Was wünschen nun diese drei Auserwählten von einem
neuen Museum? - Weil das Historische Museum deren Meinung nach - ich zitiere
jetzt - "nicht aufregend genug agiere und ein schwaches Profil habe",
ich zitiere weiter: "müsse etwa ein Haus für urbane Kultur oder ein Forum
für Stadtgeschichte und Gegenwart her". In dem Zitat ist weiter von
"mentalem Strukturwandel" die Rede, von "urbaner
Kohäsionskraft", von "Basiselementen urbaner Stabilität", von
"Stadtraum für experimentelle Lebenspraxis" und von "kohärenten
epistemischen Konstrukten". (Zwischenruf
der GRin Marie Ringler.)
Ich zitiere nur die Vorstudie, das sind nicht meine
Worte. Ich würde diese niemals wählen, weil allein schon diese Diktion
verräterisch ist: "Man muss das Image der Gerümpelkammer aufbrechen."
Das erinnert mich sehr an Kampfaussagen damals, zur Zeit Pasterks, als es darum
ging, die "imperialen Achsen zu brechen", als es darum ging, die
Hofstallungen zu zerstören.
Herr StR
Mailath-Pokorny! Spätestens hier hört sich die Peinlichkeit der Dilettanten
auf, denn hier wird die Sache wirklich verantwortungslos. Was ist denn die
ureigenste Aufgabe eines Museums? - Es ist das Sammeln, es ist das Bewahren, es
ist das Erschließen und das Vermitteln. Das sind die klassischen Aufgaben aller
Museen, und das ist auch in der ICOM-Definition des International Council of
Museums für die ganze Welt als Definition festgehalten. Ich zitiere das und
habe es dem Vortrag entnommen, den Herr HR Düriegl bei der Enquete zum Thema
"Historisches Museum" gehalten hat. Diese Definition lautet:
"Das Museum ist eine permanente Institution ohne Gewinn bringende Ziele im
Dienst und zur Entwicklung der Gesellschaft, der Öffentlichkeit zugänglich und
mit der Erforschung, dem Erwerb, der Bewahrung und der Weitergabe der
materiellen Zeugnisse des Menschen sowie ihrer Ausstellung für Zwecke des
Studiums und der Erziehung und Erbauung beauftragt."
Das heißt, Respekt und Achtung vor den von Generation
zu Generation weitergegebenen Zeugnissen der Kultur zu haben. Es ist das, was
ein Museum zu einem Museum macht, aber nicht zu einer Kunsthalle, Herr
Stadtrat, und nicht zu einem Ort für gesellschaftliche Kampfansagen! Das reale
Objekt, das Objekt, das ich anschauen und angreifen kann, macht die
charakteristische Einmaligkeit eines Museums aus. (GRin Marie Ringler: Ein Museum darf nicht ...!) Es ist das reale Objekt,
das dort gesammelt wird. Das ist eben der Unterschied zu einer Kunsthalle.
Um diese Objekte richtig
sammeln zu können, muss dem ein Selektionsprozess vorangehen. Da heißt es,
Museumsexperten mit einem hohen Sachverstand einzusetzen, weil nur diese die
Voraussetzungen dafür schaffen können, dass man dann auch den letzten Schritt -
das ist der "Vorhang auf"-Schritt, der Ausstellungsschritt - machen
kann. Das heißt, die wirkliche Arbeit geschieht im Hintergrund, die wirkliche
Arbeit ist Basisarbeit. Diese vordergründige Event-Kultur - das liest man ja
aus dieser Vorstudie heraus, Herr Stadtrat - ist es nicht, sondern man muss
Grundlagen schaffen, damit auch nächste Generationen unsere gemeinsame Kultur
erfahren können.
Dazu gehört auch die Liebe zu und die Achtung vor
unserer Geschichte und Kultur. Das ist etwas, was Sie in dieser Sache vermissen
lassen. Entweder haben Sie keine Ahnung von den Aufgaben eines Museums, oder es
ist Ihnen einfach ganz egal, und Sie wollen wirklich aus einem Museum einen
Spielball und ein Experimentierfeld für linke Ideologen machen. Beides, Herr
Stadtrat, ist ein Grund, dass wir Ihnen hier völliges Versagen vorwerfen! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in
Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderats nur einmal zum Wort
melden dürfen und dass ihre Redezeit mit 5 Minuten begrenzt ist.
Nächste Rednerin ist Frau
GRin Ringler. Ich erteile ihr das Wort.
GRin Marie Ringler
(Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!
Wie Sie sich vorstellen können,
habe ich ganz andere Sorgen als Frau Kollegin Unterreiner, nämlich vielmehr
die, dass das Historische Museum derzeit einen tiefen Dornröschenschlaf schläft.
Fahren Sie einmal mit dem Taxi ins Historische Museum! Sie werden wahrscheinlich
am Ring und nicht auf dem Karlsplatz
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