Gemeinderat,
15. Sitzung vom 26.04.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 54 von 99
festzuhalten, ist sehr wichtig - braucht es Durchlässigkeit.
Diese Durchlässigkeit müssen wir herstellen.
Wir müssen einen Mittelweg zwischen der Vergabe von
freien Geldern und der Vergabe von Dreijahresverträgen finden. Wir müssen
überlegen - das ist, glaube ich, eine ziemliche Herausforderung an alle
Kulturpolitiker und -politikerinnen dieser Stadt, und da schließe ich mich
durchaus ein -, wie wir damit umgehen, dass diese Szene auch ein Stück weit
einem Problem der Stagnation entgegensieht. Es ist ja so, dass es mit der
Vergabe von Dreijahresverträgen, mit der Bindung von Mietverträgen an Personen
auch zu personeller Stagnation im Bereich der Theater gekommen ist. Wir müssen
uns überlegen, wie wir damit umgehen, vor allem dann, wenn wir nicht aufwachen
wollen, um festzustellen, dass das Theaterwunder Wien keines mehr ist, weil es
leider an den strukturellen Problemen zugrunde gegangen ist.
Daher meine ich, es gilt in den nächsten Wochen und
Monaten - um nicht zu sagen Jahren -, eine ganze Reihe von Problempunkten zu
behandeln. Diese Probleme liegen eigentlich schon seit vielen Jahren auf dem
Tisch, wir kennen sie alle. Es würde mich sehr freuen, wenn im Anschluss an die
Enquete der IG Freie Theater, die vor nicht allzu langer Zeit stattgefunden
hat, endlich wirklich ernsthafte, öffentliche Diskussionen mit den Theatermacherinnen
und -machern dieser Stadt in Angriff genommen würden, um die Problemkreise, die
in der Enquete identifiziert wurden, zu lösen.
Ich nenne sie noch einmal: Wir glauben, es braucht
eine gesamt-theaterpolitische Konzeption für die Stadt, die sowohl die freie
Szene als auch die so genannten Mittelbühnen als auch die großen Häuser
umfasst: Wohin wollen wir? Welche Profile erwarten wir uns von welchen
Menschen, die diese Theaterangebote in der Stadt machen?
Wir müssen uns überlegen, wie wir mit der Vergabe von
Häusern weiter umgehen. Ich habe Ihnen schon gesagt, es gibt Häuser, in denen
die Mietverträge ad personam an Intendanten und Intendantinnen gebunden sind.
Das führt zu einer Art Erbrecht, was in manchen Fällen vielleicht okay sein
kann, aber im Grunde eine äußerst problematische Situation vor allem in Zukunft
darstellen wird. Es braucht mehr Durchlässigkeit zwischen diesen einzelnen Bereichen
der Szene, es braucht Unterstützung für das Touring von Theaterproduktionen und
es braucht - das ist natürlich etwas, was die Stadt Wien nicht allein wird
lösen können - Lösungsansätze für das Problem der sozialen Absicherung von
Kunst- und Kulturschaffenden.
Die Künstler-Sozialversicherung, wie sie jetzt eingeführt
wurde, kann diese Probleme, wie Sie vielleicht auch wissen, nur sehr bedingt
abdecken. Unsere grüne Kritik an der Künstler-Sozialversicherung haben wir
schon oft geäußert. Hier hoffen wir, dass es möglich sein wird, in den nächsten
Jahren eine Änderung herbeizuführen.
Ich kann nur sagen, lieber Herr Stadtrat: Mit mir haben
Sie, was diese Frage betrifft, sicherlich eine Partnerin, wenn es darum geht,
in der Stadt, für die Stadt und für die Theaterschaffenden Verbesserungen
vorzunehmen. Kein Verständnis habe ich für eine Loch-auf-Loch-zu-Politik, wie
ich sie vorhin skizziert habe. Wir werden diesem Antrag zwar zustimmen, aber,
wie gesagt, ein bisschen mit einem schweren Herzen. Denn die Probleme sind
damit bei weitem nicht gelöst. - Danke. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Danke. - Als Nächster ist Herr GR Dr Salcher zum
Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
GR Dr Andreas Salcher (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr
geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ja, auch mein Herz ist schwer. Ich sage gleich dazu,
mein Herz ist so schwer, dass wir nicht zustimmen werden.
Es wurde argumentiert, dass heuer wundersamerweise
das Investitionsbudget, von dem ja das Geld herkommt und das de facto auch ein
Theaterbudget ist, nicht so sehr in Anspruch genommen werden muss und dass man
daher glücklicherweise in der Lage ist, Gelder von dort umzuschichten. Die
Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Denn die ganze Wiener Theaterszene
weiß - das ist ja ein offenes Geheimnis -, dass es im Finanzierungsbereich
gerade für die Freien Gruppen kracht wie eine Kaisersemmel. Das ist unüberhörbar,
und wir haben weder im Kulturausschuss noch in der Öffentlichkeit bisher
gehört, wie hoch der Finanzierungsbedarf wirklich ist und wie viel Geld dort
tatsächlich fehlt. Gerüchteweise hört man aus der Szene von diesen
5 Millionen S, doch wurden diese bisher nie bestätigt oder auch nicht
dementiert.
Warum man es sich nicht so leicht machen kann, möchte
ich Ihnen jetzt an dem Beispiel zeigen, einfach die Baukosten herzunehmen und
diese umzuwidmen. Das heißt, es gibt auch einen inhaltlichen Grund, warum wir
dagegen stimmen.
Mir war es bisher nicht möglich, im neuen Budget zum
Beispiel eine Position für die Förderung von behindertengerechten
Umbaumaßnahmen - die Dr Marboe damals noch hineingegeben hat - zu finden. Wir
haben auch bei den Beamten nachgefragt und konnten dort keine Antwort finden.
Ich bin aber hocherfreut, wenn der Redner der Sozialdemokraten oder der Herr
Stadtrat selbst uns anschließend sagt, ob es diese Position vielleicht irgendwo
anders gibt und nur wir sie im Budget nicht finden konnten, oder ob es das in
Zukunft überhaupt nicht mehr geben kann. Denn wir alle wissen, dass nach dem
Beschluss des Spielstättengesetzes jede neue Theaterinstitution dazu gezwungen
sein wird, aber auch die Bestehenden, mittelfristig große Investitionen im
Bereich der behindertengerechten Gestaltung und der Zugänglichkeit von Theatern
vorzunehmen haben.
Warum diese Finanzprobleme im Theaterbereich bestehen, ist
auch ganz offenkundig: weil eben die Sozialdemokraten ihre Lieblingsprojekte -
ich nenne hier nur die Stichworte Rabenhof und Public Netbase - finanzieren
mussten, vorfinanzieren mussten. Dort, wo es noch um viel größere Beträge geht,
nämlich - und das hat auch Kollegin Ringler angesprochen - bei der Albertina-
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